Verfahrensgang
VG Chemnitz (Aktenzeichen 7 K 2348/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 30. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 480 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen der Kläger ergibt nicht, daß ein Grund für die Zulassung der Revision im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts leidet nicht an den gerügten Verfahrensfehlern (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Entgegen dem Vorbringen der Kläger hat das Verwaltungsgericht nicht wesentliche Teile des Ergebnisses der Beweisaufnahme außer acht gelassen und dadurch gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen.
Die Kläger rügen, daß das Verwaltungsgericht von der handschriftlichen Unterzeichnung des Schreibens der Anmelderin vom 10. Mai 1994 ausgegangen sei, obwohl der zu dieser Frage als Zeuge vernommene damalige Sachbearbeiter der Beklagten K. eigene Erinnerungen an das Schreiben verneint und lediglich aus sonstigen Umständen Schlüsse auf das Vorliegen der Unterschrift gezogen habe. Diese Rüge ist schon deswegen nicht begründet, weil die Erinnerungslücken des Zeugen, auf die die Kläger sich beziehen, nicht das Schreiben der Anmelderin vom 10. Mai 1994, sondern nur das vorangegangene Schreiben der Anmelderin vom 3. Mai 1994 betrafen, in dem diese der Behörde mitteilte, daß sie auf die Rückgabe des Grundstücks verzichten wolle. Demgegenüber hat der Zeuge K. zu der Formularerklärung der Anmelderin vom 10. Mai 1994 über die Rücknahme des Restitutionsantrags ausgesagt, daß er sich insoweit der Unterzeichnung durch die Anmelderin sicher sei; denn beim Eingang dieses zweiten Schreibens habe er die Unterschrift mit derjenigen auf dem Anmeldeschreiben verglichen. Die Erinnerung des Zeugen an den Vergleich der Unterschriften schließt die Erinnerung an die verglichenen Unterschriften ein.
Die Kläger rügen weiter, daß das Verwaltungsgericht bei seiner Feststellung, der Kläger zu 2 habe von der Rücknahme des Restitutionsantrags durch die Anmelderin Kenntnis gehabt, die Aussage der als Zeugin vernommenen Anmelderin Frau H. unberücksichtigt gelassen habe, sie habe dem Kläger zu 2 ihr Rücknahmeschreiben nicht gezeigt. Auch diese Rüge ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Kenntnis des Klägers zu 2 von der Rücknahme des Restitutionsantrags aus dem nach dessen eigenen Angaben von ihm selbst formulierten Schreiben der Anmelderin vom 25. Mai 1994 gefolgert, in dem diese die Behörde darum bat, ihr Schreiben vom 10. Mai 1994 „zu stornieren”. Daher war die Aussage der Anmelderin, sie glaube nicht, daß sie dem Kläger zu 2 ihr Rücknahmeschreiben gezeigt habe, für die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung ohne Bedeutung. Denn der Kläger zu 2 konnte auch dann, wenn er das Rücknahmeschreiben nicht selbst in Händen gehalten und gelesen hatte, von dessen Existenz und Inhalt Kenntnis haben und auf der Grundlage dieser Kenntnis für die Anmelderin das sog. Stornierungsschreiben vom 25. Mai 1994 formulieren.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die ihr von den Klägern beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Kläger bezeichnen die Frage als grundsätzlich bedeutsam und klärungsbedürftig,
„ob für eine rechtswirksame Antragsrücknahme im Verfahren nach dem VermG die Vorlage einer schriftlichen und handschriftlich unterschriebenen Rücknahmeerklärung bei der Behörde erforderlich ist”.
