Entscheidungsstichwort (Thema)
Telekommunikation. Zugangsgewährung. Kollokation im Multifunktionsgehäuse. Anordnung durch Bundesnetzagentur. Regulierungsermessen. allgemeines Ermessen. Regulierungsverfügung. Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
Bei der Entscheidung über die Festlegung der Bedingungen einer Zugangsanordnung nach § 25 Abs. 5 Satz 1 und 2 TKG ist der Bundesnetzagentur kein Regulierungsermessen, sondern ein allgemeines (Rechtsfolge-)Ermessen eingeräumt.
Normenkette
TKG § 25 Abs. 1, 5
Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 15.05.2013; Aktenzeichen 21 K 2516/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 15. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (1.) und des Verfahrensmangels (2.) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer höchstrichterlich bisher noch nicht geklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden entscheidungserheblichen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
a) Die Klägerin zu 2 wirft zunächst die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig auf, ob „der Begriff des ‚Beibehaltens’ in § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG (bedeutet), dass die Regulierungsverfügung, welche die in einer vorangegangenen Regulierungsverfügung auferlegte Verpflichtung beibehält, diese Verpflichtung unverändert oder nur in dem Umfang fortschreibt, wie er sich der neuen Regulierungsverfügung durch Auslegung entnehmen lässt”.
Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich und ihre Klärung im Revisionsverfahren daher nicht zu erwarten. Dies gilt auch, soweit die Klägerin zu 2 mit dem Klageantrag zu 1.a) die Aufhebung des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 25. Januar 2010 insoweit begehrt, als in Ziffer 1.1 des Beschlusstenors angeordnet worden ist, dass Kollokation im Multifunktionsgehäuse einschließlich der virtuellen Kollokation auch für solche Multifunktionsgehäuse gewährt werden muss, die bis einschließlich 27. Juni 2007 errichtet worden sind. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit in der Annahme, die für die beanstandete Kollokationsanordnung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 TKG erforderlichen Voraussetzungen für eine Verpflichtung zur Zugangsgewährung lägen vor, für unbegründet gehalten. Dabei ist es davon ausgegangen, dass sich die durch die Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 27. Juni 2007 geregelte Pflicht zur Zugangsgewährung auch auf solche Kabelverzweiger erstreckt, die in vor dem 27. Juni 2007 errichteten Multifunktionsgehäusen untergebracht sind. Diese Annahme ist das Ergebnis der – für das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO grundsätzlich bindenden – tatrichterlichen Auslegung und Feststellung des Regelungsgehalts der genannten Regulierungsverfügung. In diesem Zusammenhang ist die Vorinstanz zwar der von der Klägerin zu 2 befürworteten Einschränkung der in Rede stehenden Kollokationsverpflichtung mit der Erwägung entgegengetreten, Ziffer 1. der Regulierungsverfügung vom 27. Juni 2007, die die besagte Kollokationsverpflichtung beinhalte (Ziffer 1.1.3), sei dahin gefasst, dass die bereits durch die vorangegangene Regulierungsverfügung vom 20. April 2005 auferlegte Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs zum Teilnehmeranschluss (u.a.) am Kabelverzweiger „beibehalten” wird. Dem liegt erkennbar die Annahme zugrunde, der in der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG verwendete Begriff des „Beibehaltens” bedeute, dass die in einer vorangegangenen Regulierungsverfügung auferlegte Verpflichtung inhaltlich unverändert fortgeschrieben wird. Selbst wenn das Verwaltungsgericht hierbei zu Unrecht von einem Verständnis des Begriffs des „Beibehaltens” ausgegangen sein sollte, der es ausschließt, dass die Bundesnetzagentur eine früher auferlegte Verpflichtung „im Rahmen ihrer Abwägung konkretisiert”, wäre dies jedoch für das Ergebnis der Auslegung der Regulierungsverfügung vom 27. Juni 2007 nicht erheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat sich in erster Linie auf den „klaren Wortlaut” der hier einschlägigen Ziffer 1.1.3 des Tenors der Regulierungsverfügung gestützt, der gegen die Annahme spreche, dass eine Verpflichtung zur Kollokation in den bis zum Zeitpunkt der Regulierungsverfügung vom 27. Juni 2007 bereits errichtet gewesenen Multifunktionsgehäusen nicht bestehe, weil erstmals durch diese Regulierungsverfügung eine solche Zugangsverpflichtung auferlegt worden sei.
b) Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache weiter in der Frage, ob „die Bundesnetzagentur bei der Festlegung der Bedingungen der Zugangsanordnung nach § 25 Abs. 5 Satz 1 und 2 TKG über Regulierungsermessen” verfügt. Ferner will die Beschwerde in diesem Zusammenhang geklärt wissen, ob „an die Ausübung des Regulierungsermessens nach § 25 Abs. 5 Satz 1 und 2 TKG, d.h. an die Ermittlung der zu beachtenden Belange, an die Gewichtung der Belange und an den Ausgleich zwischen den Belangen, geringere Anforderungen zu stellen (sind) als bei der Ausübung des Regulierungsermessens bei der Auferlegung einer Verpflichtung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG”.
Beide Fragen beziehen sich auf die Erwägungen, mit denen die Vorinstanz den Klageantrag zu 1.c) für unbegründet gehalten hat. Dieser Antrag ist auf die Aufhebung des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 25. Januar 2010 insoweit gerichtet, als in Ziffer 1.1 des Beschlusstenors i.V.m. Ziffer 1.1.1 Satz 2 der Anlage 1 des Vertrages über den Zugang zum Multifunktionsgehäuse die Verpflichtung der Klägerin zu 2 zu platzschaffenden Maßnahmen im Multifunktionsgehäuse sowie in Ziffer 2 der Anlage 1 des Vertrages über den Zugang zum Multifunktionsgehäuse die Verpflichtung der Klägerin zu 2 zur virtuellen Kollokation angeordnet worden ist. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang angenommen, dass der Bundesnetzagentur bei der inhaltlichen Ausgestaltung von Zugangsanordnungen nach § 25 TKG ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe, der im Hinblick auf die vertragsersetzende Funktion einer solchen Anordnung zum einen auf einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen beider an der Zugangsgewährung beteiligten Parteien gerichtet sein müsse, der andererseits aber auch die öffentlichen Belange zu berücksichtigen habe, die durch § 2 Abs. 2 TKG sowie die einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen vorgegeben seien. Ob die Bundesnetzagentur den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum rechtmäßig ausgefüllt hat, sei nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, die insoweit für die Überprüfung des Regulierungsermessens anerkannt seien. Danach sei eine Anordnung zu beanstanden, wenn ihr eine Abwägung überhaupt nicht zugrunde gelegen habe (Abwägungsausfall), in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt worden sei, was nach Lage der Dinge in sie habe eingestellt werden müssen (Abwägungsdefizit), die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden sei (Abwägungsfehleinschätzung) oder der Ausgleich zwischen ihnen zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis stehe (Abwägungsdisproportionalität). Nach diesem Maßstab erweise sich die hier streitige Anordnung platzschaffender Maßnahmen als rechtmäßig.
Den von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen fehlt die für eine Zulassung der Revision erforderliche Klärungsfähigkeit in einem Revisionsverfahren. Die erste Frage, die sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung allerdings ohne Weiteres verneinen lässt (aa), ist nicht entscheidungserheblich (bb). Damit entfällt offensichtlich auch die Grundlage für die zweite Frage, die an die Annahme eines Regulierungsermessens der Bundesnetzagentur anknüpft.
