Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 27.11.2008; Aktenzeichen 1 K 1823/99) |
Tenor
Die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. November 2008 werden zurückgewiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 000 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
1. Die Beschwerden sind zulässig.
Rz. 2
Dies gilt auch für die Beschwerde der Beigeladenen, obwohl deren auf den 19. Dezember 2008 datierte Beschwerdeschrift erst nach Ablauf der Beschwerdefrist (§ 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO), mit Telefax vom 24. Februar 2009, zur Gerichtsakte gelangt ist. Hierzu macht der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen geltend, der Eingang des Schriftsatzes sei rechtzeitig gewesen, wie seiner Büroangestellten – ausweislich eines von ihr aufgenommenen Aktenvermerks vom 23. Dezember 2008 – durch die Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts an diesem Tag telefonisch bestätigt worden sei. Ob der Hinweis auf diesen Aktenvermerk ausreicht, um den fristgerechten Eingang der Beschwerdeschrift zu belegen, kann auf sich beruhen. Denn der Beigeladenen ist, die Versäumnis der Beschwerdefrist unterstellt, auf ihren innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter Beifügung der Beschwerdeschrift vorsorglich gestellten Antrag jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen hat unter dieser Prämisse nach seinem glaubhaften Vorbringen alles getan, um für einen rechtzeitigen Eingang der Beschwerdeschrift zu sorgen, und befand sich aufgrund des erwähnten Aktenvermerks seiner Büroangestellten in einem unverschuldeten Irrtum über die Einhaltung der Beschwerdefrist, der erst durch den Hinweis des Verwaltungsgerichts vom 11. Februar 2009 beseitigt wurde.
Rz. 3
2. Die Beschwerden, die sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stützen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), sind unbegründet. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Rz. 4
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass der Regulierungsbehörde bei der Beurteilung der Kostenorientierung nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss sowie bei der Anwendung des daran inhaltlich anknüpfenden Maßstabes der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 i.V.m. § 3 Abs. 2 TEntgV 1996 zwar grundsätzlich ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum zustehe. Dieser gelte aber nicht für die Prüfung des Investitionswertes als Berechnungsgrundlage der Kosten. Wie sich im Einzelnen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 24. April 2008 – Rs. C-55/06 – (MMR 2008, 523) ergebe, sei insoweit sowohl eine Kostenberechnungsmethode unzulässig, die ausschließlich auf diejenigen Kosten abstelle, die einem anderen Betreiber für die Errichtung einer vollständig neuen Infrastruktur entständen (aktuelle Kosten), als auch eine solche, die ausschließlich an den dem Betreiber der Teilnehmeranschlussleitung entstandenen Kosten unter Berücksichtigung bereits erfolgter Abschreibungen (historische Kosten) anknüpfe. Die Regulierungsbehörde müsse vielmehr die tatsächlichen Kosten berücksichtigen, die sich aus den historischen Kosten des Betreibers sowie den – aufgrund des Wiederbeschaffungswertes zu kalkulierenden – voraussichtlichen Kosten zusammensetzten.
Rz. 5
Die Fragen, die die Beschwerdeführer daran anknüpfen, verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und können daher die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.
Rz. 6
a) Die Beigeladene will grundsätzlich geklärt wissen:
„Hat die Regulierungsbehörde bei der Bestimmung des Invests für die Berechnung der kalkulatorischen Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsen im Rahmen der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 24 Abs. 1, 2 TKG 1996 einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Entscheidungsspielraum?”
