Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 14.10.2003; Aktenzeichen 2 A 2796/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen haben die Klägerin zu 1 zu drei Fünftel und die Kläger zu 2 bis 5 je zu einem Zehntel zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 200 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die Rüge, die angefochtene Entscheidung weiche von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 1974 – BVerwG 4 C 42.73 – (Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 6) und vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 – (BVerwGE 56, 110) sowie von dem Beschluss vom 20. Februar 2002 – BVerwG 9 B 63.01 – (NVwZ 2002, 1235) ab, ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712). Der Tatbestand der Divergenz muss in der Beschwerdebegründung nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Gerichts, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze bezeichnet werden. Hieran lässt es die Beschwerde fehlen.
Nach Ansicht der Beschwerde stellt der Verwaltungsgerichtshof den Rechtssatz auf, dass eine nachträgliche Genehmigung, die sich nur auf den Teilausbau neuer Anlagen beziehe, Regelungen zu bestehenden Altanlagen dagegen nicht treffe, mit einer vollumfänglichen luftverkehrsrechtlichen Genehmigung der Gesamtanlage gleichzusetzen sei. Die Vorinstanz vertrete also die Ansicht, dass sich eine auf Teilanlagen (40 %) beziehende Betriebsgenehmigung eine vollumfängliche Genehmigung der Gesamtanlage darstelle (100 %). Das angegriffene Urteil enthalte ferner den Rechtssatz, dass eine die Duldungswirkung auslösende Planfeststellung (die hier größenmäßig bei 40 % der Gesamtanlage liege) für die Gesamtanlage gegeben sei, auch wenn nur ein Teilausbau planfestgestellt worden sei.
Derartige Rechtssätze enthält das angegriffene Urteil weder ausdrücklich noch sinngemäß. Sie lassen sich insbesondere nicht aus der Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs ableiten, der gegenwärtige Betrieb des Flughafens Frankfurt am Main sei “in vollem Umfang luftverkehrsrechtlich genehmigt und durch die der (Ausbau-) Genehmigung nachfolgende Planfeststellung von 1971 gedeckt”. Diese Feststellung gibt ein Auslegungsergebnis wieder. Sie fasst den tatrichterlich ermittelten Erklärungsinhalt der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung vom 23. August 1966 und des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 betreffend den Flughafen Frankfurt am Main zusammen und bezeichnet den nach Ansicht der Vorinstanz für den Streitfall allein maßgeblichen rechtlichen Regelungsgehalt dieser beiden Verwaltungsakte. Ein nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB gewonnenes Auslegungsergebnis hat nicht den Charakter eines abstrakten Rechtssatzes. Das Auslegungsergebnis der Vorinstanz wird auch nicht dadurch zum Rechtssatz, dass die Beschwerde es in die Form von Rechtssätzen kleidet. Der Sache nach rügt die Beschwerde das Ergebnis der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung. Das kann einer Divergenzrüge schon im Ansatz nicht zum Erfolg verhelfen. Das Beschwerdevorbringen gibt daher keinen Anlass, auf den Inhalt der von der Beschwerde angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts näher einzugehen, von denen der Verwaltungsgerichtshof abgewichen sein soll. Aus den vorgenannten Gründen ist auch die Rüge, das angefochtene Urteil weiche vom Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2002 (a.a.O.) ab, unzulässig. Die Rüge lässt auch nicht ansatzweise erkennen, worin der Widerspruch im abstrakten Rechtssatz liegen soll.
Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Festlegung der luftseitigen technischen Kapazität des Flughafens Frankfurt am Main durch die (Ausbau-)Genehmigung vom 23. August 1966 und den Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 lassen die gerügte Divergenz zu den vorgenannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 1974 (a.a.O.) und vom 7. Juli 1978 (a.a.O.) sowie von dem Urteil vom 15. September 1999 – BVerwG 11 A 22.98 – (Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 17) ebenfalls nicht erkennen. Die Beschwerde greift auch insoweit im Gewand einer Divergenzrüge die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung und das Auslegungsergebnis der Vorinstanz an. Die Darlegungsanforderungen an eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO können durch eine derartige Entscheidungskritik nicht erfüllt werden. Von einer weiteren Begründung sieht der beschließende Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger beimessen.
