Verfahrensgang
VG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 6 K 829/95) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. November 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 63 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die zur Eröffnung der Revision geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen ebensowenig wie die behaupteten Abweichungen von obergerichtlichen Entscheidungen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor.
1. Die Beschwerde sieht den Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dadurch verletzt, daß das Verwaltungsgericht das Zustandekommen der Wertermittlung des Sachverständigen Spittel (1976) nicht weiter aufgeklärt hat. Diese Rüge greift indes nicht durch.
Das Gericht entscheidet gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gebot der freien Beweiswürdigung verpflichtet u.a. dazu, bei Bildung der Überzeugung von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt auszugehen (BVerwGE 85, 155, 158). Das Tatsachengericht darf deshalb insbesondere nicht wesentliche Umstände übergehen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In einem solchen Falle fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung darauf, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist (BVerwGE 96, 200, 208 f.).
Ein derartiger Verstoß ist der Vorinstanz im Sinne der Beschwerde nicht unterlaufen. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, daß es auf eine Überprüfung des fraglichen Gutachtens nicht ankomme, weil dieses weder für die Ermittlung des Kaufpreises Bedeutung gehabt habe noch eine Unredlichkeit der Beigeladenen zu 1 und 2 belegen könne (UA S. 14). Demgemäß konnte das Verwaltungsgericht auf die von der Beschwerde vermißte Aufklärung des Sachverhaltes verzichten, weil es bei der gezielten Einflußnahme auf den konkreten Erwerbsvorgang (hier im Jahre 1980) und nicht auf davorliegende Ereignisse ankommt.
2. Die Beschwerde sieht sodann den Überzeugungsgrundsatz dadurch verletzt, daß das Verwaltungsgericht den Instandhaltungsmaßnahmen der Gemeinde keine weitere Bedeutung beigemessen habe. Diesen Umständen brauchte jedoch das Gericht aus der dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden materiellrechtlichen Sicht nicht weiter nachzugehen. Für die Vorinstanz war maßgebend, daß die Beigeladenen zu 1 und 2 in dem volkseigenen Eigenheim gewohnt hatten, welches sie gekauft haben. Daß die Beigeladenen zu 1 und 2 umfangreiche Eigenleistungen erbracht hätten, hat das Gericht nicht festgestellt, sondern diesen Gesichtspunkt nur als denkbares Motiv für das Vorliegen einer allgemeinen Verwaltungspraxis in der ehemaligen DDR angeführt, der hier entsprochen sei.
Die Beschwerde wendet zwar in diesem Zusammenhang zutreffend ein, daß der Beigeladene zu 2 bei Abschluß des Kaufvertrages nicht mehr als Tischler tätig war, wie das Verwaltungsgericht aber angenommen hat. Jedoch darauf kam es der Vorinstanz nicht entscheidend an.
3. Den Überzeugungsgrundsatz hält die Beschwerde ferner deshalb für verletzt, weil das Verwaltungsgericht Behauptungen der Klägerin über falsche Angaben des Bürgermeisters der Ortsgemeinde nicht weiter nachgegangen sei. Die Rüge überzeugt jedoch nicht. Soweit sich die Beschwerde auf Vorgänge im Zusammenhang mit der Begutachtung im Jahre 1976 bezieht, kam es hierauf ebenfalls nicht an. Soweit daraus Schlußfolgerungen für den Erwerbsvorgang gezogen werden sollen, sind die Vorhalte spekulativ; sie belegen keine entscheidungsrelevanten Tatsachen, sondern zielen auf die Gewinnung beweiserheblicher Tatsachen ab. Es bestand, zumal Voraussetzungen für den Kauf vorlagen, kein Anhalt, solchen Beweisermittlungsanregungen nachzugehen.
4. Die Aufklärungsrüge zu der Frage, ob und wann die Enteignung erfolgt war, überzeugt ebensowenig wie die damit in Verbindung gebrachte Behauptung, der Überzeugungsgrundsatz sei verletzt.
Das Verwaltungsgericht hat das vorhandene Aktenmaterial ausgewertet und umfangreich gewürdigt (UA S. 10 ff.). Die Angriffe der Beschwerde erweisen sich in der Sache als Angriff auf die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Beweiswürdigung; mit solchen Einwänden läßt sich jedoch eine Verletzung von § 108 Abs. 1 VwGO nicht dartun. Das Verwaltungsgericht hat sich auch bemüht, die von der Beschwerde vermißten Unterlagen von der Beigeladenen zu 3 zu erlangen. Die Vorinstanz hatte jedoch keine Veranlassung anzunehmen, daß bei der Beigeladenen zu 3 außer den übersandten Schriftstücken noch weitere Akten über die Hausverwaltung vorhanden seien und daß die Beigeladene zu 3 diese entgegen ihrer Verpflichtung aus § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO zurückhalte.
5. Ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz liegt schließlich nicht deswegen vor, weil das Verwaltungsgericht die grundbuchrechtliche Situation anders als die Klägerin bewertet hat. Entgegen der Beschwerde ist das Verwaltungsgericht nicht davon ausgegangen, daß das Grundbuch vom Rat des Kreises, Abteilung Kataster, geführt worden sei. Im angefochtenen Urteil heißt es dazu: „Denn die entsprechende Eintragung des Volkseigentums in diesem Jahr ist durch eine auszugsweise Abschrift des Grundbuchheftes – gefertigt von der Abteilung Innere Angelegenheiten (Kataster) des Rates des Kreises – und durch eine vom Kreisarchiv gefertigte Kopie des Grundbuchheftes hinreichend belegt” (UA S. 11). Die Beschwerde erschöpft sich letzthin auch hier darin, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts anzugreifen, ohne einen erheblichen Mangel im Tatsachenbereich aufzudecken.
6. Die behauptete Divergenz zum Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. September 1997 – BVerwG 7 B 152.97 – liegt nicht vor. Entgegen der Beschwerde enthält diese Entscheidung keinen abstrakten Rechtssatz des Inhalts, daß Kontakte eines Grundstückssuchenden mit dem Stadtbaudirektor und dem Leiter der Abteilung Wohnungspolitik/Wohnungswirtschaft vor Abschluß des Kaufvertrages auf einen Rechtsverstoß bei der Vergabe hindeute, sondern insoweit nur Ausführungen in tatsächlicher Hinsicht.
7. Das angefochtene Urteil weicht auch nicht von der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab; denn die der Vorinstanz unterstellte Rechtsansicht, § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, kann dem Urteil nicht entnommen werden. Der in diesem Zusammenhang für verletzt angesehene Überzeugungsgrundsatz ist gewahrt. Die Beschwerde bemängelt den Sprachgebrauch des Verwaltungsgerichts, weil im Urteil die Rede vom „Hinzuerwerb” ist. Die Vorinstanz hat damit jedoch nicht die Eigentumserlangung zum Ausdruck gebracht, sondern den sogenannten Komplettierungskauf nach § 4 der Durchführungsverordnung zum Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 15. März 1990 umschrieben (UA S. 18).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Postier
Fundstellen