Tenor
Es wird darauf hingewiesen, dass auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses für den Neubau des Verkehrszuges Waldschlößchenbrücke vom 25. Februar 2004 in der Gestalt des Planergänzungsbescheides vom 9. Juni 2008, des Ergänzungsund Änderungsbeschlusses vom 14. Oktober 2008 und des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 17. September 2010 Bedenken bestehen.
Tatbestand
Da das Verfahren mit gesondertem Beschluss ausgesetzt wird und dem Gerichtshof der Europäischen Union (in Zukunft: Gerichtshof) Fragen zur Auslegung der FFH-Richtlinie vorgelegt werden, kann auch zu den übrigen im vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen kein Urteil des Senats ergehen.
In der mündlichen Verhandlung sind die sich bei der Überprüfung des Berufungsurteils stellenden bundesrechtlichen Fragen mit den Beteiligten erörtert worden. Im Anschluss daran hat der Senat über den gesamten Streitstoff beraten. Er hält es für zweckmäßig, den Beteiligten seine vorläufige Einschätzung aufgrund der wesentlichen Ergebnisse seiner Beratung mitzuteilen:
I. Verfahrensfehler
1. Sachaufklärung
Das Oberverwaltungsgericht hat sämtliche vom Kläger in der Vorinstanz gestellten Anträge auf Einholung weiterer Sachverständigengutachten mit der Begründung abgelehnt, dass ihm ausreichende Gutachten und fachkundige Äußerungen für die Beurteilung des Sachverhaltes vorliegen. Der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe hierdurch seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt (§ 86 Abs. 1 VwGO). Außerdem rügt er – überwiegend im selben Kontext – eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO). Sämtliche Rügen des Klägers bleiben ohne Erfolg.
Ob es zusätzliche Sachverständigengutachten einholt, darf das Tatsachengericht gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO grundsätzlich nach seinem tatrichterlichen Ermessen entscheiden. Ein Verfahrensmangel liegt nur dann vor, wenn sich die Einholung eines weiteren Gutachtens wegen fehlender Eignung der vorliegenden Gutachten hätte aufdrängen müssen. Gutachten und fachtechnische Stellungnahmen sind dann ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen, Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1 – 11.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 97, vom 2. März 1995 – BVerwG 5 B 26.95 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 267 S. 12 und vom 4. Januar 2007 – BVerwG 10 B 20.06 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 353 S. 5 m.w.N.). Dass die Ablehnung der Beweisanträge aus diesem Grund zu beanstanden sein könnte, ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Insbesondere sind die gutachterlichen Stellungnahmen der Gutachter Dr. M. und Prof. Dr. S. nicht mit den vom Kläger gerügten Mängeln behaftet. Weder bestehen die vom Kläger geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der fachlichen Eignung der Gutachter noch weisen die gutachterlichen Stellungnahmen und die ihnen zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen Mängel auf. Dem Kläger ist es auch nicht gelungen, die Beweisergebnisse durch substantiierten Vortrag zu erschüttern.
Soweit der Kläger meint, er habe die fachgutachterliche Einschätzung von Dr. M., es handele sich bei den Johannstädter Elbwiesen wegen der strukturbedingten Vorbelastung nicht um geeignete Habitatflächen für den Wachtelkönig in substantiierter Weise erschüttert, kann ihm nicht gefolgt werden. Dass dem Kläger bei einer eigenen Untersuchung im Jahr 2011 mehrere Rufnachweise des Wachtelkönigs im Bereich der Johannstädter Elbwiesen gelungen sind, begründet schon deswegen keine Zweifel an der Eignung von Gutachter und Gutachten, weil Dr. M. Rufnachweise nicht in Frage gestellt hat, sondern davon ausgegangen ist, dass sich Rufer und Rufergemeinschaften wegen der fehlenden Habitateignung der Wiesen nur kurzfristig dort aufhalten werden. Der Annahme des Klägers, er habe durch eine eigene Untersuchung störungsbedingter Belastungen die Befundtatsachen der gutachterlichen Stellungnahme erschüttert, steht schon entgegen, dass seine Untersuchung methodischer Kritik ausgesetzt ist, die der Kläger nicht widerlegt hat. Der Senat vermag auch keine innerliche Widersprüchlichkeit des Gutachtens zu erkennen. Die Aussage von Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 28. November 2003, dass sich einzelne Rufer oder auch Rufergemeinschaften wegen der intensiven Nutzung des betroffenen Bereichs durch Erholungssuchende sowie Katzen und Hunde nur kurzzeitig in dem stark gestörten Bereich aufhielten, deckt sich mit seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung, dass die Flächen für die Reproduktion des Wachtelkönigs deswegen nicht geeignet seien, weil potentielle Jungtiere unter anderem den Katzen zum Opfer fielen. Dass Naturschutzvereinigungen und andere Stellen die Eignung anders eingeschätzt haben, lässt nicht den Schluss auf eine fehlende fachliche Eignung des Gutachters zu. Der Vorwurf, der Gutachter des Beklagten habe sich nicht durch eigene Beobachtungen ein Bild von der Situation vor Ort gemacht, geht über Mutmaßungen nicht hinaus.
Auch die Angriffe gegen die fachliche Qualifikation des Stickstoff-Gutachters Prof. Dr. S. greifen nicht durch. Der Vorwurf, der Gutachter sei nicht einmal in der Lage den Managementplan zu lesen, trifft nicht zu. Der Gutachter hat in seiner Stellungnahme vom 28. Januar 2011 die Aussage, der Managementplan 2009 empfehle zur Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustandes bei Nutzung der Flachland-Mähwiesen auch unter Berücksichtigung von Überflutungen eine regelmäßige Düngung, lediglich auf die Standorte fetter und magerer Ausprägung des Lebensraumtyps (LRT) 6510 bezogen. Eine Aussage, dass auch bei magerer Ausprägung des LRT 6510 bzw. Wiesen im Überschwemmungsbereich eine Stickstoffdüngung empfohlen werde, ist der Stellungnahme nicht zu entnehmen. Auch stellt die Tatsache, dass durch die Entnahme von Bodenproben die verfügbaren Bodennährstoffe bestimmbar sind, nicht die Einschätzung des Gutachters in Frage, eine Bilanzierung von Eintrag und Austrag von Stickstoffen durch Überschwemmungen sei nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu modellieren. Dass der Gutachter aus dem hervorragenden bzw. guten Zustand des Lebensraums den Schluss zieht, dass die Hochwassereinträge keiner näheren Untersuchung bedürfen, da durch die vorgesehene Mahd die vorhabenbedingten Einträge wieder ausgetragen werden, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Selbst wenn es bereits Anzeichen einer beginnenden Eutrophierung gibt, wird der Erhaltungszustand des natürlichen Lebensraums jedenfalls vorhabenbedingt nicht verschlechtert. Es besteht auch nicht der von dem Kläger behauptete Widerspruch zwischen der Annahme einer Gesamtbelastung im Abstand von 100 m von der Brücke von maximal 26,65 kg/N/ha*a und durch die Mahd zu entziehende 40 kg N/ha*a. Bei der Angabe einer Entzugsmenge von 40 kg handelt es sich ersichtlich um eine Höchstmenge, die im Maximalfall erreicht werden kann und die gerade deshalb auch etwaige bereits bestehende Eutrophierungen auszugleichen vermag. So hat auch das Oberverwaltungsgericht die Angabe verstanden, wie aus der Formulierung in Rn. 232 des angegriffenen Urteils hervorgeht, wonach es sich bei den 40 kg um den durch eine zweischürige Mahd „mögliche(n) Stickstoffentzug” handelt. Dass die angeordnete Mahd nicht mit der bereits im Rahmen des Gebietsmanagements durchgeführten vergleichbar ist, hat das Oberverwaltungsgericht dargelegt (UA Rn. 232).
Auch im Zusammenhang mit der Frage nach dem Vorkommen des LRT 6430 musste das Oberverwaltungsgericht kein weiteres Gutachten einholen. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gutachter S. als Dipl.-Geograph, Honorarprofessor für Umweltplanung, Umweltverträglichkeitsprüfung und angewandte Landschaftsökologie sowie langjähriger Geschäftsführer eines Umweltplanungsbüros nicht die Kenntnisse angeeignet hat, um vegetationskundliche Fragen zu beantworten, sind nicht erkennbar. Die weitere Rüge, der Gutachter habe keine eigene Einschätzung des Vorkommens des LRT abgegeben, verfängt ebenfalls nicht. Er hat sich die in seiner Stellungnahme vom 28. Januar 2011 zitierten anderweitigen Bewertungen der Bestandsaufnahme vor Ort aufgrund seiner eigenen Kenntnisse des betroffenen Naturraums ersichtlich zu eigen gemacht und sie in den Kontext der Gesamtuntersuchung gestellt. Auch soweit der Kläger die Vegetationsaufnahme des Vegetationskundlers Jehle im Juni 2010 in Zweifel zieht, vermag sein Vorbringen nicht zu überzeugen, da der Kläger selbst von einem optimalen Kartierzeitraum von Juni bis Oktober ausgeht. Hinsichtlich der ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2011 sind offenkundige Mängel durch den Kläger ebenfalls nicht dargetan.
2. Überzeugungsgrundsatz
Die Rüge, das Berufungsgericht habe seine Überzeugung entgegen § 108 Abs. 1 VwGO nicht auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des gerichtlichen Verfahrens gebildet, sondern sei von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen und habe besondere Umstände übergangen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätten aufdrängen müssen, greift im Ergebnis ebenfalls nicht durch. Das gilt insbesondere für die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörterte Rüge der Aktenwidrigkeit hinsichtlich der Feststellung des Fehlens kumulativ wirkender Pläne und Projekte innerhalb des FFH-Gebietes „Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg” und die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Bewertung der vom Kläger präferierten Tunnelvariante Teilaussagen aus dem Vorbringen des für den Kläger aufgetretenen Gutachters Prof. Sch. herausgelöst und das gutachterliche Vorbringen nur partiell verwertet. Ein zweifelsfreier Widerspruch ist in beiden Fällen nicht ersichtlich.
Durch die seitengenauen Bezugnahmen des Oberverwaltungsgerichts in Rn. 420 auf den Ergänzungs- und Änderungsbeschluss vom 14. Oktober 2008 und den Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom 17. September 2010 hat sich das Berufungsgericht – wenn auch missverständlich formulierend – die dortigen Prüfungen kumulativer Wirkungen, die sowohl Projekte innerhalb wie außerhalb des FFH-Gebietes betrafen, zu eigen gemacht. Ob die Prüfungen ihrerseits vollständig waren, ist keine Frage des Verfahrens- sondern des materiellen Rechts. Der Senat vermag insoweit auch keinen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz zu erkennen. Insbesondere hat das Oberverwaltungsgericht die vom Kläger in das Verfahren eingeführte Liste der Projekte und Pläne, die nach Ansicht des Klägers in die Prüfung kumulativer Wirkungen einzubeziehen waren, zur Kenntnis genommen, wie ihre mehrfache Erwähnung in den Entscheidungsgründen zeigt (vgl. Rn. 218 und 265).