2.1 Die Beschwerde wirft als grundsätzlich klärungsbedürftig die Rechtsfrage auf, “ob ein Planfeststellungsbeschluss, der nur einen Teil der Start- und Landebahnen eines Flughafens (40 %) umfasst, automatisch damit den gesamten bereits existierenden Bestand (60 %) mit in seinen Regelungsbereich aufnimmt und die Wirkungen eines Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 9 Abs. 3 LuftVG auch diesbezüglich auslöst, obwohl die Abwägungsentscheidung die bereits bestehenden Anlagen nicht erfasst”.
Ungeachtet ihrer allgemeinen Formulierung zielt diese Rechtsfrage auf den Regelungsgehalt des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971, der allein den Flughafen Frankfurt am Main betrifft. Den Inhalt dieses Planfeststellungsbeschlusses könnte das Revisionsgericht nicht zum Gegenstand eigener Rechtsauslegung machen. Der tatrichterlich ermittelte Erklärungsinhalt eines Verwaltungsakts ist als Tatsachenfeststellung im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO nur eingeschränkt überprüfbar. Dem Revisionsgericht ist eine eigene Auslegung eines angegriffenen Verwaltungsakts nur dann möglich, wenn das Tatsachengericht in seiner Entscheidung nichts Näheres ausgeführt und insbesondere sein Auslegungsergebnis nicht näher begründet hat. Das Revisionsgericht ist gehindert, von sich aus in eine eigene Auslegung des Verwaltungsakts einzutreten, wenn der Tatrichter eine umfangreiche Auslegung des angegriffenen Verwaltungsakts selbst vorgenommen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 1982 – BVerwG 8 C 27.81 – BVerwGE 65, 61 ≪68≫; Urteil vom 9. Juli 1982 – BVerwG 7 C 54.79 – Buchholz 451.171 AtG Nr. 11 = DVBl 1982, 960; Beschluss vom 24. Januar 1991 – BVerwG 8 B 164.90 – Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 6 = NVwZ 1991, 574 ≪575≫). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich eingehend mit dem Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses befasst (UA S. 26 bis 32). Bei einer derartigen Sachlage bedarf es einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge, um das vorinstanzliche Auslegungsergebnis eines Verwaltungsakts revisionsgerichtlicher Kontrolle unterwerfen zu können. Eine derartige Rüge hat die Beschwerde nicht erhoben. Der Vorwurf, das Berufungsurteil beruhe auf einer “irrigen Auffassung” zum Verhältnis zwischen Betriebsgenehmigung und Planfeststellungsbeschluss, ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen.
2.2 Die zum Anwendungsbereich von § 71 Abs. 2 LuftVG aufgeworfenen Rechtsfragen wären in einem Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig, weil sie nicht entscheidungserheblich wären. Der Verwaltungsgerichtshof misst seinen Ausführungen zu § 71 Abs. 2 LuftVG keine entscheidungstragende Bedeutung bei. Aus den Ausführungen der Vorinstanz (UA S. 33 bis 35) ergibt sich deutlich, dass es sich um Hilfserwägungen handelt.
2.3 Die Rechtsfrage, “ob ein Gericht an seine Auslegung eines Planfeststellungsbeschlusses, welche es im Rahmen eines früheren Rechtsstreits getroffen hat, in einem späteren Verfahren zwischen denselben Beteiligten gebunden ist”, führt ebenfalls nicht zu einem revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf. Die Beschwerde legt schon nicht dar, dass diese Frage im vorliegenden Streitfall entscheidungserheblich ist. Sie unterstellt, dass der Verwaltungsgerichtshof den Regelungsgehalt des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 hinsichtlich der zulässigen technischen Gesamtkapazität des Flughafens (Flugbewegungen) anders als in seinem Urteil vom 24. April 1973 – VGH II OE 36/72 – beurteilt. Diesen bereits im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Vorwurf weist der Verwaltungsgerichtshof mit ausführlicher Begründung (UA S. 39) zurück. Er stellt klar, dass Kapazitätserwägungen ersichtlich nicht Gegenstand des Urteils vom 24. April 1973 gewesen seien. Mit dieser Auffassung setzt sich die Beschwerde nicht substantiiert auseinander. Sie beschränkt sich wiederum auf die Behauptung, die Rechtsansicht der Vorinstanz sei “rechtsirrig”. Damit genügt die Beschwerde nicht den Anforderungen an die Darlegung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