aa) Dass dem Ansatz der Vorinstanz, die Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Festlegung der Bedingungen der Zugangsanordnung nach § 25 Abs. 5 Satz 1 und 2 TKG nach den Grundsätzen des Regulierungsermessens zu überprüfen, nicht zu folgen ist, kann der Senat ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens auf der Grundlage seiner bisherigen Rechtsprechung entscheiden. Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 TKG können Gegenstand einer Anordnung alle Bedingungen einer Zugangsvereinbarung sowie die Entgelte sein; die Bundesnetzagentur darf die Anordnungen mit Bedingungen in Bezug auf Chancengleichheit, Billigkeit und Rechtzeitigkeit verknüpfen (Satz 2). Aus der Verwendung der Formulierungen „können” und „darf” ergibt sich, dass diese Rechtsnorm eine Ermessensermächtigung enthält. Die Bundesnetzagentur kann danach zwischen mehreren rechtlich zulässigen Handlungsmöglichkeiten wählen. Ihr steht zwar kein Entschließungsermessen (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1 TKG), aber ein Auswahlermessen dahingehend zu, welche von mehreren Maßnahmen ergriffen wird. Hierbei handelt es sich um den typischen Fall eines auf den Rechtsfolgenausspruch bezogenen sogenannten allgemeinen Ermessens, das vor allem der Einzelfallgerechtigkeit dient. Der Bundesnetzagentur soll ermöglicht werden, unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks einerseits und der konkreten Umstände andererseits eine dem Einzelfall angemessene und sachgerechte Entscheidung zu treffen, in die insbesondere auch Zweckmäßigkeitsund Billigkeitserwägungen einfließen können. Die rechtlichen Bindungen, denen die Ausübung dieses Ermessens unterliegt, ergeben sich aus § 40 VwVfG. Danach hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Art und Umfang der gerichtlichen Kontrolle werden in § 114 Satz 1 VwGO geregelt. Danach prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Mit der Entwicklung der Kategorie des Regulierungsermessens hat die Rechtsprechung auf den Umstand reagiert, dass das Telekommunikationsgesetz neben klassischen Ermessensermächtigungen und der Einräumung von Beurteilungsspielräumen auf der Tatbestandsseite (vgl. z.B. § 10 Abs. 2 Satz 2 TKG) Normen enthält, die der Regulierungsbehörde Entscheidungsspielräume einräumen, die sich keiner dieser Kategorien eindeutig zuordnen lassen. Von dem allgemeinen Ermessen unterscheiden sich diese Entscheidungsspielräume dadurch, dass der Behörde ein umfassender Auswahl- und Ausgestaltungsspielraum auf der Rechtsfolgenseite zusteht, der untrennbar mit einer durch zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe gesteuerten Abwägung verbunden ist. Die zu konkretisierenden unbestimmten Rechtsbegriffe weisen in hohem Maße wertende und prognostische Elemente auf. Im Rahmen der Abwägung sind eine Vielzahl zum Teil gegenläufiger Regulierungsziele sowie sonstiger öffentlicher und privater Belange zu gewichten und auszugleichen. Der Senat hat diese Kategorie komplexer behördlicher Entscheidungsspielräume bei der Auferlegung von Regulierungsverpflichtungen nach § 13 TKG mit dem Begriff des Regulierungsermessens gekennzeichnet und in Anlehnung an das Planungsermessen behandelt. Das Regulierungsermessen wird dem entsprechend fehlerhaft ausgeübt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat – Abwägungsausfall –, in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste – Abwägungsdefizit –, die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden ist – Abwägungsfehleinschätzung – oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht – Abwägungsdisproportionalität –. Die gerichtliche Kontrolle der Ausübung des Regulierungsermessens hat sich dabei grundsätzlich auf diejenigen Erwägungen zu beschränken, die die Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung dargelegt hat (vgl. grundlegend Urteil vom 2. April 2008 – BVerwG 6 C 15.07 – BVerwGE 131, 41 Rn. 47, sowie zuletzt Urteil vom 11. Dezember 2013 – BVerwG 6 C 23.12 – juris Rn. 24).