Das Oberverwaltungsgericht hat auch die Aussage des Sachbeistands Prof. Sch. zu alternativen Tunnelbaumethoden weder verkürzt wiedergegeben noch Teilaussagen ungewürdigt gelassen. Der Kläger übersieht bei seiner Rüge, dass sich die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts nicht auf die Bewertung der gutachterlichen Aussage in Rn. 459 des Urteils beschränken, sondern dass das Oberverwaltungsgericht in Rn. 462 die vom Kläger als unzureichend gewürdigt bezeichneten Passagen der Aussage des Sachbeistands Prof. Sch. in der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2011 wörtlich wiedergeben hat, und zwar unter anderem auch die Aussage, dass die Tunnelbauten grundsätzlich vergleichbar seien. Bereits dies entkräftet den Vorwurf, das Gericht habe das Vorbringen nur partiell verwendet. Entgegen der Auffassung des Klägers lassen die wörtlich wiedergegebenen Aussagen von Prof. Sch. den vom Oberverwaltungsgericht gezogenen Schluss, es sei bisher kein gleichartiger Tunnelbau verwirklicht worden, durchaus zu. Der Sachverständige hat auf Nachfrage des Gerichts, ob es sich bei den von ihm vorgestellten Bauwerken aus den Niederlanden um im Wesentlichen ähnliche Projekte in offener Bauweise handele, lediglich die grundsätzliche Vergleichbarkeit der Projekte bejaht und gleichzeitig die Notwendigkeit betont, die Bauweise an den konkreten Bedarf anzupassen. Diese Einschränkung und die von Prof. Sch. betonte Notwendigkeit, für die jeweilige Situation jeweils ein optimales Verfahren zu entwickeln, lässt sich ohne Weiteres in der Formulierung zusammenfassen, ein gleichartiger Tunnelbau, wie er vorliegend geplant sei, sei noch nicht verwirklicht worden.
Entscheidungsgründe
II. Materielle Fehler
1. Präklusion
Das Oberverwaltungsgericht hat den Kläger hinsichtlich einer Reihe von Einwendungen bezüglich des Planfeststellungsbeschlusses vom 25. Februar 2004 in der Fassung des Ergänzungs- und Änderungsbeschlusses vom 14. Oktober 2008 als präkludiert angesehen. Die Anwendung der Präklusionsvorschriften begegnet jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation keinen europarechtlichen Bedenken (a). Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch die Anforderungen, die an das Vorbringen von Naturschutzverbänden zur Vermeidung eines Einwendungsausschlusses im gerichtlichen Verfahren zu stellen sind, überdehnt, soweit es den Kläger mit seinem Vorbringen zu den charakteristischen Arten des LRT 6510 Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling, Wachtelkönig und Feldlerche für ausgeschlossen erachtet hat (b). Ebenso zu Unrecht hat es den Kläger mit seinen Einwendungen zur Spanischen Flagge (auch) bezüglich des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 17. September 2010 als ausgeschlossen behandelt (c). Schließlich spricht vieles dafür, dass der Kläger nicht mit seinem Vorbringen zum Ergänzungs- und Änderungsbeschluss vom 14. Oktober 2008 als präkludiert angesehen werden durfte (d).
a) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob das Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 27. September 2012 (vgl. hierzu BTDrucks 17/12304 S. 139) und die begründete Stellungnahme vom 25. April 2013 im Vertragsverletzungsverfahren 2007/4267 Zweifel daran begründen, ob das Rechtsinstitut der (fernstraßenrechtlichen) Präklusion der Einwendungen von anerkannten Umwelt- bzw. Naturschutzvereinigungen in seiner Auslegung und Anwendung durch das Bundesverwaltungsgericht in jeder Hinsicht mit dem in Art. 10a Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl EG Nr. L 175 S. 40 (jetzt Art. 11 der UVP-Richtlinie 2011/92/EU vom 13. Dezember 2011, ABl EU Nr. L 26 S. 1) verbürgten Recht auf Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren vereinbar ist. Bezüglich des im vorliegenden Zusammenhang allein interessierenden Planfeststellungsbeschlusses vom 25. Februar 2004 ist der von der Kommission in erster Linie kritisierte Einwendungsausschluss in § 2 Abs. 3 UmwRG 2006 schon deswegen ohne Belang, weil das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz vom 7. Dezember 2006 (BGBl I S. 2816) erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses in Kraft getreten ist. Auch die von der Kommission zitierten fernstraßenrechtlichen Präklusionsbestimmungen finden vorliegend keine Anwendung, da es sich bei dem Verkehrszug „Waldschlößchenbrücke” nicht um eine Bundesfernstraße im Sinne des § 1 FStrG, sondern um ein Teilstück der nach Landesrecht klassifizierten Staatsstraße S 167 handelt. Hinzu kommt, dass der Einwendungsausschluss des § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG a.F. die anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigungen nicht erfasst (vgl. Urteil vom 27. Februar 2003 – BVerwG 4 A 59.01 – BVerwGE 118, 15 ≪17≫ = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 1). Einschlägig sind vorliegend vielmehr § 61 Abs. 3 BNatSchG 2002 i.V.m. § 57 Abs. 2 SächsNatSchG in der Fassung vom 11. Oktober 1994 (SächsGVBl S. 1601). Diese Vorschriften und ihre Handhabung durch die Planfeststellungsbehörde und das Oberverwaltungsgericht geben keinen Anlass zu vernünftigen Zweifeln an ihrer Vereinbarkeit mit dem Europarecht; der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedarf es daher nicht.
Nach § 61 Abs. 3 BNatSchG 2002 ist ein anerkannter Verein, der im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zur Äußerung hatte, im gerichtlichen Verfahren zwar auch mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die er im Verwaltungsverfahren aufgrund der ihm überlassenen oder von ihm eingesehenen Unterlagen zum Gegenstand seiner Äußerung hätte machen können. § 61 Abs. 3 BNatSSchG 2002 enthält jedoch nicht die von der Kommission als zu kurz und die gerichtliche Überprüfbarkeit der materiellen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit übermäßig einschränkend kritisierte zweiwöchige Einwendungsfrist. Aus dem Fehlen einer Fristbestimmung in § 61 Abs. 3 BNatSchG 2002 folgt zwar nicht, dass im Verwaltungsverfahren unbegrenzt Gelegenheit zur Stellungnahme besteht. § 61 Abs. 3 BNatSchG 2002 schließt Einschränkungen auf dieser Verfahrensebene nicht aus, trifft aber selbst keine Regelung, welche Fristen für eine Stellungnahme gelten sollen. Diese sind vorliegend dem Landesnaturschutzrecht zu entnehmen. Einschlägig ist insoweit § 57 Abs. 2 SächsNatSchG 1994, der Ausdruck des allgemeinen Gedankens ist, dass den Verbänden eine angemessene Frist einzuräumen ist. Welcher Zeitraum im Sinne dieser Vorschrift angemessen ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab und wird maßgeblich durch den Umfang des Informationsmaterials und den Schwierigkeitsgrad der durch das Vorhaben aufgeworfenen naturschutzrechtlichen Fragen bestimmt (Urteil vom 27. Februar 2003 a.a.O.). Mit diesem flexiblen Ansatz wird der Planfeststellungsbehörde ein geeignetes Instrumentarium zur Hand gegeben, um einzelfallbezogen über die Dauer der Frist zu entscheiden oder auch von einer Fristsetzung ganz abzusehen. Gleichzeitig unterliegt die Angemessenheit der Fristsetzung in jedem Einzelfall einer gerichtlichen Kontrolle. Auf diese Weise wird ein effektiver Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren gesichert. Eine derartige Präklusionsvorschrift steht nach Überzeugung des Senats mit Europarecht in Einklang. Dies gilt auch für die Handhabung der Vorschrift im konkreten Fall. Zwar hat die Anhörungsbehörde mit der Übersendung der Planunterlagen um eine Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten gebeten, diese Frist aber nicht als Ausschlussfrist verstanden, wie die Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens zeigt.
Soweit die Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens Nr. 2007/4267 die Meinung vertritt, die Beschränkung der Klagebefugnis auf Einwendungen, die bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht wurden, stehe nicht im Einklang mit dem in Art. 10a bzw. 11 der UVP-RL verbürgten Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren und verstoße daher gegen das unionsrechtliche Effektivitätsgebot, überzeugt die von ihr gegebene Begründung nicht. Das von der Kommission zum Beleg ihrer Auffassung angeführte Urteil des Gerichts erster Instanz (EuG) vom 11. Mai 2005 – Rs. T-111/01 – (Slg. 2005, II-1579) gibt für eine unionsrechtliche Unzulässigkeit eines Einwendungsausschlusses nichts her. Soweit sich die Kommission darauf stützt, dass es in Rn. 68 dieser Entscheidung heißt, der Kläger sei durch nichts gehindert, „einen rechtlichen Grund vorzubringen, der im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht worden ist”, verfehlt sie die Rechtsnatur von Einwendungen nach deutschem Recht schon im Ansatz. Einwendungen in diesem Sinne sind sachliches, auf die Verhinderung oder Modifizierung eines Planvorhabens abzielendes Gegenvorbringen (Urteil vom 17. Juli 1980 – BVerwG 7 C 101.78 – BVerwGE 60, 297 ≪300≫ = Buchholz 451.171 AtG Nr. 6). Die Beteiligungs- und Präklusionsregelungen zielen nicht auf rechtliches Vorbringen, sondern darauf ab, die besondere Sachkunde der Naturschutzvereinigungen in das Verwaltungsverfahren einzubringen, indem diese zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem vorhandenen naturschutzfachlichen Material angehalten werden (Urteile vom 27. Februar 2003 a.a.O. und vom 22. Januar 2004 – BVerwG 4 A 4.03 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 4 S. 27; Beschluss vom 23. November 2007 – BVerwG 9 B 38.07 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 7 Rn. 31).
Die Kommission lässt zudem unberücksichtigt, dass auch das Eigenverwaltungsrecht der Europäischen Union eine dem Einwendungsausschluss nach deutschem Recht vergleichbare Beschränkung des Tatsachenvortrags und damit der Rechtmäßigkeitskontrolle eines Gemeinschaftsaktes im gerichtlichen Verfahren kennt. So heißt es in dem von der Kommission in ihrem Schreiben vom 27. September 2012 ausschnittsweise wiedergegebenen Urteil vom 11. Mai 2005 (a.a.O.) unmittelbar vor der zitierten Passage, dass sich ein Kläger „nicht auf ein Vorbringen zum Sachverhalt berufen (könne), das der Kommission nicht bekannt war und das er dieser nicht im Verlauf des Prüfungsverfahrens mitgeteilt hatte” (Rn. 68). Aus den im Urteil zum Beleg dieser Ansicht zitierten Entscheidungen wird deutlich, dass es sich hierbei um eine gefestigte Rechtsprechung der Unionsgerichte zum Ausschluss verspäteten Tatsachenvorbringens im gerichtlichen Verfahren handelt (vgl. EuGH, Urteil vom 14. September 1994 – Rs. C-278/92, C-280/92 – Slg. 1994, I-4103 Rn. 31 und EuG, Urteil vom 25. März 1999 – Rs. T-37/97 – Slg. 1999, II-859 Rn. 93). Vor diesem Hintergrund kann eine Einwendungspräklusion nach nationalem Recht auch bei Anwendung von Unionsrecht nicht generell unzulässig sein.