2.4 Die Beschwerde wirft weiter die Frage auf, “ob ein sich nur auf Teilanlagen beziehender luftverkehrsrechtlicher Planfeststellungsbeschluss Rechtsgrundlage für sämtliche Kapazitätserhöhungen in Form eines unbeschränkten 24-Stunden-Betriebes der Gesamtanlage bis an die Grenze der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle sein kann, obwohl Lärmimmissionen nicht im Planfeststellungsbeschluss abgewogen wurden und der Planfeststellungsbeschluss für die Teilanlagen Schutzanordnungen für die Bürger trifft (hier: Auflagen An- und Abflugrouten)”. Diese Frage stellt in abgewandelter Form erneut die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs in Frage, der Beschluss vom 23. März 1971 habe ein bestimmtes Start- und Landebahnsystem – mit den dazugehörigen Rollbahnen – planfestgestellt, nicht hingegen eine bestimmte Höchstzahl zulässiger Flugbewegungen am Tag oder in der Nacht; der Betrieb des Flughafens sei daher durch die Planfeststellung in dem Umfang gedeckt, der auf den Start- und Landebahnen unter Beachtung der Sicherheitsanforderungen gerade noch erreicht werden könne (vgl. UA S. 38). Die Beschwerde problematisiert das Auslegungsergebnis der Vorinstanz, ohne zu berücksichtigen, dass die tatrichterlichen Feststellungen zum Regelungsgehalt des Planfeststellungsbeschlusses aus den oben unter 2.1 genannten Gründen nicht revisibel sind.
2.5 Die Beschwerde möchte geklärt wissen, ob ein genereller Vorrang des passiven vor dem aktiven Schutz vor Fluglärm besteht. Sie möchte insbesondere geklärt wissen, ob der aktive Schallschutz nach § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nur ultima ratio gegenüber passivem Schallschutz und Entschädigung sei und ob bezüglich des von einem Flughafen ausgehenden Lärms passiver Schallschutz bzw. Entschädigung oder die Erholung außerhalb des eigenen Grundeigentums generell ausreichend sei. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen passivem und aktivem Lärmschutz bei planfestgestellten Flughäfen lässt sich auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung unschwer beantworten, so dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht bedarf.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Reduzierung des rechtlich zugelassenen Flugverkehrs als Maßnahme des aktiven Lärmschutzes in Form einer allgemeingültigen Auflage eine der Maßnahmen darstellt, die zur Abwehr fluglärmbedingter Gesundheits- und Eigentumsbeeinträchtigungen in Betracht zu ziehen ist. Betriebsregelungen dieser Art setzen den (Teil-)Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 VwVfG voraus. Von dieser für den Flughafenunternehmer einschneidenden Möglichkeit darf die Luftfahrtbehörde allerdings mit Rücksicht auf die Anforderungen, die sich aus dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, nur Gebrauch machen, wenn sich Grundrechtsverstöße (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht unter Einsatz schonenderer Mittel beseitigen lassen. Als weniger belastender Eingriff kommen nachträgliche Schutzvorkehrungen in Anwendung von § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in Betracht. Erst wenn Lärmschutzvorkehrungen auf der Grundlage dieser Vorschrift nicht ausreichen, um Gefahren für grundrechtlich geschützte Rechtsgüter zu begegnen, darf sich die Luftfahrtbehörde des (Teil-)Widerrufs als letzten Mittels bedienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1997 – BVerwG 11 C 1.96 – BVerwGE 105, 6; Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 11 B 2.97 – Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 8, vom 10. Oktober 2003 – BVerwG 4 B 83.03 – NVwZ 2004, 97, vom 16. Dezember 2003 – BVerwG 4 B 75.03 – und vom 26. Februar 2004 – BVerwG 4 B 95.03 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Der Verwaltungsgerichtshof gelangt in Anwendung dieser Grundsätze zu dem Ergebnis, dass etwaigen Gefahren für die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter Gesundheit und Eigentum der Kläger hinreichend wirksam mit der Anordnung nachträglicher Schutzvorkehrungen begegnet und zugleich eine Verletzung der kommunalen Planungshoheit der Klägerin zu 1 vermieden werden kann. Auch die für die Kläger unstreitig erheblichen nachteiligen Wirkungen des Fluglärms am Tage (von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr), selbst wenn dieser die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 sowie aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle überschreiten sollte, könnten hinreichend wirksam durch entsprechende Maßnahmen der (verbesserten) Schallisolierung an Gebäuden bzw. wegen Nutzungsbeeinträchtigung der Außenwohnbereiche durch Gewährung einer angemessenen Entschädigung in Geld – erforderlichenfalls in Form eines Übernahmeanspruchs – auf ein von den Betroffenen als zumutbar hinzunehmendes Maß verringert werden; ein auf die Reduzierung des Flugsverkehrs abzielender Teilwiderruf der der Beigeladenen erteilten Planfeststellung sei daher nicht erforderlich (UA S. 56 ff.). Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund zeigt die Beschwerde nicht auf, dass in dem erstrebten Revisionsverfahren über die bisherige Rechtsprechung hinaus zusätzliche verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse von grundsätzlicher Bedeutung für das Verhältnis zwischen aktivem und passivem Schutz gegen Fluglärm gewonnen werden könnten.