Diese Frage kann die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht rechtfertigen. Zum einen hat das Verwaltungsgericht – ohne daß dagegen eine durchgreifende Verfahrensrüge vorgebracht worden wäre (s.o. zu 1.) – festgestellt, daß das Rücknahmeschreiben der Anmelderin vom 10. Mai 1994 unterschrieben war; die aufgeworfene Frage würde sich daher in einem Revisionsverfahren nicht stellen (§ 137 Abs. 2 VwGO). Zum anderen ist die Frage eindeutig zu verneinen. Das Vermögensgesetz begründet weder für den Restitutionsantrag (vgl. Urteil des Senats vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 21.97 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 8) noch für dessen Rücknahme besondere Formerfordernisse; dasselbe gilt für das subsidiär heranzuziehende (vgl. § 31 Abs. 7 VermG) Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Sachsen, das auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes verweist.
b) Auch die weitere von den Klägern aufgeworfene Frage,
„ob bei einer rechtwirksamen Antragsrücknahme im Verfahren nach dem VermG auch nach Ablauf der Frist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG ein neuer Antrag gestellt werden kann, oder ob ein neuerliches Rückgabebegehren nur nach den Grundsätzen von Anfechtung und Widerruf einer Willenserklärung erfolgen kann”,
führt nicht zu der begehrten Revisionszulassung, weil sie in der Rechtsprechung des Senats geklärt ist. Der Senat nimmt in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 28. März 1996 – BVerwG 7 C 28.95 – BVerwGE 101, 39; Urteil vom 24. Juni 1999 – BVerwG 7 C 20.98 – BVerwGE 109, 169 = VIZ 1999, 596) an, daß der Restitutionsanspruch nur bei Anmeldung bis zum 31. Dezember 1992, bei beweglichen Sachen bis zum 30. Juni 1993, gegeben ist und erlischt, wenn er nicht innerhalb dieses Zeitraums wirksam angemeldet worden ist (§ 3, §6, § 30 Abs. 1 Satz 1, § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG). An einem das Erlöschen des Anspruchs hindernden Restitutionsantrag fehlt es auch dann, wenn der Antrag – wie hier – zwar rechtzeitig gestellt, aber später zurückgenommen worden ist. Das Verwaltungsgericht hat daher zutreffend festgestellt, daß ein dem Schreiben der Anmelderin vom 25. Mai 1994 möglicherweise zu entnehmender erneuter Restitutionsantrag den Restitutionsanspruch nicht mehr wiederbegründen konnte, nachdem er mangels einer wirksamen Anmeldung erloschen war. Im Anschluß an diese Feststellung hat sich das Verwaltungsgericht mit Recht der Frage zugewandt, ob die Anmelderin mit ihrem Schreiben vom 25. Mai 1994 die Rechtswirkungen ihrer Rücknahmeerklärung vom 10. Mai 1994 nachträglich im Wege der Anfechtung oder des Widerrufs beseitigt hat; diese Frage hat es verneint, weil kein Grund für die Anfechtung oder den Widerruf vorgelegen habe.
c) Ebensowenig ist die Revision zur Klärung der Frage zuzulassen,
„ob im Verfahren nach dem VermG bei erneuter Antragstellung nach Antragsrücknahme die Grundsätze der sog. Nachsichtrechtsprechung… dann erfüllt sind, wenn das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen beim Versenden eines Rücknahmeformulars den Hinweis auf die Folgen einer Rücknahmeerklärung unterlassen hat”.