Die weitere Kritik der Kommission, sogar für Umweltvereinigungen sei es sehr schwierig, innerhalb der gesetzlichen Fristen Einwendungen mit dem von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geforderten Detaillierungsgrad zu allen Aspekten eines Falles, die in einem künftigen Klageverfahren relevant sein könnten, vorzutragen, greift für die vorliegende Konstellation schon deswegen nicht, weil es an einer gesetzlichen Fristsetzung fehlt und weil es sich bei der von der Behörde mit Übersendung der Planunterlagen innerhalb von zwei Monaten erbetenen Stellungnahme nicht um eine Ausschlussfrist handelte. Im Übrigen kann das mit den für Umweltvereinigungen verfolgte doppelte Ziel, den naturschutzfachlichen Sachverstand der Vereinigungen zu mobilisieren und gleichzeitig den von der Verwaltungsentscheidung Begünstigten vor einem überraschenden Prozessvortrag zu schützen, nur erreicht werden, wenn an den Tatsachenvortrag im Verwaltungsverfahren gewisse inhaltliche Anforderungen gestellt werden. Nur auf diese Weise kann auch mit Blick auf den für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz verhindert werden, dass das behördliche Zulassungsverfahren entwertet und die Aufgabe der Klärung des regelmäßig sehr komplexen Sachverhaltes funktionswidrig in das gerichtliche Verfahren verschoben wird (vgl. Mitteilung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission vom 28. Februar 2012 zur Umsetzung der Art. 11 UVP-RL und Art. 25 der Industrieemissions-RL, S. 8 f.). Soweit die Kommission darüber hinaus befürchtet, dass aufgrund der Präklusion Einwendungen von Umweltvereinigungen zu Gesichtspunkten ausgeschlossen sein könnten, die die Vereinigung während des Verwaltungsverfahrens noch nicht vorbringen konnte, ist diese Sorge unbegründet. Denn die Präklusion setzt – wie § 2 Abs. 3 UmwRG nunmehr ausdrücklich regelt – voraus, dass die Vereinigung die betreffende Einwendung nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können.
b) Das Oberverwaltungsgericht hat, indem es den Kläger mit seinem Vorbringen zur Beeinträchtigung der charakteristischen Arten des LRT 6510 Wachtelkönig, Ameisenbläuling und Feldlerche durch Bau und Betrieb der Brücke für ausgeschlossen angesehen hat, die an eine Umweltvereinigung zu stellenden Präklusionsanforderungen überspannt. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, es genüge nicht, allein den Lebensraumtyp zu benennen und Tierarten ohne Bezug zu dem Lebensraumtyp anzuführen, übersieht, dass es nicht Aufgabe der Umwelt- und Naturschutzvereinigung ist, die Einordnung einer Art als charakteristische Art eines bestimmten Lebensraumtyps vorzunehmen. Die Vereinigung kommt ihrer Mitwirkungslast vielmehr immer schon dann nach, wenn sie die Planfeststellungsbehörde im Verwaltungsverfahren in allgemeiner Form auf die Beeinträchtigung von Arten und Lebensraumtypen hinweist, die nach ihrer naturschutzfachlichen Einschätzung und ihrer Kenntnis des Naturraums im Plangebiet vorkommen. Die zutreffende Zuordnung einer Art als charakteristische Art eines bestimmten Lebensraumtyps ist dagegen Aufgabe der Planfeststellungsbehörde und der von ihr gegebenenfalls einzuschaltenden Naturschutzfachbehörde. Dies folgt aus der Pflicht der Planfeststellungsbehörde, das Gegenvorbringen zu prüfen und in fachlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu würdigen. Dass die Frage, welche Tierarten für einen Lebensraum als charakteristisch anzusehen sind, eine naturschutzfachliche Frage ist, entbindet die Planfeststellungsbehörde nicht von dieser Pflicht. Dies gilt umso mehr, als die naturschutzrechtliche Beurteilung wesentlich von der inhaltlichen Konkretisierung des Begriffs der „charakteristischen Arten” abhängt. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass es sich bei dem Begriff der charakteristischen Arten in Art. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – FFH-RL – um einen Rechtsbegriff handelt, der zudem erst nach dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Konturen gewonnen hat. So hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – (BVerwGE 128, 1 Rn. 83 = Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 26) mit Blick auf die Entscheidung des 4. Senats vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – (BVerwGE 125, 116 Rn. 550 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23) dem Begriff klarere Konturen gegeben. Auch in der Folgezeit hat der Senat den Begriff mehrfach präzisiert (zuletzt im Urteil vom 6. November 2012 – BVerwG 9 A 17.11 – BVerwGE 145, 40 Rn. 52).
Der Fehler ist auch erheblich. Das Urteil dürfte sich zwar mit Blick auf den Wachtelkönig und den Ameisenbläuling, die als Anhang II-Arten ausführlich geprüft und für die Beeinträchtigungen verneint wurden, im Ergebnis als richtig erweisen (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für die Feldlerche, auf die das angegriffene Urteil lediglich unter dem Gesichtspunkt des Artenschutzrechts – knapp – und ohne ausreichende tatsächliche Feststellungen zu treffen, eingeht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen zum Artenschutz (s.u. 5 c) verwiesen.
c) Das angegriffene Urteil erweist sich auch insoweit als fehlerhaft, als es den Kläger mit seinen Einwendungen zur Spanischen Flagge in Bezug auf den Planfeststellungsbeschluss vom 25. Februar 2004 als präkludiert angesehen hat. Anders als das Berufungsgericht meint, hat für den Kläger kein Anlass bestanden, im Verwaltungsverfahren auf das Vorkommen dieser Art hinzuweisen. Die Einschätzung des Vorkommens der Art in der FFH-Verträglichkeitseinschätzung 2003 als „möglich” (S. 35) und der Hinweis auf das Fehlen aktueller direkter oder indirekter Nachweise, hat die Eignung der Uferbereiche als Lebensraum der Art gerade nicht ausgeschlossen und musste den Kläger daher nicht veranlassen, zum Vorkommen dieser Art im Uferbereich ergänzend vorzutragen. Als fehlerhaft erweist sich auch die Annahme der Präklusion hinsichtlich des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 17. September 2010. Zwar findet sich in Rn. 288 des Urteils die Aussage, dass der Kläger bezüglich des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 17. September 2010 „hinsichtlich keiner der (…) benannten Anhang II-Arten präkludiert” sei. Soweit das Oberverwaltungsgericht im Folgenden auf die Spanische Flagge eingeht (Rn. 297, 344, 404), zieht es sich jedoch auf die Aussage zurück, das Vorbringen der Klägerseite sei präkludiert, ohne zwischen dem Ausgangsbescheid vom 25. Februar 2004, dem Ergänzungs- und Änderungsbeschluss vom 14. Oktober 2008 und dem Änderungsplanfeststellungsbeschluss von 17. September 2010 zu differenzieren. Dieser Fehler ist auch erheblich, denn sowohl die die Spanische Flagge betreffenden Einwendungen des Klägers im Verwaltungsverfahren als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht (GA Bd. VIII Bl. 7046) bezogen sich unter anderem auf Bereiche, für die der Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom 17. September 2010 weitergehende Inanspruchnahmen von Uferflächen vorsieht. Auch aus dem Umstand, dass das Oberverwaltungsgericht bezüglich dieser Uferbereiche ein Vorkommen des LRT 6430 verneint hat, lässt sich nicht entnehmen, es habe damit gleichzeitig dort das Vorkommen des Schmetterlings ausschließen wollen. Hiergegen spricht schon, dass das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle ausdrücklich hat dahinstehen lassen, ob die Futterpflanze in diesem Bereich vorkommt. Hinzu kommt, dass das Vorkommen der Spanischen Flagge im Uferbereich nicht zwingend an das Vorkommen der Futterpflanze gebunden ist.
d) Das Oberverwaltungsgericht hätte den Kläger auch nicht bezüglich seines Vorbringens zum Ergänzungs- und Änderungsbeschluss vom 14. Oktober 2008 als ausgeschlossen ansehen dürfen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings geklärt, dass die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nicht die unbeschränkte Möglichkeit eröffnet, alte wie neue Einwendungen gegen das Vorhaben vorzubringen. Vielmehr wird das Verwaltungsverfahren nur insoweit aufgegriffen, als es zur Beseitigung der gerichtlich festgestellten oder von der Behörde selbst erkannten Mängel im ergänzenden Verfahren erforderlich ist. Den anerkannten Naturschutzvereinen eröffnen sich nur dann neue Einwendungs- oder Klagemöglichkeiten, wenn eine Planänderung vorgenommen worden ist, die zu neuen oder anderen Belastungen für Natur und Landschaft führt (Beschlüsse vom 3. Juni 2010 – BVerwG 4 B 54.09 – Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 35 Rn. 29, vom 17. Juli 2008 – BVerwG 9 B 15.08 – Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 35 Rn. 28, vom 22. September 2005 – BVerwG 9 B 13.05 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189 S. 193 f. und vom 23. November 2007 – BVerwG 9 B 38.07 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 7 Rn. 30). Entgegen der Auffassung des Klägers führt auch der Umstand, dass ein anerkannter Naturschutzverband in einem ergänzenden Verfahren gegebenenfalls auch dann erneut zu beteiligen ist, wenn die vorgesehene Entscheidung nicht zu zusätzlichen Eingriffen in Natur und Landschaft führt, aber z.B. auf neue Untersuchungen gestützt werden soll, oder Fragen aufwirft, zu deren Beantwortung der sachverständige Rat der Naturschutzverbände geboten erscheint, nicht dazu, dass er umfassend neu vortragen könnte. Vielmehr ist er auch in diesen Fällen auf Einwendungen beschränkt, die er zum Planfeststellungsbeschluss nicht vorbringen konnte (vgl. Urteil vom 14. April 2010 – BVerwG 9 A 5.08 – BVerwGE 136, 291 Rn. 85 = Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 45).
Etwas anderes muss jedoch gelten in Fällen wie dem vorliegenden, die dadurch gekennzeichnet sind, dass im ergänzenden Verfahren aufgrund neuer Unterlagen und Untersuchungen eine in der Prüfungstiefe umfassende – freilich thematisch eingeschränkte – Neubewertung („Erfassung und Bewertung”) der von einem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen vorgenommen wird, und zwar bezogen sowohl auf den ursprünglichen Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses als auch den aktuellen Zeitpunkt. Ein solcher Fall des weitgehenden Austausches der naturschutzfachlichen Grundlagen und Bewertungen eines Planfeststellungsbeschlusses in einem ergänzenden Verfahren rechtfertigt es auch unter dem Gesichtspunkt des mit dem Institut der Einwendungspräklusion verfolgten Ziels der Rechtssicherheit für den Vorhabenträger und andere Verfahrensbeteiligte nicht, die anerkannten Naturschutzvereinigungen auf Einwendungen gegen den Änderungsplanfeststellungsbeschluss zu beschränken.
2. Vogelschutzgebiet
Das Oberverwaltungsgericht ist bei der Prüfung, ob es sich bei den Johannstädter Elbwiesen um ein faktisches Vogelschutzgebiet handelt und das vorhandene Vogelschutzgebiet richtig abgegrenzt worden ist, von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl EG Nr. L 103 S. 1) bzw. der gleichnamigen Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 (ABl EU Nr. L 20 S. 7) – VRL – nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs den Mitgliedstaaten einen fachlichen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage eröffnet, welche Gebiete nach ornithologischen Kriterien für die Erhaltung der in Anhang 1 der Richtlinie aufgeführten Vogelarten „zahlen- und flächenmäßig” am geeignetsten sind (EuGH, Urteile vom 28. Februar 1991 – Rs. C-57/89, Leybucht – Slg. 1991, I-883 Rn. 20, vom 2. August 1993 – Rs. C-355/90, Santona – Slg. 1993, I-4221 Rn. 26 und vom 23. März 2006 – Rs. C-209/04, Lauteracher Ried – Slg. 2006, I-2755 Rn. 33; BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2006 – BVerwG 9 A 28.05 – BVerwGE 126, 166 ≪168 f.≫ und vom 14. November 2002 – BVerwG 4 A 15.02 – BVerwGE 117, 149 ≪155≫).