2.6 Die zum nächtlichen Bodenlärm, insbesondere zu Triebwerksprobeläufen, erhobenen Grundsatzrügen rechtfertigen die Zulassung der Revision ebenfalls nicht.
Die Frage, ob die Anwendbarkeit der TA-Lärm bei Triebwerksprobeläufen, die nicht im Zusammenhang mit einem unmittelbar nachfolgenden Startvorgang stehen, generell ausgeschlossen ist, ist für die angegriffene Entscheidung nicht entscheidungserheblich. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist der gleiche passive Schutz, der die Kläger zu 2 bis 4 vor einer ihre Gesundheit beeinträchtigenden Störung des Nachtschlafs durch Fluglärm bewahrt, objektiv ebenso geeignet, derartige Störungen durch “Bodenlärm” von ihnen fernzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof führt aus, dass durch (verbesserte) Schallisolierung an Gebäuden – erforderlichenfalls in Verbindung mit dem Einbau von Lüftungs- und Klimaanlagen – auch im Hinblick auf das im Nachtschutzgebiet des Flughafens Frankfurt am Main einzuhaltende Schutzziel von 52 dB(A) innen in jedem Fall erreicht werden könne, dass ebenso wie Fluglärm auch nächtlicher “Bodenlärm” nur noch in einem die menschliche Gesundheit nicht beeinträchtigendem Ausmaß an das Ohr des Schläfers dringe (UA S. 51 f.). Damit ist entschieden, dass die Kläger zu 2 bis 4 die mit den Klageanträgen zu III. (Bodenlärm) angestrebten nächtlichen Betriebseinschränkungen, die auf einen teilweisen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 hinauslaufen, nicht beanspruchen können, ohne dass es in diesem Zusammenhang noch auf die Anwendbarkeit der TA-Lärm ankommt.
Die Frage, “ob Triebwerksprobeläufe von einem Planfeststellungsbeschluss abgedeckt sein können, der weder eine Aussage zu Triebwerksprobeläufen enthält, noch den Rollweg, auf dem die Probeläufe stattfinden, gegenständlich erfasst”, lässt sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise klären. Die Antwort auf diese Frage hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall und vom Regelungsgehalt des maßgeblichen Planfeststellungsbeschlusses ab.
Die schließlich aufgeworfene Rechtsfrage, “ob es einen Vorrang von passivem Schallschutz bei Triebwerksprobeläufen geben kann, obwohl der aktive Schallschutz nicht in den Betrieb des Flughafens eingreift”, geht von einem Sachverhalt aus, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hängen die aus Sicherheitsgründen vorgeschriebenen Probeläufe von Triebwerken unmittelbar mit dem Flugbetrieb zusammen und sind deshalb ein Bestandteil der betrieblichen Abläufe auf dem Flughafen (UA S. 53). Von diesem Sachverhalt wäre auch in einem Revisionsverfahren auszugehen (§ 137 Abs. 2 VwGO).
3. Die Verfahrensrügen der Beschwerde greifen nicht durch.
3.1 Die Kläger rügen, der Verwaltungsgerichtshof habe es ihnen verwehrt, “trotz eigenem rechtzeitigen Sachvortrag auf Schriftsätze einzugehen, die weder Beigeladene noch Beklagter rechtzeitig eingereicht hatten”. Dem Beklagten und der Beigeladenen sei “jede Freiheit in der zeitlichen Einreichung von Schriftsätzen belassen” worden. Es sei unzulässig, “in einem ausgesprochen komplizierten Rechtsverfahren Schriftsätze ein oder zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung mit Tatsachenvortrag und Beweismitteln vorzulegen, ohne dem Prozessgegner die Möglichkeit zu geben, hierzu in der gebotenen Form schriftsätzlich Stellung zu nehmen”. Die Beschwerde sieht hierin eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO).