Rz. 7
Diese Frage verhilft der Beschwerde – von dem noch zu vertiefenden Gesichtspunkt des auslaufenden Rechts abgesehen – schon deshalb nicht zum Erfolg, weil sie die tragenden Gründe des angefochtenen Urteils nicht zutreffend erfasst. Rechtsfragen, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt haben oder auf die sie nicht entscheidend abgehoben hat, können regelmäßig nicht zur Zulassung der Revision führen (s. Beschlüsse vom 18. Mai 2006 – BVerwG 6 B 14.06 – juris Rn. 11 und vom 14. November 2008 – BVerwG 6 B 61.08 – Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 47 Rn. 3). Entgegen der Ansicht der Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht den von ihm hinsichtlich der Prüfung der Kostenorientierung nach Art. 3 Abs. 3 VO (EG) Nr. 2887/2000 grundsätzlich befürworteten Beurteilungsspielraum der Regulierungsbehörde nicht „negiert”, soweit es um die Bestimmung des Investitionswerts als Berechnungsgrundlage der Kosten geht. Insoweit hat es der Sache nach vielmehr angenommen, dass die Behörde die Grenzen des ihr zugebilligten Spielraums überschreite, wenn sie – wie hier geschehen – bei der Berechnung des Investitionswerts ausschließlich auf die aktuellen Kosten abstelle und die historischen Kosten gänzlich unberücksichtigt lasse. Zur Klärung der grundsätzlichen Frage, ob ein Beurteilungsspielraum bei der Bestimmung des Investitionswerts bzw. – weitergehend – bei der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung überhaupt besteht, könnte das erstrebte Revisionsverfahren daher nicht beitragen.
Rz. 8
b) Auch in Bezug auf die vom Verwaltungsgericht beschriebene Grenze eines etwaigen Beurteilungsspielraums bei der Bestimmung des Investitionswerts ist ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht dargelegt. Insoweit fragt die Beigeladene weiter:
„Bedeutet die Verpflichtung für die Regulierungsbehörde, sowohl die historischen Kosten als auch die voraussichtlichen Kosten bei der Ermittlung von kalkulatorischen Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsen bei den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 24 Abs. 1, 2 TKG 1996 zu berücksichtigen, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung die Methoden abstrakt mit Bezug auf die Regulierungsziele berücksichtigen muss, oder geht die Verpflichtung dahin, die konkreten sich bei den unterschiedlichen methodischen Ansätzen ergebenden Kosten mit Bezug auf die Regulierungsziele berücksichtigen zu müssen?
Bedeutet ‚Berücksichtigen der historischen Kosten und der voraussichtlichen Kosten’ in dem oben dargestellten Zusammenhang, dass beide in einen auf die Regulierungsziele bezogenen Abwägungsvorgang einfließen müssen, wobei im Ergebnis die nach einer Methode kalkulierten Kosten bei entsprechender Begründung auch völlig zurücktreten können, oder müssen die nach beiden Methoden kalkulierten Kosten eine Auswirkung auf das Ergebnis haben?”
Rz. 9
Die Beklagte hält für klärungsbedürftig:
„Darf die Beklagte die Kapitalkosten der TAL im Rahmen eines Beurteilungsspielraums auch ausschließlich auf Basis von Wiederbeschaffungswerten ermitteln?
Darf die Beklagte bei der Bestimmung des Investitionswertes ein analytisches Bottom-up-Kostenmodell heranziehen, für das ausschließlich Wiederbeschaffungswerte herangezogen werden müssen?”
Rz. 10
Beide Beschwerdeführer rügen, dass das Verwaltungsgericht mit seinen Erwägungen zur Pflicht der Regulierungsbehörde, bei der Prüfung des Investitionswertes die „historischen Kosten” und zusätzlich die „voraussichtlichen Kosten” zu berücksichtigen, von den Grundsätzen abgewichen sei, die der Europäische Gerichtshof in seinem oben erwähnten Urteil vom 24. April 2008 aufgestellt hat. Dies rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Um unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die als solche nicht divergenzfähig im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist (s. Beschluss vom 23. Januar 2001 – BVerwG 6 B 35.00 – juris Rn. 10), einen grundsätzlichen Klärungsbedarf darzutun, muss nicht nur aufgezeigt werden, welche von dieser Rechtsprechung abweichenden Rechtssätze die Vorinstanz aufgestellt hat. Es bedarf darüber hinaus der Darlegung, inwieweit diese geeignet sein könnten, die mit der erwähnten Rechtsprechung erreichte Klärung mit Wirkung für die Zukunft wieder infrage zu stellen und deshalb Anlass zu erneuter Klärung in einem Revisionsverfahren und gegebenenfalls in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG zu geben (Beschluss vom 17. Juli 2008 – BVerwG 9 B 15.08 – Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 35 Rn. 11).