Ebenso zutreffend hat es darauf abgestellt, dass das Melde- und Gebietsausweisungsverfahren einen fortgeschrittenen Stand erreicht hat, so dass zwischenzeitlich in Deutschland das von der Vogelschutzrichtlinie angestrebte zusammenhängende Netz der Vogelschutzgebiete entstanden ist (vgl. Art. 4 Abs. 3 VRL). Dementsprechend verringert sich die gerichtliche Kontrolldichte und unterliegt Parteivorbringen, es gebe ein faktisches Vogelschutzgebiet, das eine „Lücke im Netz” schließe, besonderen Darlegungsanforderungen (vgl. Urteile vom 21. Juni 2006 a.a.O. S. 170 und vom 14. November 2002 a.a.O. S. 155 f.). Dies gilt vorliegend erst Recht, da nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ein Kommissionsbeschwerdeverfahren wegen der Herausnahme von Gebietsteilen aus dem Vogelschutzgebiet „Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg” eingestellt worden ist. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Formulierung des Oberverwaltungsgerichts (UA Rn. 124), die Aussparung der Johannstädter Elbwiesen bei der Ausweisung des Vogelschutzgebietes sei „ornithologisch vertretbar” und bewege sich innerhalb des fachlichen Beurteilungsspielraums der Behörde. Sie steht auch nicht im Widerspruch zu der Aussage des Gerichtshofs im Urteil vom 13. Dezember 2007 – Rs. C-418/04, Irland – Slg. 2007, I-10947, Rn. 142 – 145, dass bei der Abgrenzung von Vogelschutzgebieten solche Flächen, die die gleichen Eigenschaften wie das ausgewiesene Gebiet aufweisen und von einer wertgebenden Art mindestens im durchschnittlichen Umfang genutzt werden, integraler Bestandteil des Gebietes sind. Dass die Johannstädter Elbwiesen in diesem Sinne „mindestens durchschnittlich” vom Wachtelkönig genutzt werden, hat das Oberverwaltungsgericht der Sache nach aufgrund der umfangreichen Stellungnahmen der Fachgutachter und ausführlichen Erörterungen der Problematik in der mündlichen Verhandlung eindeutig und ohne Rückgriff auf einen Beurteilungsspielraum verneint. Die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen bleiben – wie oben dargelegt – ohne Erfolg.
3. FFH-Prüfung
Hinsichtlich der durchzuführenden Verträglichkeitsprüfung hat der Senat in seinem Vorlagebeschluss vom heutigen Tage dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen vorgelegt. Der Senat geht dabei davon aus, dass vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 25. Februar 2004 keine Verpflichtung bestand, eine den materiellrechtlichen Maßstäben des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL genügende Verträglichkeitsuntersuchung durchzuführen; geboten war lediglich ein „geeigneter Schutz” im Sinne der Urteile des EuGH vom 13. Januar 2005 – Rs. C-117/03, Dragaggi – Slg. 2005, I-167 Rn. 25 und 29, vom 14. September 2006 – Rs. C-244/05, Bund Naturschutz in Bayern u.a. – Slg. 2006, I-8445 Rn. 44, 47 und 51 und vom 14. Januar 2010 – Rs. C-226/08, Papenburg – Slg. 2010, I-131 Rn. 49. Dieser Verpflichtung ist der Vorhabenträger durch die von ihm im Planfeststellungsverfahren eingeholte Verträglichkeitsuntersuchung aus dem Jahr 2003 gerecht geworden.
Der Senat geht weiter davon aus, dass der Beklagte verpflichtet war, den Planfeststellungsbeschluss vom 25. Februar 2004 nach der Listung des Gebietes im Dezember 2004 durch die Kommission (erneut) auf seine Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des Gebietes zu überprüfen oder andere angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass es durch den Bau und die Verkehrsfreigabe des Brückenbauprojekts nicht zur Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie zu erheblichen Störungen der Arten, für die das Gebiet ausgewiesen worden ist, kommt. Da sich diese Frage allerdings nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs beantworten lässt, hat der Senat sie diesem zur Entscheidung vorgelegt. In diesem Zusammenhang hat der Senat auch um Klärung gebeten, welche materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Anforderungen im Einzelnen bei einer nachträglichen Überprüfung einer einmal erteilten Genehmigung zu stellen sind und welcher Zeitpunkt hierfür maßgeblich ist. Schließlich hat der Senat im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren die Frage vorgelegt, ob die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses im gerichtlichen Überprüfungsverfahren gleichwohl deswegen ausschließlich anhand der Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu prüfen ist, weil der Vorhabenträger und die Planfeststellungsbehörde diesen strengeren Maßstab bereits vor der Aufnahme des Gebietes in die Gemeinschaftsliste der Kommission angelegt haben.
Danach ist im gegenwärtigen Zeitpunkt offen, wie die Verträglichkeit des Vorhabens zu prüfen war, dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, an welchem rechtlichen Maßstab die im Planänderungsverfahren 2008 vorgenommene Neubewertung der Verträglichkeit des Vorhabens zu messen und auf welchen Zeitpunkt hierbei abzustellen war. Der Senat hält es gleichwohl für sinnvoll, auf die wesentlichen mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörterten Streitpunkte einzugehen. Soweit es die Verträglichkeitsprüfung einschließlich der Abweichungsprüfung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL betrifft, geschieht dies unter dem Vorbehalt einer Klärung der Fragen des anwendbaren rechtlichen Rahmens durch den Gerichtshof:
a) Die Kritik des Klägers, der Beklagte habe schon deswegen gegen Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL verstoßen, weil er für das einheitliche Projekt Waldschlößchenbrücke mit der 2008 durchgeführten und auf das Jahr 2004 bezogenen Verträglichkeitsprüfung für die Brücke einerseits und der Verträglichkeitsprüfung für den Montage- und Einschwimmvorgang im Jahr 2010 andererseits eine bezogen auf einzelne Wirkfaktoren jeweils getrennte FFH-Verträglichkeitsprüfung als zulässig erachtet hat, greift nicht durch. Der Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom 17. September 2010 und die ihm zugrunde liegende Verträglichkeitsuntersuchung haben die durch den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss und seine bisherigen Änderungen prognostizierten Auswirkungen auf die betroffenen Schutzgüter nicht ausgeblendet, sondern ins Verhältnis zu den neuen Beeinträchtigungen gesetzt (vgl. PFB 2010 Ziff. 4.2.2. S. 12 ff. und Ziff. 4.3.4 S. 18 ff.). Auch lag mit den Planfeststellungsbeschlüssen 2004/2008 nicht nur ein rudimentärer Planungstorso vor, vielmehr war die Brücke durch diese Beschlüsse einschließlich ihres die Elbe querenden Mittelteils bereits insgesamt planfestgestellt. Es ist auch nicht erkennbar und ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, dass durch die spätere Planfeststellung des Einschwimmvorgangs Auswirkungen des Gesamtvorhabens nicht bewertet worden sind. Schließlich gebietet auch der Grundsatz der Anlegung bester wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht die nochmalige vollständige Wiederholung der Untersuchung des Gesamtvorhabens, wenn eine in ihren Auswirkungen offensichtlich örtlich begrenzte Umplanung eines Teils des Montagekonzepts erfolgt.
b) Auch die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den maßgeblichen rechtlichen Kontrollmaßstab verfehlt, indem es die Annahme des Beklagten, die dauerhafte Inanspruchnahme des LRT 3270 belaufe sich auf 400 m² als „nachvollziehbar begründet” akzeptiert hat, bleibt ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat damit der Sache nach lediglich seine bereits in Rn. 180 des Urteils enthaltene zutreffende Aussage aufgegriffen, dass Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge, die sich auch bei Ausschöpfung der einschlägigen Erkenntnismittel derzeit nicht ausräumen lassen, kein unüberwindbares Zulassungshindernis darstellen, sondern es insoweit zulässig ist, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten (Urteil vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 64).
Ohne Erfolg bleibt auch die Kritik des Klägers an der Formulierung des Oberverwaltungsgerichts, die Prüfung der Beeinträchtigungen müsse „mit Augenmaß” erfolgen und es dürfe „kein unangemessen großer Aufwand verlangt werden” (UA Rn. 309). Isoliert betrachtet könnten diese Formulierungen dahin verstanden werden, dass das Oberverwaltungsgericht einen gegenüber den besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeschwächten Maßstab zugrunde gelegt hat. Diese Passage des Urteils ist jedoch im Zusammenhang zu sehen mit den Ausführungen in Rn. 177 ff. des Urteils, in denen der strenge Prüfungsmaßstab des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zutreffend beschrieben wird. Hierauf nimmt das Oberverwaltungsgericht im weiteren Verlauf seiner Prüfung offensichtlich Bezug und legt beispielsweise hinsichtlich der vom Kläger genannten Tierarten jeweils den Maßstab des „aktuellen wissenschaftlichen Standards” an.
Auch die weiteren Aussagen im Berufungsurteil, dass Bestandserfassungen auf bloßen Verdacht nicht verlangt werden können und die Biologie und das typische Verhalten einer Art heranzuziehen seien, führen nicht auf einen erheblichen Fehler. Sie sind vielmehr mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Senats zu den an eine Verträglichkeitsprüfung zu stellenden Anforderungen vereinbar. Danach ist die Erfassungs- und Bewertungsmethode der Verträglichkeitsprüfung nicht normativ festgelegt (vgl. allgemein zur Methodik der Verträglichkeitsprüfung EuGH, Urteil vom 7. September 2004 – Rs. C-127/02 – Slg. 2004, I-7405 Rn. 52; Senatsurteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 68). Die Zulassungsbehörde ist also nicht auf ein bestimmtes Verfahren festgelegt. In welchem Umfang und mit welchen Methoden die relevanten Daten erhoben werden, ist bei Einhaltung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse eine naturschutzfachliche Frage. Bei der Frage, welche Untersuchungen anzustellen sind, sind auch die mit den Untersuchungsmethoden eventuell verbundenen Belastungen insbesondere von Tieren zu berücksichtigen (Urteil vom 6. November 2012 – BVerwG 9 A 17.11 – juris Rn. 32 ≪insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 145, 40≫). Unter anderem deshalb kann auch nicht ausnahmslos, sondern nur in der Regel eine konkrete Bestandserfassung vor Ort verlangt werden (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008 – BVerwG 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 Rn. 59 = Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 6). Soweit der Kläger die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts angreift, dass die Untersuchungen hinsichtlich der Grünen Keiljungfer, des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings und der Fischfauna den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, wendet er sich gegen die Tatsachenwürdigung des Berufungsgerichts. Da insoweit begründete Verfahrensrügen nicht erhoben sind, kann er damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
c) Die Kritik des Klägers daran, dass das Oberverwaltungsgericht nicht jeden Verlust und nicht jede Verschlechterung von Habitatflächen einer in dem FFH-Gebiet geschützten Anhang II-Art als erhebliche Beeinträchtigung gewertet, sondern auf den günstigen Erhaltungszustand der Art abgestellt hat, ist nicht berechtigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann anders als für den Verlust von LRT-Flächen für den Verlust von Habitatflächen geschützter Arten nicht die Grundannahme zum Tragen kommen, im Regelfall sei jeder Flächenverlust erheblich. Während die Definition eines günstigen Erhaltungszustandes in Art. 1 FFH-RL für den natürlichen Lebensraum u.a. darauf abstellt, ob die Flächen, die er im natürlichen Verbreitungsgebiet einnimmt, mindestens beständig sind (Buchst. e), kommt es für den günstigen Erhaltungszustand einer Art nicht auf die Beständigkeit der Habitatfläche, sondern auf die Beständigkeit der Art an (Buchst. i). Verluste von Habitatflächen führen deshalb nicht ohne Weiteres zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes der geschützten Art. Entscheidendes Beurteilungskriterium ist vielmehr das der Stabilität, das die Fähigkeit umschreibt, nach einer Störung wieder zum ursprünglichen Gleichgewicht zurückzukehren. Ist eine Population dazu in der Lage, sei es, dass sie für ihren dauerhaften Bestand in der bisherigen Qualität und Quantität auf die verlorengehende Fläche nicht angewiesen ist, sei es, dass sie auf andere Flächen ohne Qualitäts- und Quantitätseinbußen ausweichen kann, so bleibt ein günstiger Erhaltungszustand erhalten und ist demgemäß eine erhebliche Beeinträchtigung zu verneinen (vgl. Urteile vom 12. März 2008 – BVerwG 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 132 und vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 43 ff.). Die Kritik des Klägers hieran überzeugt nicht und gibt dem Senat keinen Anlass, diese Frage dem Gerichtshof vorzulegen.