Dieser Verfahrensfehler liegt nicht vor. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 15. Juli 2003 hat die Vorinstanz den Beteiligten durch Beschluss vom 15. Juli 2003 eine Frist zur abschließenden Stellungnahme bis zum 6. August 2003 gewährt und zugleich auf die Möglichkeit der Zurückweisung verspäteten Vorbringens nach § 87b VwGO hingewiesen. Im Anschluss an diesen Beschluss hat der Verwaltungsgerichtshof die von der Beschwerde angeführten Schriftsätze der Beigeladenen vom 21. und 27. August 2003 als verspätet zurückgewiesen. In den Gründen der angefochtenen Entscheidung (UA S. 19) heißt es zu diesen Schriftsätzen, sie seien für die Entscheidung über die Klage “ohne Relevanz”. Es war daher aus Gründen der Gewährung ausreichenden rechtlichen Gehörs nicht geboten, den Klägern eine Schriftsatzfrist zur Erwiderung auf die vorgenannten Schriftsätze der Beigeladenen einzuräumen. Schriftsätze des Beklagten, auf die die Kläger bis zur Durchführung der zweiten mündlichen Verhandlung am 28. August 2003 nicht rechtzeitig schriftsätzlich hätten erwidern können, nennt die Beschwerde nicht. Insoweit bleibt sie unsubstantiiert (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Der Vorwurf der Beschwerde, eine Zurückweisung der vorgenannten Schriftsätze der Beigeladenen sei tatsächlich nicht erfolgt, der Verwaltungsgerichtshof habe sich vielmehr Rechtsausführungen der Beigeladenen zu Eigen gemacht (S. 21 der Beschwerdebegründung vom 22. Dezember 2003), geht ins Leere. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs auf S. 43 (unten) der Urteilsgründe sind das Ergebnis seiner Auslegung der für den Flughafen Frankfurt am Main erteilten Betriebsgenehmigung vom 23. August 1966 und des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971. Diese Ausführungen sind in weiten Teilen mit den auf S. 26 ff. der Urteilsgründe zitierten Abschnitten aus dem den Beteiligten bekannten Urteil der Vorinstanz vom 2. April 2003 – VGH 2 A 2646/l01 – identisch, das ebenfalls den Lärmschutz am Flughafen Frankfurt am Main betrifft.
3.2 Die Beschwerde rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe entgegen § 86 Abs. 3, § 104 Abs. 1 und § 108 Abs. 2 VwGO nicht auf seine Rechtsauffassung hingewiesen, dass bei einem unanfechtbar planfestgestellten Flughafen der passive Lärmschutz generell Vorrang vor dem aktiven Lärmschutz habe, und deshalb eine “verbotene Überraschungsentscheidung” gefällt. Der gerügte Verfahrensfehler liegt offensichtlich nicht vor.
Eine Entscheidung stellt sich als unzulässiges “Überraschungsurteil” dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 80.91 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241 m.w.N.; stRspr). Diese Voraussetzungen sind hier ersichtlich nicht erfüllt.
Die Rechtsfrage, ob die Kläger zum Schutz gegen Fluglärm aktiven Lärmschutz in Gestalt von Betriebseinschränkungen beanspruchen können oder ob sie sich auf Vorkehrungen des passiven Lärmschutzes verweisen lassen müssen, ist Gegenstand der tatsächlichen und rechtlichen Erörterungen im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewesen. Diese Frage bildete, wie die Wiedergabe des Vorbringens der Beteiligten im Tatbestand des angefochtenen Urteils zeigt, den Schwerpunkt der tatsächlichen und rechtlichen Erörterungen im vorinstanzlichen Verfahren. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war bereits geklärt, dass ein (Teil-)Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses zur Anordnung von Betriebseinschränkungen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erst in Betracht kommt, wenn Vorkehrungen des passiven Schallschutzes nicht ausreichen, um Gefahren für verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter abzuwenden (vgl. hierzu die Nachweise oben unter 2.5). Der Verwaltungsgerichtshof hatte diese Frage bereits in seinem Urteil vom 2. April 2003 – VGH 2 A 2646/01 – zum Flughafen Frankfurt am Main thematisiert und im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet. Im Übrigen muss das Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Streitstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung nach der mündlichen Verhandlung ergibt (BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1998 – BVerwG 4 B 19.98 – NVwZ-RR 1998, 711).