Während die Bundesnetzagentur bei der Auferlegung von Regulierungsverpflichtungen nach § 13 TKG über einen umfassenden Auswahl- und Ausgestaltungsspielraum verfügt, der untrennbar mit einer durch zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe gesteuerten Abwägung verbunden ist und bei dessen Ausübung sie sich – anders als im Fall „gewöhnlicher” Ermessensermächtigungen – nicht an einem durch Auslegung zu ermittelnden Normzweck, sondern an einer Vielzahl solcher Zwecke, nämlich den in § 2 Abs. 2 TKG vorgegebenen Regulierungszielen auszurichten hat, weist die Ermächtigungsgrundlage für Zugangsanordnungen nach § 25 Abs. 5 Satz 1 und 2 TKG derartige Besonderheiten nicht auf. Als bei der Ermessensentscheidung zu beachtende Vorgaben werden in der Vorschrift lediglich Chancengleichheit, Billigkeit und Rechtzeitigkeit genannt. Eine Abwägung am Maßstab der Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG findet auf dieser Ebene nicht mehr statt, da die Konfliktbewältigung bereits auf der vorgelagerten Stufe der zu vollziehenden Regulierungsverfügung stattzufinden hat (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2013 a.a.O. Rn. 38 ff.). Aus diesem Grund besteht kein Anlass, für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Ausübung des der Bundesnetzagentur bei der Entscheidung nach § 25 Abs. 5 Satz 1 und 2 TKG eingeräumten Ermessens diejenigen Maßstäbe heranzuziehen, die die Rechtsprechung für die Abwägungskontrolle im Rahmen von Planungsentscheidungen entwickelt hat. Vielmehr verbleibt es bei den Maßstäben, die für allgemeine Ermessensentscheidungen gelten.
bb) Wenn die aufgeworfene Rechtsfrage aus Sicht des Revisionsgerichts klar und eindeutig zu beantworten ist, von der Vorinstanz aber gerade anders beantwortet wurde, ist zwar die Klärungsbedürftigkeit grundsätzlich zu bejahen (vgl. Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: April 2013, § 132 Rn. 37a). Im vorliegenden Fall ist die Revision aber deshalb nicht zuzulassen, weil auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts und der Darlegungen in der Beschwerdebegründung ausgeschlossen werden kann, dass der Klageantrag zu 1.c) Erfolg gehabt hätte, wenn das Verwaltungsgericht die Entscheidung der Bundesnetzagentur bezüglich der Verpflichtung der Klägerin zu 2 zu platzschaffenden Maßnahmen im Multifunktionsgehäuse nicht nach den Grundsätzen des Regulierungsermessens, sondern nach den Maßstäben überprüft hätte, die für allgemeine Ermessensentscheidungen gelten. Auch unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist nicht erkennbar, dass ein Ermessensfehler vorliegt. Da die Bundesnetzagentur nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts den ihr eröffneten Gestaltungsspielraum erkannt und unter Darlegung und Abwägung die aus ihrer Sicht betroffenen gegenläufigen Belange im Einzelnen begründet hat, welche Maßnahmen sie für den Fall einer bestimmten Aufnahmekapazität im Multifunktionsgehäuse als angemessen erachtet, liegt kein Fall einer Ermessensunterschreitung oder eines Ermessensnichtgebrauchs vor. Dass sie mit der streitgegenständlichen Anordnung platzschaffender Maßnahmen über die in der Ermächtigungsnorm vorgesehene Rechtsfolge hinausgegangen sein könnte (Ermessensüberschreitung), ist nicht erkennbar und wird auch von der Klägerin zu 2 selbst nicht behauptet. Für einen Ermessensfehlgebrauch bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte. Das Verwaltungsgericht hat unter dem Gesichtspunkt einer Abwägungsfehleinschätzung bzw. einer Abwägungsdisproportionalität eingehend und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Bundesnetzagentur die wesentlichen Interessen, die bei den hier erörterten Maßnahmen betroffen sind, zutreffend erkannt habe und sich der gefundene Ausgleich zwischen den konfligierenden Belangen mit Blick auf das ihnen jeweils zukommende objektive Gewicht auch nicht als unverhältnismäßig erweise. Dies schließt die Annahme sachwidriger Erwägungen oder der Nichtbeachtung maßgeblicher Zielvorstellungen des ermächtigenden Gesetzes aus. Schließlich ist auf der Grundlage der Ausführungen des Verwaltungsgerichts auch nicht erkennbar, dass die Bundesnetzagentur bei ihrer Entscheidung sonstige Ermessensgrenzen, insbesondere verfassungsrechtliche Vorgaben wie die Grundrechte, das Gleichheitsgebot oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, aber auch Normen des einfachen Rechts und des Unionsrechts missachtet haben könnte.