Es ist nach der normativen Struktur des Habitatschutzrechts offenkundig, dass Arten und Lebensraumtypen nicht einem einheitlichen Prüfungsansatz unterliegen. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL spricht zwar von einer Beeinträchtigung des Gebietes als solchem, doch schon Art. 6 Abs. 2 FFH-RL differenziert zwischen der Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Verschlechterung der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind. Soweit der Kläger aus der in Art. 3 Abs. 1 FFH-RL verankerten Verpflichtung zur Gewährleistung eines günstigen Erhaltungszustandes der Habitate der Arten herleitet, dass hierdurch Verschlechterungen der Habitate der Arten „absolut” untersagt seien, verfehlt er die Systematik der Richtlinie, die sowohl bei der Festlegung der Ziele (Art. 2 und 3 Abs. 1 Unterabs. 1 FFH-RL) als auch bei den Prüfungs-, Verfahrens- und Verbotstatbeständen (Art. 6 FFH-RL) die Unterscheidung zwischen dem Schutz der natürlichen Lebensraumtypen und der Habitate der geschützten Arten vornimmt. Zentralbegriff ist derjenige des „günstigen Erhaltungszustandes”, der in Art. 1 Buchst. e) für die natürlichen Lebensräume und in Buchst. i) für die geschützten Arten unterschiedlich definiert wird und daher nicht den Schluss zulässt, für beide wirke sich eine Verschlechterung oder ein Verlust von Habitatflächen in gleicher Weise aus. Auch die vom Kläger zum Beleg für seine These zitierte Entscheidung des Gerichtshofs vom 20. September 2007 – Rs. C-388/05, Italien – Slg. 2007 I-7555, Rn. 6, 12, 22, legt nicht nahe, dass der Gerichtshof jeden Habitatverlust als Beeinträchtigung einer geschützten Art ansieht. Wegen der zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens unstrittigen Beeinträchtigung von geschützten Vogelarten und ihrer Lebensräume bedurfte es einer Äußerung zu der angesprochenen Frage in dieser Entscheidung nicht.
Auch die Rüge des Klägers, das Berufungsurteil leide deshalb an einem Rechtsfehler, weil es für die Beurteilung der Stabilität des günstigen Erhaltungszustandes der Art, den Zustand der Grünen Keiljungfer über die Grenzen des FFH-Gebietes hinaus im gesamten System der sächsischen Fließgewässer betrachtet habe, ist unbegründet. Angesichts der Ausdehnung des FFH-Gebiets „Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg” über (nahezu) das gesamte Elbtal, lässt die Aussage des Oberverwaltungsgerichts, dass die Habitatverluste „elbeweit kompensiert” werden könnten, den von dem Kläger gezogenen Schluss nicht zu; das Oberverwaltungsgericht setzt den eintretenden Habitatverlust außerdem ausdrücklich ins Verhältnis zur „gesamten Habitatfläche im FFH-Gebiet” (Rn. 371).
d) Die Kritik des Klägers an der Prüfung kumulativer Wirkungen durch das Oberverwaltungsgericht ist zum Teil berechtigt.
(1) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Aussage des Oberverwaltungsgerichts (UA Rn. 218), dass bei der Prüfung, ob ein Projekt geeignet sei, ein Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, kumulative Wirkungen nicht berücksichtigt werden müssen, wenn bereits das Projekt für sich genommen die Erheblichkeitsschwelle überschreite. Diese Auffassung steht mit dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL, wonach Projekte, die geeignet sind, ein Schutzgebiet „einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten” erheblich zu beeinträchtigen, einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, und dem Zweck der Regelung offensichtlich in Einklang. Der vom Kläger angeregten Vorlage an den Gerichtshof bedarf es nicht.
Die vom Kläger für seine gegenteilige Ansicht herangezogenen Nachweise tragen seine Interpretation nicht. Zwar ist es unstreitig, dass die Verträglichkeitsprüfung bei der Ermittlung, ob von einem Projekt oder Plan erhebliche Beeinträchtigungen ausgehen, kumulative Wirkungen zu berücksichtigen hat, die sich aus dem Zusammenwirken mit anderen Projekten ergeben (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 29. Januar 2004 – Rs. C-127/02 – Slg. 2004, I-7405 Rn. 96, 111; BVerwG, Urteil vom 14. April 2010 – BVerwG 9 A 5.08 – BVerwGE 136, 291 Rn. 88). Entgegen der Auffassung des Klägers folgt hieraus allerdings nicht, dass kumulative Effekte in die Prüfung auch dann einbezogen werden müssen, wenn die Frage, ob eine Beeinträchtigung vorliegt, bereits aufgrund der von dem Projekt selbst ausgehenden Wirkungen zu bejahen ist. Auch der Europäische Gerichtshof macht die Prüfung kumulativer Wirkungen davon abhängig, dass sie „im vorliegenden Fall geboten” ist (Urteil vom 24. November 2011 – Rs. C-404/09, Alto Sil – Slg. 2011 I-11853 Rn. 103).Teleologische Überlegungen bestätigen die vom Oberverwaltungsgericht vertretene Auffassung. Zweck der kumulativen Betrachtung im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung ist es, zu verhindern, dass aus für sich genommen geringen Auswirkungen durch Zusammenwirkung mit anderen eine erhebliche Auswirkung erwächst (vgl. Ziff. 4.4.3 des Leitfadens Natura 2000-Gebietsmanagement, Die Vorgaben des Artikels 6 der ‚Habitat-Richtlinie’ 92/43/EWG, 2000). Hierdurch soll eine schleichende Beeinträchtigung durch nacheinander genehmigte, jeweils für sich genommen das Gebiet nicht erheblich beeinträchtigende Projekte verhindert werden (Beschluss vom 5. September 2012 – BVerwG 7 B 24.12 – Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 1 Rn. 12). Für die Aktivierung der Verbotsfolge des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL genügt es aber bereits, wenn das Projekt für sich allein genommen die Erheblichkeitsschwelle überschreitet. Der Vorhabenträger kann das Projekt dann nicht ohne Durchführung einer Ausnahmeprüfung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL durchführen. Im Rahmen dieser Prüfung sind bei der Ermittlung des betroffenen Integritätsinteresses und der zu ergreifenden Ausgleichsmaßnahmen etwaige kumulative Effekte zu betrachten.
Als nur missverständlich erweist sich die im Zusammenhang mit der Grünen Keiljungfer gemachte Aussage des Oberverwaltungsgerichts, dass bei absolut geringfügigen Beeinträchtigungen, die weit unterhalb der Schwelle für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung bleiben, kein Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten zu prüfen sei (UA Rn. 376). Für sich betrachtet weckt diese Aussage Zweifel, ob damit nicht genau die Konstellation generell zugelassen wird, die nach dem oben dargestellten Regelungszweck des Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL ausgeschlossen werden soll. Dass das Oberverwaltungsgericht dies nicht gemeint, sondern im konkreten Fall eine schleichende Verschlechterung des Erhaltungszustandes durch zahlreiche für sich genommen jeweils (weit) unterhalb der Erheblichkeitsschwelle liegende Beeinträchtigungen verneint hat, ergibt sich aus der vorangehenden Randnummer des Urteils (Rn. 375), in der das Gericht darlegt, dass es ausdrücklich dem Ansatz des Beklagten folgt, dass „nicht die Gefahr (bestünde), mit anderen Projekten kumulativ in die Nähe der Erheblichkeit zu geraten”. Hieraus lässt sich ein materieller Aussagegehalt ableiten, dass die vom Kläger benannten Vorhaben bereits nach überschlägiger Prüfung nicht geeignet seien, in Zusammenschau mit den Auswirkungen des Planvorhabens selbst zu erheblichen Beeinträchtigungen zu führen. Kumulative Effekte sind damit nicht ignoriert, sondern, wenn auch möglicherweise unzureichend, geprüft worden.
(2) Dagegen trifft die bei der Prüfung von Beeinträchtigungen des LRT 3270 getroffene Aussage des Oberverwaltungsgerichts (Rn. 267), dass die Berücksichtigung kumulativer Effekte bei der Verträglichkeitsprüfung nicht vorgesehen sei, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL ihre Berücksichtigung vielmehr nur bei der Vorprüfung verlange, nicht zu. Zwar ist es richtig, dass das Gemeinschaftsrecht in Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL eine für die Vorprüfung maßgebliche Prüfschwelle normiert (Urteil vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 40). Dies bedeutet angesichts der in Art. 6 Abs. 3 FFH-RL vorgenommenen Verknüpfung von Vorprüfung und eigentlicher Verträglichkeitsprüfung jedoch nicht, dass bei der eigentlichen Verträglichkeitsprüfung die Erheblichkeit kumulativ wirkender Pläne und Projekte ausgeklammert werden könnte (vgl. zur Verknüpfung von Vorprüfung und Verträglichkeitsprüfung, Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 41).
Die Frage ist auch entscheidungserheblich, soweit es um bau- und betriebsbedingte Beeinträchtigungen des LRT 3270 durch den Ausgangsplanfeststellungsbeschluss in der Gestalt des Ergänzungs- und Änderungsbeschlusses vom 14. Oktober 2008 geht. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass der Kläger insoweit umfassend präkludiert sei, dürfte nicht zutreffen. Wie oben dargelegt, spricht vieles dafür, dass durch die umfassende Neubewertung und Aktualisierung der Untersuchungen zur Verträglichkeit des Vorhabens, die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, insgesamt wieder eröffnet worden ist. Hinsichtlich der mit dem Einschwimmvorgang verbundenen Beeinträchtigungen hat das Oberverwaltungsgericht den Kläger hingegen für nicht präkludiert angesehen, aber in der Sache Beeinträchtigungen durch andere Projekte und Pläne verneint (UA Rn. 420). Auch dies ist nicht frei von Fehlern.