Mit dem Hinweis auf die „Nachsichtrechtsprechung” beziehen sich die Kläger auf das bereits erwähnte Urteil des Senats vom 28. März 1996 – BVerwG 7 C 28.95 – (a.a.O.). Darin ist ausgeführt, daß die Versäumung der Anmeldefrist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG ausnahmsweise unbeachtlich ist, wenn sie – erstens – auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren kann, und wenn – zweitens – durch die Berücksichtigung der verspäteten Anmeldung der Zweck des § 30 a VermG nicht verfehlt wird. Demnach hängt die Berücksichtigung eines verspätet angemeldeten Anspruchs nicht, wie die Kläger meinen, allein davon ab, aus welchem Grunde es zur Versäumung der Anmeldefrist gekommen ist. Selbst wenn dieser Grund, für sich betrachtet, Anlaß geben könnte, die mit dem Fristablauf an sich verbundene Anspruchsvernichtung in Zweifel zu ziehen, muß für eine solche Rechtsfolge stets die weitere Voraussetzung erfüllt sein, daß eine derartige Fristdurchbrechung mit dem Zweck der Frist, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu gewährleisten, vereinbar ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Senats zu verneinen, wenn der betreffende Vermögenswert – sei es wegen Fehlens eines rechtzeitigen Antrags, sei es infolge der Rücknahme eines solchen Antrags, die nach dem Sinn und Zweck der Frist gleichfalls zur Annahme der Fristversäumung führt – bei Fristablauf nicht anmeldebelastet war. Im übrigen ist mit der von den Klägern gestellten Frage auch deswegen kein Bedarf nach rechtsgrundsätzlicher Klärung verbunden, weil die darin vorausgesetzte Hinweispflicht der Behörde offenkundig nicht besteht. In Anbetracht der großen Beachtung, die die Regelungen des Vermögensgesetzes in den Medien und in der öffentlichen Diskussion gefunden haben, ist davon auszugehen, daß den Bürgern nicht nur die Antragsabhängigkeit des Restitutionsanspruchs, sondern auch die Fristgebundenheit des Antrags bekannt ist (vgl. BVerfG, Beschluß vom 10. Januar 2000 – 1 BvR 1398/99 – ZOV 2000, 87). Es liegt daher grundsätzlich für jeden Anmelder auf der Hand, daß sich ein zurückgenommener Restitutionsantrag nicht ohne weiteres wiederholen läßt und daß daher mit der Rücknahme des Antrags die Gefahr eines materiellen Rechtsverlustes verbunden ist. Ein Anmelder, der die Rücknahme seines Restitutionsantrags beabsichtigt, ist daher nicht zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Rechte auf eine Belehrung durch die Behörde über die Rechtsfolgen angewiesen (vgl. § 25 VwVfG), ganz abgesehen davon, daß nur in seltenen Fällen für ihn überhaupt ein Anlaß bestehen dürfte, von der Rücknahme des Antrags abzurücken und einen neuen Antrag zu stellen. Anders mag es sich verhalten, wenn für die Behörde bei der Rücknahme des Antrags erkennbar ist, daß sich der Anmelder in einem Rechtsirrtum über die Folgen seiner Erklärung befindet; ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor.
d) Schließlich kommt der Rechtssache nicht deswegen grundsätzliche Bedeutung zu, weil in einem Revisionsverfahren die Frage zu klären wäre,
„ob im Verfahren nach dem VermG die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit eines Rückübertragungsbescheides durch den Mitgesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bei dem anderen Mitgesellschafter den Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG entfallen läßt”.
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, daß der Klägerin zu 1, sofern sie nicht ebenso wie der Kläger zu 2 von der Rücknahme des Restitutionsantrags und damit von der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Restitutionsbescheids Kenntnis gehabt haben sollte, jedenfalls eine grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Bescheids im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG zur Last fällt, weil es den Geschäftsführern der Klägerin zu 1 aufgrund ihrer engen Geschäftsbeziehungen mit dem Kläger zu 2 ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen sei, sich über die bestehende Sachlage zu unterrichten. Das Verwaltungsgericht hat mithin nicht etwa, wie die Kläger meinen, der Klägerin zu 1, die mit dem Kläger zu 2 in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbunden ist, schon allein mit Rücksicht auf das Bestehen der Gesellschaft dessen Kenntnisse wie eigene zugerechnet, sondern statt dessen angenommen, daß die Klägerin zu 1 die ihr selbst obliegende Sorgfalt gröblich mißachtet hat. Die in Rede stehende Frage wäre daher in der Form, in der sie von den Klägern gestellt wird, in einem Revisionsverfahren nicht zu beantworten. Unter welchen Voraussetzungen eine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG vorliegt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Bardenhewer, Herbert
Fundstellen