2. Die Revision ist ferner nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Die von der Beschwerde mit Blick auf den Klageantrag zu 1.a) geltend gemachte Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes liegt nicht vor. Nach § 108 Abs. 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Ob das Tatsachengericht auf einer ausreichend breiten oder einer zu schmalen tatsächlichen Grundlage entschieden hat, ist grundsätzlich eine dem materiellen Recht zuzuordnende Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung, auf die eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden kann. Soweit hiervon Ausnahmen zuzulassen sind, verlangt die Rüge eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz die Darlegung, dass das Gericht einen Schluss gezogen hat, den es ohne Willkür, insbesondere ohne Verletzung von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, schlechterdings nicht ziehen konnte (Beschluss vom 19. Februar 2013 – BVerwG 6 B 37.12 – Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 4 Rn. 13 m.w.N.).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Klägerin zu 2 wendet sich zum einen gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die ihr durch den angefochtenen Beschluss der Bundesnetzagentur vom 25. Januar 2010 auferlegte Verpflichtung, Kollokation auch in solchen Multifunktionsgehäusen zu gewähren, die vor dem 27. Juni 2007 errichtet worden sind, auf Ziffer 1.1.3 des Tenors der Regulierungsverfügung vom 27. Juni 2007 gestützt werden könne. Zum anderen sieht sie den Überzeugungsgrundsatz durch die Annahme des Verwaltungsgerichts verletzt, dass die ihr durch den angefochtenen Beschluss der Bundesnetzagentur vom 25. Januar 2010 auferlegte Verpflichtung, die sogenannte virtuelle Kollokation für den Fall zu ermöglichen, dass die Kapazitäten in vor dem 27. Juni 2007 errichteten Multifunktionsgehäusen erschöpft sind, auf die Regulierungsverfügung vom 27. Juni 2007 gestützt werden könne. Dass das Verwaltungsgericht mit diesen Annahmen in Bezug auf die Reichweite der genannten Regulierungsverfügung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei, begründet die Klägerin zu 2 unter Hinweis auf die ihrer Auffassung nach einschränkenden Aussagen des Senats in seinem Urteil vom 27. Januar 2010 – BVerwG 6 C 22.08 – (Buchholz 442.066 § 21 TKG Nr. 1) zur Tragweite der Verpflichtung in Ziffer 1.1.3 des Tenors der Regulierungsverfügung vom 27. Juni 2007. Selbst wenn den Entscheidungsgründen des genannten Urteils (vgl. Urteil vom 27. Januar 2010 a.a.O. Rn. 21, 24 und Rn. 26) erkennbar die von der Klägerin zu 2 unterstellte Rechtsauffassung zugrunde liegen sollte, hätte das Verwaltungsgericht die verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht überschritten. Denn es hat die entsprechenden Ausführungen des Senats nicht etwa – wie die Klägerin zu 2 unterstellt – aus seiner Würdigung ausgeblendet, sondern sich mit ihnen vielmehr eingehend auseinander gesetzt und im Einzelnen dargelegt, weshalb seiner Auffassung nach aus diesen Ausführungen nicht hergeleitet werden könne, dass die streitige Anordnung, soweit sie sich auf eine Kollokation auch in solchen Multifunktionsgehäusen erstreckt, die bereits bis zum 27. Juni 2007 errichtet worden waren, und zudem die Gewährung virtueller Kollokation umfasst, nicht von der in der Regulierungsverfügung vom 27. Juni 2007 geregelten Kollokationsverpflichtung gedeckt sei.
b) Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensfehler einer Entscheidung durch Prozessurteil statt durch Sachurteil rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision.