Die von dem Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen Stellen in den Änderungsplanfeststellungsbeschlüssen vom 14. Oktober 2008 und vom 17. September 2010 gehen zwar auf Pläne und Projekte innerhalb und außerhalb des FFH-Gebiets ein. Es ist jedoch nicht erkennbar, ob im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung eine Untersuchung aller in Betracht kommenden Pläne und Projekte erfolgt ist. Im Urteil selbst finden sich – wie oben bereits bei der Prüfung der Verfahrensfehler dargestellt – keine Ausführungen zu den untersuchten Plänen und Projekten. Auch die vom Oberverwaltungsgericht in den Beschlüssen zitierten Passagen der Planfeststellungsbeschlüsse lassen nicht erkennen, welche Pläne und Projekte genau untersucht wurden. Eine solche genaue Auseinandersetzung mit den bekannten, z.B. im Managementplan für das Natura 2000-Gebiet aufgeführten Plänen und Projekten war aber erforderlich. Allein der Umstand, dass es sich zum Teil um weit vom Eingriffsort entfernt liegende Vorhaben handelt, entbindet nicht von einer Prüfung. Zwar dürfte bei größerer räumlicher Entfernung die Gefahr kumulativer Einwirkungen auf dieselben Flächen des Gebietes von vornherein gering oder auch auszuschließen sein. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Untersuchung kumulativer Effekte auf die im näheren Umkreis befindlichen Vorhaben zu beschränken. Das ergibt sich aus dem oben dargestellten Ziel der Prüfung, zu verhindern, dass aus für sich genommen geringen Auswirkungen durch Zusammenwirkung mit anderen eine erhebliche Auswirkung auf das FFH-Gebiet erwächst. Bezugspunkt ist dabei das Schutzgebiet in seiner gesamten räumlichen Ausdehnung. Für dieses können kumulative Effekte aber auch dann auftreten, wenn in einiger Entfernung von dem vorgesehenen Eingriffsort ein weiterer Eingriff geplant ist, der den gleichen natürlichen Lebensraumtyp oder die gleiche geschützte Art betrifft. Jeder Eingriff mag für sich genommen die Erheblichkeitsschwelle nicht überschreiten, kann zusammen betrachtet jedoch zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes führen.
4. Abweichungsentscheidung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL Ebenso wie die Ausführungen zur FFH-Prüfung erfolgen auch die Darlegungen zur Abweichungsentscheidung vorsorglich und vorbehaltlich der Klärung der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen. Das angegriffene Urteil weist im Zusammenhang mit der Abweichungsentscheidung ebenfalls erhebliche Rechtsfehler auf.
Das Oberverwaltungsgericht verneint allerdings zutreffend die Notwendigkeit, eine Stellungnahme der Kommission einzuholen, ob andere als die in Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL genannten zwingenden Gründe berücksichtigt werden konnten (a). Bei der Prüfung der zwingenden Gründe ist das Gericht zwar von einem zutreffenden rechtlichen Prüfungsmaßstab ausgegangen, hat diesen aber bei der Prüfung nicht eingehalten; dieser Fehler dürfte allerdings nicht ursächlich für die Entscheidung geworden sein (b). Die Frage, ob uneingeschränkt an der Rechtsprechung festzuhalten ist, dass bei einem Alternativenvergleich im Rahmen einer Abweichungsprüfung nur danach zu unterscheiden ist, ob die beeinträchtigten Lebensraumtypen prioritär oder nicht prioritär sind, bedarf keiner Entscheidung, da das Oberverwaltungsgericht sich tragend auch darauf gestützt hat, dass der experimentelle Charakter der alternativen Bauweise, die größere Inanspruchnahme von geschützten Flächen und erhebliche wasserwirtschaftliche Belange gegen einen Tunnelbau sprechen (c). Zu beanstanden ist allerdings die Berücksichtigung von Kohärenzmaßnahmen bei der Abwägung (d).
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Stellungnahme der Kommission gemäß Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL nicht schon dann einzuholen, wenn in einem FFH-Gebiet ein prioritärer Lebensraumtyp lediglich vorhanden ist; nur wenn sich nach dem Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht ausschließen lässt, dass das Vorhaben gerade einen prioritären Lebensraumtyp oder eine prioritäre Art beeinträchtigt, dürfen andere als die benannten Gründe für eine Abweichung nur geltend gemacht werden, wenn die Kommission zu den Voraussetzungen für eine Abweichung Stellung genommen hat. Die verfahrensrechtliche Einbeziehung der Kommission dient dem besonderen Schutz prioritärer Lebensräume und Arten. Die Kommission soll für den Fall, dass eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung zu dem Ergebnis kommt, das Vorhaben könne ein FFH-Gebiet erheblich beeinträchtigen (Art. 6 Abs. 3 FFH-RL), ihrerseits eine Bewertung der möglicherweise beeinträchtigten ökologischen Werte vornehmen können. Wie bereits die Interpretationshilfe der Kommission „Natura 2000-Gebietsmanagement, Die Vorgaben des Artikels 6 der ‚Habitat-Richtlinie’ 92/43/EWG” aus dem Jahr 2000 hervorhebt, und wie im aktuellen Auslegungsleitfaden zu Art. 6 Abs. 4 der ‚Habitat-Richtlinie’ 92/43/EWG aus dem Jahr 2007 bestätigt wird, soll ein Projekt, welches einen prioritären Lebensraum und/oder eine prioritäre Art in keiner Weise beeinträchtigt, nicht unter das schärfere Regime des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL fallen. Dementsprechend lehnt auch die Generaldirektion Umwelt es ausdrücklich ab, eine Stellungnahme der Kommission zu veranlassen, wenn sich aus den eingereichten Unterlagen zur FFH-Verträglichkeitsuntersuchung ergibt, dass ein prioritärer Lebensraum zwar im FFH-Gebiet vorhanden ist, aber nicht beeinträchtigt wird (s. auch Urteil vom 9. Juli 2009 – BVerwG 4 C 12.07 – BVerwGE 134, 166 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 35, jeweils Rn. 8). Die Ausführungen des Klägers geben keinen Anlass hiervon abzuweichen; ebenso wenig bedarf es der von dem Kläger auch in diesem Zusammenhang angeregten Vorlage an den Gerichtshof. Auch insoweit verweist der Senat auf das Urteil vom 9. Juli 2009 (a.a.O. Rn. 9).
b) Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Prüfung, ob zwingende Gründe des öffentlichen Interesses eine Abweichung rechtfertigen, im rechtlichen Ausgangspunkt die zutreffenden rechtlichen Maßstäbe unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorangestellt (UA Rn. 407 f.). Danach handelt es sich bei dem Art. 6 Abs. 4 FFH-RL immanenten Entscheidungsprozess um eine bipolare, den spezifischen Regelungen des FFH-Rechts folgende Abwägung, die von der fachplanerischen Abwägung zu unterscheiden ist. Sie erfordert eine nachvollziehbare Bewertung des Gewichts der für das Vorhaben streitenden Gemeinwohlbelange auf der Grundlage der Gegebenheiten des Einzelfalles und sodann eine Abwägung mit gegenläufigen Belangen des Habitatschutzes. Sachzwänge, denen niemand ausweichen kann, müssen nicht vorliegen; Art. 6 Abs. 4 FFH-RL setzt lediglich ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln voraus; strengere Anforderungen können allerdings nach Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL bei der Betroffenheit von prioritären Lebensraumtypen oder Arten gelten (Urteile vom 9. Juli 2009 a.a.O. Rn. 13 und vom 12. März 2008 – BVerwG 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 153). Voraussetzung ist zunächst, dass die als Abweichungsgründe bezeichneten Vorhabensziele ihrer Art nach berücksichtigungsfähig und tragfähig sind; anschließend sind die berücksichtigungsfähigen Abweichungsgründe zu gewichten. Die FFH-Richtlinie enthält für die Gewichtung der öffentlichen Interessen, anders als für die Bewertung des Integritätsinteresses, keine differenzierten Vorgaben, lässt dem Mitgliedstaat mithin einen gewissen Spielraum bei Definition und Gewichtung des öffentlichen Interesses. Hierbei ist jedoch der Ausnahmecharakter der Abweichungsentscheidung zu berücksichtigen (Urteil vom 9. Juli 2009 a.a.O. Rn. 14 f.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 – Rs. C-239/04, Castro Verde – Slg. 2006, I-10183 Rn. 35).
Mit diesem vom Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannten Prüfungsmaßstab steht die aus dem Beklagtenvortrag übernommene Formulierung in Rn. 413 des Urteils, die Abwägung müsse lediglich „nachvollziehbar” sein und der Behörde stehe ein weiter Beurteilungsspielraum zu, so dass die genannten Abweichungsgründe grundsätzlich nicht zu überprüfen seien, nicht ohne Weiteres im Einklang. Darauf dürfte es jedoch im Ergebnis nicht ankommen. Denn in der Gesamtschau spricht vieles dafür, dass das Oberverwaltungsgericht seine inhaltliche Prüfung nicht auf eine Plausibilitätskontrolle anhand eines weiten Beurteilungsspielraums reduziert, sondern anhand zutreffender rechtlicher Maßstäbe den Sachverhalt geprüft und sich eine eigene Überzeugung vom Überwiegen der zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses gebildet hat, wie sich insbesondere in den entsprechenden Ergebnissätzen widerspiegelt (Rn. 397, 400, 409, 411). Dass das Gericht hierbei von „nachvollziehbaren” Darlegungen in der Abweichungsprüfung spricht, ist für sich genommen unschädlich. Wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, kann dieser Begriff auch im Sinne eines gedanklichen Nachvollzugs einer gegebenen Begründung verstanden werden. Die im Urteil in Bezug genommenen Ausführungen zu den zwingenden Gründen im Ergänzungs- und Änderungsbeschluss vom 14. Oktober 2008 und im Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom 17. September 2010 enthalten auch hinreichend konkrete Aussagen, die eine Gewichtung der zwingenden Gründe erlauben (zur Zulässigkeit einer Entnahme von Tatsachen aus Akten im Revisionsverfahren, Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO § 137 Rn. 137 f.). Gegebenenfalls dürfte das Revisionsgericht die betreffenden Tatsachen auch selbst würdigen (vgl. Eichberger/Buchheister a.a.O., § 137 Rn. 144 m.w.N.). Dass verkehrliche Gründe, wie die Entlastung von Innenstadtbereichen vom Durchgangsverkehr und die Entlastung vorhandener Brücken Gründe des öffentlichen Interesses darstellen und den Bau eines Straßenzuges als vernünftig erscheinen lassen können, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (Urteil vom 6. November 2013 – BVerwG 9 A 14.12 – juris Rn. 72). Weitergehende Anforderungen sind dabei nicht zu stellen, da es nicht um eine Ausnahme vom Schutzregime eines prioritären Lebensraums geht und daher nicht die hierfür aufgestellten strengen Anforderungen für zwingende Gründe gelten (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 160). Angesichts der Entfernung der Waldschlößchenbrücke von den nächsten vorhandenen Brücken von 1,8 und 2,9 km leuchtet es ohne Weiteres ein, dass die neue innerstädtische Elbquerung die bisherige Verbindungsqualität zwischen der links- und rechtselbischen Seite der Stadt verbessert und zu einer Entlastung der anderen Hauptverkehrsadern und Brücken führt. Die einzelnen besser miteinander verbundenen Wohn- und Gewerbestandorte werden im Ergänzungs- und Änderungsbeschluss vom 14. Oktober 2008 aufgezählt. Ebenso überzeugend ist das Argument, dass der Öffentliche Personennahverkehr durch die zusätzliche Verknüpfung der beiden Teile des Verkehrsnetzes Erleichterungen erfahren wird. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob auch Verbesserungen bei den verkehrsbedingten Auswirkungen auf die Menschen, bei der Gefahrenabwehr und dem Katastrophenschutz stichhaltig begründete zwingende Gründe darstellen. Dem Kläger ist insoweit zuzugeben, dass die Ausführungen in den Planfeststellungsbeschlüssen hierzu knapp (Verbesserung der Lärm- und Abgassituation) oder wenig substantiiert (Gefahrenabwehr/Katastrophenschutz) sind.
c) Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Alternativenprüfung ausdrücklich von den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Grundsätzen ausgegangen, wonach in der Abweichungsprüfung dann, wenn sowohl die planfestgestellte als auch eine Planungsalternative FFH-Gebiete berühren, im Rahmen einer Grobanalyse allein auf die Schwere der Beeinträchtigung nach Maßgabe der Differenzierungsmerkmale des Art. 6 FFH-RL abzustellen ist, also nur zu untersuchen ist, ob die betroffenen Lebensraumtypen prioritär oder nicht prioritär sind. Demgegenüber haben die bei der Gebietsmeldung zu beachtenden Feindifferenzierungskriterien (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 FFH-RL i.V.m. Anhang III Phase 1) beim Trassenvergleich außer Betracht zu bleiben; innerhalb der genannten Gruppen ist also nicht nochmals nach der Wertigkeit und der Anzahl der betroffenen Lebensraumtypen oder Arten sowie der jeweiligen Beeinträchtigungsintensität zu differenzieren (Urteile vom 13. Dezember 2007 – BVerwG 4 C 9.06 – BVerwGE 130, 83 Rn. 67, vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 143, vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 170 f. und vom 6. November 2013 a.a.O. Rn. 74 f.). Nach Auffassung des Klägers ist diese Rechtsprechung mit Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL nicht vereinbar. Auf die Unterscheidung der Betroffenheit von prioritären und nichtprioritären Lebensraumtypen und Arten komme es nicht allein an, da sonst – innerhalb einer dieser Vergleichsgruppen – auch deutlich weniger beeinträchtigende Varianten aus der Alternativenprüfung auszuscheiden seien, auch wenn der Unterschied des Beeinträchtigungsgrades extrem sei. Unterhalb der Unterscheidungsstufe prioritärer und nichtprioritärer Schutzgüter müsse daher weiter unter Berücksichtigung des jeweiligen Ausmaßes der Beeinträchtigungen differenziert werden.
Gegen eine solche weitere Differenzierung spricht, dass nach dem Schutzkonzept der FFH-Richtlinie innerhalb der genannten Grenzen nicht nochmals nach der Wertigkeit und der Anzahl der betroffenen Lebensraumtypen oder Arten sowie der jeweiligen Beeinträchtigungsintensität (oberhalb der Erheblichkeitsschwelle) zu unterscheiden ist und es daher an normativen Kriterien für eine Differenzierung insbesondere nach der Wertigkeit eines Lebensraumtyps oder Habitats fehlt (vgl. Urteil vom 12. März 2008 a.a.O.). Allenfalls könnte zu überlegen sein, ob eine weitere Untergliederung dann geboten ist, wenn es – wie vorliegend – um Ausführungsalternativen an ein und demselben Standort geht. In diesen Fällen stellt sich nicht die Schwierigkeit eines wertenden Vergleichs der Betroffenheiten verschiedener jeweils für sich genommen FFH-rechtlich gleich schutzwürdiger Lebensraumtypen und Arten, sondern der Vergleich kann sich auf die unterschiedlichen flächenmäßigen Betroffenheiten derselben Lebensraumtypen und Arten an einem Standort beschränken. Ergibt sich bei einem solchen Vergleich, dass z.B. ein bestimmter Lebensraumtyp bei einer Variante flächenmäßig deutlich weniger in Anspruch genommen wird als bei einer anderen, ist nicht ohne Weiteres einsehbar, warum dies bei der Bewertung der Varianten vollkommen unberücksichtigt bleiben soll.
Der Senat muss diese Frage allerdings nicht vertiefen und nicht über die zu diesem Punkt vom Kläger angeregte Vorlage an den Gerichtshof entscheiden, denn das Oberverwaltungsgerichts hat die hier als Ausführungsvariante in Betracht kommende Tunnelvariante in offener Bauweise selbständig tragend auch deshalb als nicht vorzugswürdig angesehen, weil sie eher experimentellen Charakter habe und zudem erheblichen wasserwirtschaftlichen Bedenken begegne; auch sei sie hinsichtlich der Leichtigkeit und Sicherheit des Wasserstraßenverkehrs nachteilig. Soweit der Kläger die Tatsachenfeststellung und -würdigung des Oberverwaltungsgerichts mit der Rüge angreift, das Vorbringen des Sachverständigen Prof. Sch. sei vom Oberverwaltungsgericht nur partiell zur Kenntnis genommen worden, hat er – wie oben dargelegt – keinen Erfolg.
d) Als fehlerhaft erweist sich allerdings die Behandlung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen bei der Bewertung des Integritätsinteresses. Bei der Abwägung, ob das Integritätsinteresse gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens zurückzutreten hat, hat das Oberverwaltungsgericht die festgesetzten Kohärenzsicherungsmaßnahmen als das Integritätsinteresse mindernd berücksichtigt (Rn. 421), ohne insoweit darzutun, dass die in der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen durch die planfestgestellten Kohärenzsicherungsmaßnahmen erfüllt sind.
Für seine Annahme, dass Kohärenzsicherungsmaßnahmen bei der Gewichtung des Integritätsinteresses zu berücksichtigen sind, kann sich das Oberverwaltungsgericht allerdings im Grundsatz auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stützen. So hat der 4. Senat in seinem Urteil vom 9. Juli 2009 – BVerwG 4 C 12.07 – BVerwGE 134, 166 Rn. 28 ausgeführt, dass Kohärenzsicherungsmaßnahmen das Gewicht des Integritätsinteresses mindern können, sofern sie einen Beitrag auch zur Erhaltung der Integrität des FFH-Gebiets leisten. Kohärenzsicherungsmaßnahmen können eine erhebliche Beeinträchtigung zwar nicht ausschließen. Insoweit unterscheiden sie sich von Vermeidungsmaßnahmen, die bei der Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL relevant sind und für die der volle Nachweis ihrer Wirksamkeit erbracht sein muss. An Kohärenzsicherungsmaßnahmen sind dagegen weniger strenge Anforderungen zu stellen. Für die Eignung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme genügt es, dass nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Wirksamkeit besteht (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 202). Gleichwohl muss sich die Wirkung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen nicht darin erschöpfen, durch Ausgleich etwa an anderer Stelle einen funktionalen Beitrag zur Sicherung der Kohärenz von Natura 2000 zu leisten. Sie können im Einzelfall auch zur Minderung der Beeinträchtigung beitragen. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die Beeinträchtigung eingriffs- und zeitnah und mit hoher Erfolgsaussicht ausgeglichen werden kann (Urteil vom 9. Juli 2009 a.a.O).
Der erkennende Senat hat sich dieser Auffassung bisher nicht ausdrücklich angeschlossen. Auch im vorliegenden Verfahren kann er offenlassen, ob und gegebenenfalls unter welchen weiteren zusätzlichen Anforderungen er der Rechtsprechung folgen könnte. Zu denken wäre daran, die Berücksichtigungsfähigkeit von Kohärenzsicherungsmaßnahmen noch stärker zu konkretisieren. So könnte es geboten sein, an die Erfolgswahrscheinlichkeit „qualifizierter” Kohärenzsicherungsmaßnahmen dieselben strengen Überprüfungsmaßstäbe anzulegen, wie sie für Schadensvermeidungsmaßnahmen gelten. Des Weiteren spricht vieles dafür, dass eine Doppelanrechnung einer Maßnahme als das Integritätsinteresse vermindernde und als eigentliche Kohärenzsicherungsmaßnahme vermieden werden muss, was durch entsprechende Kennzeichnungen der unterschiedlichen Qualität der Kohärenzsicherungsmaßnahmen zu belegen wäre. Diese Fragen bedürfen allerdings keiner abschließenden Klärung – aus dem gleichem Grund muss auch nicht über die vom Kläger angeregte Vorlage dieser Frage an den Gerichtshof entschieden werden –, da es entgegen der Annahme im Urteil des Oberverwaltungsgerichts in dem Ergänzungs- und Änderungsbeschluss vom 14. Oktober 2008 und dem Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom 17. September 2010 an ausreichenden, alle betroffenen Lebensraumtypen erfassenden detaillierten Darlegungen fehlt, dass durch zeit- und eingriffsnahe Maßnahmen das Integritätsinteresse des Gebietes mit der erforderlichen hohen Erfolgswahrscheinlichkeit geschützt wird. So wird zwar hinsichtlich des LRT 6510 im Ergänzungs- und Änderungsbeschluss vom 14. Oktober 2008 den Kohärenzsicherungsmaßnahmen eine „hohe Wahrscheinlichkeit” der Wirksamkeit bestätigt; auch dürfte ein Teil der vorgesehenen Maßnahmen eingriffsnah vorgesehen sein. Für den LRT 3270 fehlt es aber an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen durch das Oberverwaltungsgericht. Es ist weder erkennbar, dass die von ihm erwähnten Maßnahmenflächen K 5 und K 6 eingriffsnah liegen, noch, dass die Maßnahmen – Neuanlage des Lebensraumtyps – zeitnah umgesetzt werden können und ihrem Umfang nach ausreichend sind, um das Gewicht der Beeinträchtigung des Integritätsinteresses zu vermindern.
5. Artenschutzrecht
Die artenschutzrechtliche Behandlung der betroffenen Tierarten im angegriffenen Urteil ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
Das Oberverwaltungsgericht hat für die Larven der Grünen Keiljungfer und des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings die Erfüllung des Tötungstatbestandes des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2010 (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002) unter Rückgriff auf § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2010 zu Unrecht für unerheblich erklärt. Dieser Fehler hat sich aber nicht ausgewirkt; als entscheidungserheblicher Fehler erweist sich jedoch die Verneinung des Tötungstatbestandes hinsichtlich der Eier der Grünen Keiljungfer (a). Das Urteil erweist sich auch nicht als frei von Rechtsfehlern, soweit das Oberverwaltungsgericht eine Verwirklichung des Störungstatbestandes (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2010) in Bezug auf die Feldlerche verneint hat (b). In Übereinstimmung mit Bundesrecht stehen die Ausführungen des Berufungsurteils, dass der Tatbestand des Störungsverbots (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2010) nur erfüllt ist, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert (c). Gleiches gilt für die Ausführungen zur Funktionalitätswahrung (§ 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2010) im Zusammenhang mit dem Zerstörungsverbot gem. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2010 (d). Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Urteil die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten des § 15 BNatSchG 2010 auch hinsichtlich des Larvalhabitats der Grünen Keiljungfer festgestellt hat (e).
a) Zur Verneinung des Tötungstatbestandes konnte nicht auf § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2010 zurückgegriffen werden, auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sein mögen. Denn die in § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2010 enthaltene Begrenzung des Tötungsverbots findet keine Entsprechung in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a FFH-RL (Urteil vom 14. Juli 2011 – BVerwG 9 A 12.10 – BVerwGE 140, 149 = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13, jeweils Rn. 119). Ein Verstoß gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot hat das Oberverwaltungsgericht gleichwohl zu Recht verneint, weil die im Planfeststellungsbeschluss festgesetzten Schadensvermeidungsmaßnahmen das Tötungsrisiko durch baubedingte Maßnahmen für die betreffenden Arten auf das Risiko senken, denen sie im allgemeinen Naturgeschehen stets ausgesetzt sind.