Rz. 11
Hier ist jedenfalls die letztgenannte Voraussetzung nicht erfüllt. Das folgt daraus, dass die gemeinschaftsrechtlichen Normen, auf die der europäische Gerichtshof hinsichtlich der Berechnungsgrundlage der Kosten abgehoben hat – „die Richtlinien 97/33/EG und 98/10/EG, die durch die Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 ergänzt werden sollen” (s. Urteil vom 24. April 2008 a.a.O. Rn. 88, 110) – mittlerweile außer Kraft getreten sind. Deshalb sind die Regeln einschlägig, die für die grundsätzliche Bedeutung von Rechtsfragen aufgrund ausgelaufenen Rechts gelten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben solche Rechtsfragen trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr, da die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine Klärung für die Zukunft herbeiführen soll (vgl. etwa Beschlüsse vom 30. März 2005 – BVerwG 6 B 3.05 – juris Rn. 5 f. und vom 13. Juli 2007 – BVerwG 3 B 16.07 – Buchholz 451.511 § 6 MOG Nr. 9 Rn. 9, jeweils m.w.N.). Etwas anderes kann zwar ausnahmsweise dann gelten, wenn sich die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage bei den gesetzlichen Bestimmungen, die den außer Kraft getretenen Vorschriften nachgefolgt sind, in gleicher Weise stellt. Das muss aber offensichtlich sein; es ist nicht Aufgabe des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, in diesem Zusammenhang mehr oder weniger komplexe Fragen des jetzt geltenden Rechts zu klären und die frühere mit der geltenden Rechtslage zu vergleichen (Beschluss vom 30. März 2005 a.a.O.). An dieser Offensichtlichkeit fehlt es hier. Insbesondere ist nicht evident, dass sich aus Art. 13 der Richtlinie 2002/19/EG vom 7. März 2002 – Zugangsrichtlinie –, die in Wortlaut und Systematik von den außer Kraft getretenen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften nicht unerheblich abweicht, die gleichen Anhaltspunkte für die etwaige Notwendigkeit einer kumulativen Berücksichtigung verschiedener Kostenarten entnehmen lassen wie aus dem vom Europäischen Gerichtshof herangezogenen früheren Gemeinschaftsrecht.
Rz. 12
Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass in einem etwaigen Revisionsverfahren gegebenenfalls eine (erneute) Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur ergänzenden Auslegung der entscheidungsrelevanten Regelungen des früheren Gemeinschaftsrechts einzuholen sein könnte. Der Umstand, dass die dort normierte Vorlagepflicht auslaufendes oder ausgelaufenes Gemeinschaftsrecht nicht ausnimmt, ändert nichts daran, dass der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die erst erstrebte Grundsatzrevision regelmäßig nur zukunftsorientiert im Interesse der Einheit oder Fortbildung des geltenden Rechts eröffnet (s. Beschlüsse vom 13. Juli 2007 a.a.O. Rn. 15 und vom 8. Oktober 2007 – BVerwG 3 B 16.07 – juris Rn. 3).
Rz. 13
Die von der Beklagten und von der Beigeladenen als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen des ausgelaufenen Gemeinschaftsrechts können schließlich nicht deshalb ausnahmsweise als rechtsgrundsätzlich im Sinne des Zulassungsgrundes gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO angesehen werden, weil ihre Klärung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist (vgl. Beschlüsse vom 30. März 2005 a.a.O. Rn. 9 und vom 13. Juli 2007 a.a.O. Rn. 9). Die engen Voraussetzungen dieses Ausnahmegrundes, von denen abzuweichen auch im Telekommunikationsrecht kein Anlass besteht, liegen angesichts der begrenzten Anzahl der interessierten Unternehmen wie auch der beim Verwaltungsgericht noch anhängigen Altfälle ersichtlich nicht vor.
Rz. 14
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG; dabei setzt der Senat – in Anlehnung an den Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts – 50 000 EUR für jedes der 20 umstrittenen Monatsentgelte an.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Bier, Dr. Möller
Fundstellen