Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 18.11.2019; Aktenzeichen 9 K 825.18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. November 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin begehrt das Wiederaufgreifen ihres beruflichen Rehabilitierungsverfahrens. Sie war in der DDR in ihrem Beruf als Außenwirtschaftsökonomin beschäftigt. Anfang 1987 stellte sie einen Ausreiseantrag. Im Mai 1987 wurde ihr gekündigt. Bis zu ihrer Ausreise am 16. Mai 1989 war sie zunächst arbeitslos und später als Schreibkraft und als Sachbearbeiterin beschäftigt. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 2. Mai 1996 rehabilitierte der Beklagte die Klägerin und stellte eine Verfolgungszeit vom 1. Mai 1987 bis zum 16. Mai 1989 fest. Im März 2016 beantragte die Klägerin die Wiederaufnahme ihres Verfahrens und die Anerkennung weiterer Verfolgungszeiten. Der Beklagte lehnte diesen Antrag ab. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
Rz. 2
Die Beschwerde der Klägerin, die sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO beruft und einen Verfahrensmangel gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rügt, hat keinen Erfolg.
Rz. 3
1. Die Grundsatzrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Rz. 4
Die von der Klägerin aufgeworfene Frage,
ob §§ 1 und 2 BerRehaG dahingehend auszulegen sind, dass auch Verfolgungszeiten, deren berufliche Beeinträchtigungen sich erst nach Ausreise aus der DDR in gravierendem Umfange verwirklichen, als Zeiten beruflicher Beeinträchtigungen im Sinne des beruflichen Rehabilitierungsgesetzes anzuerkennen sind,
wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Das angefochtene Urteil befasst sich nicht mit der Interpretation des Begriffs der Verfolgungszeit im Sinne der §§ 1 und 2 BerRehaG, sondern ist alleine darauf gestützt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für das von der Klägerin begehrte Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 51 Abs. 1 bis 3 und 5 VwVfG) nicht vorlägen. Unabhängig davon bedarf die Frage nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie lässt sich ohne Weiteres auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung - verneinend - beantworten.
Rz. 5
Es ist höchstrichterlich geklärt, dass die Schutzwirkung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes auf die Zeit des Aufenthaltes im Beitrittsgebiet begrenzt ist und die eine Rehabilitierung auslösende Verfolgungszeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerRehaG mit dem Verlassen des Beitrittsgebiets endet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 2004 - 3 B 119.03 - Buchholz 428.8 § 2 BerRehaG Nr. 1 = juris Rn. 10 f.). Das folgt aus § 2 Abs. 1 Satz 2 BerRehaG. Der Gesetzgeber ging ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 12/4994 S. 45) davon aus, dass die politische Verfolgung mit dem Verlassen der DDR beendet war. Diese Auslegung wird auch dem Zweck des Gesetzes über die berufliche Rehabilitierung gerecht. Es soll den Verfolgten in versorgungsrechtlicher Hinsicht so stellen, als sei die Verfolgung nicht eingetreten, um so das vom SED-Staat begangene Unrecht nicht fortwirken zu lassen (BT-Drs. 12/4994 S. 18/19). Bei diesem Bestreben ist der Gesetzgeber aber nicht so weit gegangen, etwaige Folgeschäden nach Verlassen des Beitrittsgebiets einzubeziehen. Ziel des Gesetzes ist es vielmehr, den Personenkreis der politisch Verfolgten im Hinblick auf die Einbußen von Berufschancen und deren Folge bei der Rentenversicherung so zu stellen wie den Durchschnitt der Versicherten mit vergleichbaren Qualifikationen im Beitrittsgebiet. Das Gesetz dient damit der Gleichstellung aller Personen, die unter dem Wirtschaftssystem der DDR lebten. Personen außerhalb dieses Wirtschaftssystems standen hingegen unter gänzlich anderen Bedingungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2009 - 3 B 83.08 - Buchholz 428.8 § 2 BerRehaG Nr. 3 Rn. 6).
Rz. 6
Diese gesetzliche Beschränkung ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der Gesetzgeber damit den Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zur Regelung der Unrechtsbereinigung nicht überschritten (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1998 - 3 C 25.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 11 = juris Rn. 21 ff.; Beschluss vom 28. Mai 2009 - 3 B 83.08 - Buchholz 428.8 § 2 BerRehaG Nr. 3 Rn. 7).
Rz. 7
2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels gerechtfertigt. Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Das ist hier nicht der Fall.
Rz. 8
Die Klägerin beanstandet, die beiden in ihrem Schriftsatz vom 20. März 2019 benannten Zeuginnen hätten vom Verwaltungsgericht gehört werden müssen. Damit rügt sie der Sache nach, dass das Verwaltungsgericht ihren schriftsätzlich gestellten „Beweisanträgen" nicht nachgekommen ist. Dieses Vorgehen des Verwaltungsgerichts ist jedoch verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Zum einen enthält der Schriftsatz vom 20. März 2019 keinen Beweisantrag im Sinne des § 86 Abs. 2 VwGO, sondern lediglich eine Beweisanregung. Zum anderen war die von der Klägerin vermisste Beweiserhebung nicht erforderlich, weil es aus der insoweit allein maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichts auf den Inhalt der Äußerungen, die die von der Klägerin benannten Zeuginnen ihr gegenüber abgegeben haben sollen, nicht ankam. Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachte Zusicherung vielmehr deswegen verneint, weil es an der nach § 38 Abs. 1 VwVfG erforderlichen Schriftform fehle. Zudem habe die Klägerin hinsichtlich der vermeintlichen Zusicherung die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht eingehalten.
Rz. 9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14188389 |