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das Tötungsverbot nicht erfüllt ist, wenn die betriebsbedingte Gefahr von Kollisionen im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der vorgesehenen Schadensvermeidungsmaßnahmen innerhalb des Risikobereichs verbleibt, der mit einem Verkehrsweg im Naturraum immer verbunden ist, vergleichbar dem Risiko, dem einzelne Exemplare der jeweiligen Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens stets ausgesetzt sind (Urteile vom 9. Juli 2008 – BVerwG 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 Rn. 91 und vom 27. Juni 2013 – BVerwG 4 C 1.12 – BVerwGE 147, 118 Rn. 11; ähnlich EuGH, Urteil vom 20. Mai 2010 – Rs. C-308/08 – Slg. 2010, I-4281 Rn. 57 f.). Eine vergleichbare Bagatellgrenze gilt auch bei Maßnahmen zur Errichtung des Vorhabens. Wird das baubedingte Tötungsrisiko durch Vermeidungsmaßnahmen bereits bis zur Schwelle des allgemeinen Lebensrisikos, dem die Individuen der jeweiligen Art ohnehin unterliegen, gesenkt, kann nach dem Maßstab praktischer Vernunft keine weitergehende artenschutzrechtliche Verantwortlichkeit bestehen (vgl. Urteile vom 8. Januar 2014 – BVerwG 9 A 4.13 – juris Rn. 99 ≪zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen≫ und vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 57 f. zur Bestandsaufnahme). Danach ist das Tötungsverbot hier nicht erfüllt.
Hinsichtlich des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass sich die Falter im Baustellenbereich nicht aufhalten werden, weil die Wirtspflanze Großer Wiesenknopf durch die beauflagte Vorsorgemahd keine Blüten ausbildet (Berufungsurteil Rn. 567). In Bezug auf die Grüne Keiljungfer führen die im Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom 17. September 2010 festgesetzten Schadensvermeidungsmaßnahmen nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, für das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (a.a.O. Rn. 585 ff.) dazu, dass durch das Aufrauhen des Sediments die im Eingriffsbereich vorkommenden Larven durch Verwirbelungen abdriften bzw. aus dem Baggermaterial herausgespült werden. Der Änderungs-planfeststellungsbeschluss erläutert das damit verbundene Risiko für die Larven dahin, dass bereits der von Booten (insbesondere Freizeitbooten) verursachte Wellenschlag ein bedeutsameres Risiko darstelle. Angesichts dessen ist mit den Ausbaggerungsarbeiten kein höheres Tötungsrisiko verbunden, als es für einzelne Tiere dieser Art auch sonst besteht (vgl. Urteile vom 8. Januar 2014 a.a.O. und vom 14. Juli 2011 a.a.O. Rn. 123, 127 ≪insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 140, 149≫).
Entsprechende Feststellungen für die ebenfalls geschützten und im Sediment überwinternden Eier der Grünen Keiljungfer lassen sich dagegen auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht treffen. Darauf, dass das Ausbaggern von Sediment und dessen Ablagerung nicht zum allgemeinen Lebensrisiko der Eier zählt und auch nicht mit dem sonstigen Naturgeschehen vergleichbar ist, weist der Kläger zutreffend hin. Da die vom Oberverwaltungsgericht zu den Beeinträchtigungen der Eier der Grünen Keiljungfer getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht reichen, um die Voraussetzungen einer objektiven Ausnahmelage zu prüfen, kann die Rechtmäßigkeit auch nicht auf diese Weise festgestellt werden.
b) Hinsichtlich der Feldlerche fehlt es an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen für die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Störungstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2010 sei zu verneinen, weil den von den Lärmauswirkungen des geplanten Vorhabens betroffenen Vögeln dieser Art eine Verschiebung des Reviermittelpunktes ohne Weiteres möglich sei. Aus den Urteilsgründen wird schon nicht deutlich, wie viele Reviere in welchem Abstand und in welchem Umfang durch den Lärm des neuen Straßenzuges beeinträchtigt werden. Ebenso wenig finden sich Angaben darüber, ob der Naturraum in der unmittelbaren Umgebung genügend geeignete Flächen für eine Revierverschiebung bietet. Auch ist eine Revierverschiebung ohne Weiteres nur möglich, wenn die angrenzende Umgebung nicht schon von Feldlerchen besetzt ist.
c) In Übereinstimmung mit Bundesrecht geht das Oberverwaltungsgericht dagegen davon aus, dass der Tatbestand des Störungsverbots (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2010) nur erfüllt ist, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert (stRspr; vgl. zuletzt Urteile vom 28. März 2013 – BVerwG 9 A 22.11 – BVerwGE 146, 145 Rn. 118 und vom 12. März 2008 – BVerwG 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 258). Die in § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2010 zum Ausdruck kommende populationsbezogene Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle steht mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. b FFH-RL und Art. 5 Buchst. d) VRL im Einklang, die beide einen art- bzw. populationsbezogenen Schutzansatz verfolgen (vgl. Urteile vom 21. Juni 2006 – BVerwG 9 A 28.05 – BVerwGE 126, 166 Rn. 44, vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 237 und vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 104). Die Kritik des Klägers an dieser im Übrigen von der Kommission geteilten Auffassung (vgl. Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichen Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG von Februar 2007, Kap. II 3.2.a Rn. 39, S. 42) überzeugt nicht. Der Populationsbezug ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut der Richtlinienvorschriften selbst. Soweit sich der Kläger unter Bezugnahme auf Art. 15 FFH-RL gegen dieses Wortlautargument wendet, kann er es nicht entkräften. Zwar stellt Art. 15 FFH-RL „in Bezug auf den Fang oder das Töten der in Anhang V Buchst. a) genannten wildlebenden Tierarten” entgegen dem Wortlaut ebenfalls auf Individuen ab. Doch ist der Individuenbezug hier offensichtlich durch die Verweisung in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a FFH-RL auf „Exemplare dieser Arten” gegeben. Im Übrigen gilt für Art. 12 Abs. 1 FFH-RL und Art. 5 VRL hingegen die im Wortlaut der unterschiedlichen Tatbestände zum Ausdruck kommende Differenzierung zwischen Verbotstatbeständen, die einen Populationsbezug aufweisen, und solchen, die strikt individuenbezogen sind. Der Vorlage an den Gerichtshof bedarf es angesichts der Eindeutigkeit des Befundes nicht.
Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht den Begriff der lokalen Population unzutreffend ausgelegt. Soweit es eine erhebliche Beeinträchtigung der Population der Grünen Keiljungfer deshalb verneint, weil die Beeinträchtigung auf einem verhältnismäßig kurzen Stück des Ufers „elbeweit kompensiert werden kann” hat es nicht das gesamte 120 km lange FFH-Gebiet als das Gebiet der lokalen Population angesehen, sondern erkennbar nur zum Ausdruck bringen wollen, dass die Grüne Keiljungfer ohne Weiteres in angrenzende Habitate ausweichen kann und dort – wie an der gesamten Elbe – gute Bedingungen vorfindet, so dass die lokale Population im Sinne der im unmittelbaren Umfeld des Brückenbauwerks befindlichen Population keine Verschlechterung ihres Zustandes erfährt.
d) Das gilt auch für die Frage, ob § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2010 – soweit er sich auf den Zerstörungstatbestand (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2010) bezieht – mit Unionsrecht vereinbar ist. Der Senat hat sich mit der vom Kläger im vorliegenden Verfahren vorgebrachten Kritik an seiner Rechtsprechung bereits in dem Urteil vom 14. Juli 2011 – BVerwG 9 A 12.10 – (BVerwGE 140, 149 Rn. 140, vgl. auch schon Urteil vom 18. März 2009 – BVerwG 9 A 39.07 – BVerwGE 133, 239 Rn. 69 f.) auseinandergesetzt. Der Senat hat dort ausgeführt, dass bei einer den Sinn und Zweck der FFH-Richtlinie beachtenden, von der Europäischen Kommission ausdrücklich empfohlenen Auslegung die Gesamtheit mehrerer im Dienst einer Funktion stehenden Plätze, sofern diese im räumlichen Zusammenhang einen Verbund bilden, die durch Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL geschützte Lebensstätte darstellt. Dieses Verständnis ist dem Umstand geschuldet, dass es sich bei der Abgrenzung der Lebensstätte im konkreten Fall um eine in erster Linie naturschutzfachliche Frage handelt, die je nach den Verhaltensweisen der verschiedenen Arten unterschiedlich beantwortet werden kann. Der Vortrag des Klägers gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Zwar trifft es zu, dass § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2010 einen engeren Lebensstättenbegriff zugrunde legt, der nicht den Verbund, sondern dessen einzelne Bestandteile als Fortpflanzungs- oder Ruhestätte begreift. Durch die tatbestandliche Ergänzung in § 44 Abs. 5 Satz 2 und 3 BNatSchG 2010, der auf den Erhalt der Funktion abstellt, wird aber für „Verbundfälle” die Kongruenz mit der unionsrechtlichen Regelung hergestellt. Das reicht aus. Unionsrechtliche Richtlinien lassen dem nationalen Gesetzgeber Spielräume für die Umsetzung; diese sind gewahrt, wenn – wie in den „Verbundfällen” – der unionsrechtlich verbürgte Schutzstandard durch die mitgliedstaatliche Regelung gesichert wird.
e) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten des § 15 BNatSchG 2010 auch hinsichtlich des Larvalhabitats der Grünen Keiljungfer festgestellt. Zwar ist richtig, dass der Senat in seinem Urteil vom 14. Juli 2011 (a.a.O. Rn. 117) entschieden hat, dass die privilegierenden Regelungen des § 44 Abs. 5 Satz 2 und 3 BNatSchG 2010 nur auf nach § 15 BNatSchG 2010 zulässige Eingriffe in Natur- und Landschaft anwendbar sind. Als Eingriff in diesem Sinne ist nicht die konkrete Beeinträchtigung, sondern nach dem eindeutigen, zwischen Eingriff und Beeinträchtigung unterscheidenden Wortlaut der Legaldefinition des § 14 Abs. 1 BNatSchG 2010 die Veränderung der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen als Ganzes zu verstehen. Im Fall eines auf Grundflächen zugreifenden Planvorhabens ist danach dieses Vorhaben selbst und nicht jede seiner einzelnen Einwirkungen auf den Naturhaushalt als Eingriff zu qualifizieren. Das hat zur Konsequenz, dass Gegenstand der Zulässigkeitsbeurteilung das Vorhaben und nicht die einzelne Beeinträchtigung ist. Führt das Vorhaben in bestimmter Hinsicht zu Beeinträchtigungen, die den Vorgaben der Eingriffsregelung widersprechen, so ist der Eingriff unzulässig mit der Folge, dass auch anderen von ihm ausgehenden Beeinträchtigungen die Privilegierung des § 44 Abs. 5 Satz 2 und 3 BNatSchG 2010 verwehrt bleibt. Dies gilt jedoch nicht, wenn weder im habitatrechtlichen noch im artenschutzrechtlichen Sinn – und sei es unter Inanspruchnahme des § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2010 – für eine Art eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt. Sind die Voraussetzungen des § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2010 erfüllt, fehlt es schon tatbestandlich an einem Verbotstatbestand und damit auch insoweit an einem Eingriff, der Anknüpfungspunkt für etwaige Verpflichtungen nach § 15 BNatSchG 2010 ist.
Unterschriften
Dr. Bier, Buchberger, Dr. Christ, Prof. Dr. Korbmacher, Dr. Bick
Fundstellen
NuR 2014, 633 |
UPR 2014, 387 |
SächsVBl. 2014, 262 |