In einer Entscheidung durch Prozessurteil statt durch Sachurteil liegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Verfahrensfehler, wenn diese Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht (Beschluss vom 26. Februar 2014 – BVerwG 6 C 3.13 – juris Rn. 15 m.w.N.). In Bezug auf den Klageantrag zu 1.b) hat das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Dieser Antrag ist auf die Aufhebung des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 25. Januar 2010 insoweit gerichtet, als in Ziffer 1.1 des Beschlusstenors i.V.m. Ziffer 3.2.2 der Anlage 1 des angeordneten Vertrages über den Zugang zum Multifunktionsgehäuse bei Kapazitätsengpässen eine Zugangsgewährung nach dem zeitlichen Prioritätsprinzip angeordnet worden ist und als diese Regelung untrennbar verknüpft ist mit den sonstigen Regelungen zum Bestellprozess in Ziffer 3 der Anlage 1 des angeordneten Vertrages. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, es fehle an der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO), weil nicht erkennbar sei und von der Klägerin zu 2 auch nicht dargelegt werde, dass und in welcher Hinsicht sie durch die Regelungen zum Kollokations-Bestellprozess nach Ziffer 3 der Anlage 1 zum angeordneten Vertrag über die Kollokation im Multifunktionsgehäuse und namentlich durch die Beachtung des aus 3.2.2 dieses Regelwerks folgenden Prinzips, Kollokationsnachfragen nach der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs zu bearbeiten und – bei Vorliegen der Voraussetzungen – zu erfüllen, im Sinne einer Beeinträchtigung in eigenen Rechten belastet werde. Nach Auffassung der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht, indem es in Bezug auf den Klageantrag zu 1.b) nicht in der Sache entschieden hat, verkannt, dass schon die privatrechtsgestaltende Wirkung der Zugangsanordnung die Klagebefugnis der Klägerin zu 2 als Adressatin begründe.
Zwar dürfte der Klägerin zu 2 darin zu folgen sein, dass das Verwaltungsgericht zu weit gehende Anforderungen an die Klagebefugnis gestellt hat. Weil der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts stets einem staatlichen Freiheitseingriff unterliegt, folgt nach der sogenannten Adressatentheorie allein hieraus ein Klagerecht nach § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. nur Beschluss vom 19. Juli 2010 – BVerwG 6 B 20.10 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 Rn. 16). Selbst wenn aus diesem Grund der Klage in Bezug auf den Klageantrag zu 1.b) nicht bereits die Klagebefugnis abgesprochen werden durfte, ist sie insoweit jedenfalls deshalb unzulässig, weil für die Anfechtungsklage das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Durch einen Erfolg der Anfechtungsklage könnte die Klägerin zu 2 ihr Rechtsschutzziel einer besonderen Regelung für den Fall des Auftretens einer Knappheitssituation offensichtlich nicht erreichen. Denn entgegen der Darstellung der Klägerin zu 2 hat die Bundesnetzagentur in dem angefochtenen Beschluss vom 25. Januar 2010 in Verbindung mit dem Vertrag über den Zugang zum Multifunktionsgehäuse nicht angeordnet, dass bei Kapazitätsengpässen eine Zugangsgewährung nach dem zeitlichen Prioritätsprinzip erfolgt, sondern vielmehr von einer gesonderten Regelung zur Verwaltung knapper Kollokationsmöglichkeiten ausdrücklich abgesehen. Zwar ist die Regulierungsbehörde in diesem Zusammenhang – wie sich aus den Ausführungen auf S. 35 ff. des Beschlusses ergibt – davon ausgegangen, dass die bereits aus den allgemeinen Bestellregelungen folgende Vergabe der Kollokationsmöglichkeiten nach dem Zeitpunkt der Bestelleingänge die Anforderungen der Chancengleichheit, Billigkeit und Rechtzeitigkeit in befriedigender Weise erfüllt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich die Geltung des Prioritätsprinzips hier gerade aus dem Fehlen einer Regelung ergibt. Die Klägerin zu 2 hätte deshalb eine Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Festlegung eines besonderen Verteilungsverfahrens für den Fall einer Knappheitssituation erheben müssen. Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Klageabweisung aus prozessualen Gründen stellt sich damit im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar. Diese Folge ist schon im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu beachten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2 aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Neumann, Hahn, Prof. Dr. Hecker
Fundstellen
Haufe-Index 6786275 |
K&R 2014, 545 |
IR 2014, 237 |