3.3 Die Kläger machen geltend, dass die Besonderheiten der Beeinträchtigungen durch Fluglärm weder allein im daueräquivalenten Schallpegel noch in den Spitzenpegeln, sondern in der Anhäufung von Einzelschallereignissen mit hohen Einzelpegeln während des ganzen Tages und während der Nacht ohne Erholungsphase zu sehen seien. Da für eine derartige Situation medizinische Erkenntnisse fehlten, hätte der Verwaltungsgerichtshof einen Sachverständigenbeweis zu den Beeinträchtigungen durch Fluglärm am Tage und in der Nacht erheben müssen. Einen entsprechenden Beweisantrag habe der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht abgelehnt. Darin liege eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) sowie ein Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO). Diese Verfahrensrügen erfüllen die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.
Für die ordnungsgemäße Bezeichnung eines Aufklärungsmangels und einer damit verbundenen Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs muss substantiiert dargelegt werden, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für die Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 2002 – BVerwG 9 B 63.01 – ≪NVwZ 2002, 1235≫, a.a.O., m.w.N.). Eine derartige substantiierte Darlegung enthält die Beschwerdebegründung nicht. Sie legt insbesondere nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung, mit nachträglichen passiven Schutzauflagen sowie ggf. mit einer angemessenen Entschädigung in Geld nach § 75 Abs. 2 Satz 4 HVwVfG (bis hin zu einem Anspruch auf Übernahme der Wohngrundstücke) könne wirksam Abhilfe gegen die nachteiligen Wirkungen des Flugverkehrs geschaffen werden, auch sei nach dem gegenwärtigen Stand der Lärmwirkungsforschung eine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle ausgeschlossen, Anlass zu weiteren Ermittlungen in der von den Klägern bezeichneten Richtung hätte haben müssen. Die Beschwerde setzt sich auch nicht mit den Gründen auseinander, die den Verwaltungsgerichtshof veranlasst haben, die Beweisanträge der Kläger zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Kommunikationsstörungen in den Außenwohnbereichen ihrer Grundstücke abzulehnen (vgl. UA S. 64 bis 66 oben).
3.4 Der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof das angegriffene Urteil nicht innerhalb von zwei Wochen nach der zweiten mündlichen Verhandlung am 28. August 2003, sondern erst am 14. Oktober 2003 verkündet hat, begründet keinen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
§ 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO enthält hinsichtlich der Frist von zwei Wochen eine Sollvorschrift. Der Gesetzgeber eröffnet damit die Möglichkeit, das Urteil unter besonderen Umständen erst nach Ablauf von zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung zu verkünden. Ein derartiger Ausnahmegrund kann insbesondere darin liegen, dass der zu entscheidende Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht komplexe und schwierige Fragen aufwirft. Das ist, wie auch die Kläger einräumen, hier der Fall. Der hohe Schwierigkeitsgrad der zu treffenden Entscheidung rechtfertigt hier die Überschreitung der Zwei-Wochen-Frist. Der zeitliche Abstand der Urteilsverkündung zur letzten mündlichen Verhandlung ist auch nicht so groß, dass er Zweifel daran aufkommen lässt, dass den beteiligten Richtern bei der Abfassung des Urteils das Ergebnis der Verhandlung hinreichend gegenwärtig gewesen ist.
3.5 Für den gerügten Verstoß gegen § 86 Abs. 2 VwGO, nach dem ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag nur durch einen Gerichtsbeschluss, der zu begründen ist, abgelehnt werden darf, ist nichts ersichtlich. Die Rüge der Kläger zielt darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof ohne hinreichende Begründung die Beweisanträge abgelehnt habe, die die Fluglärmeinwirkungen auf die Außenwohnbereiche der Grundstücke der Kläger betreffen. Die Beschwerde bezeichnet die hierauf gerichteten Beweisanträge nicht genauer. Der beschließende Senat entnimmt dem Beschwerdevorbringen sowie den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 64 ff.), dass es sich um die im Schriftsatz der Kläger vom 26. August 2003 genannten Beweisanträge 5a, 5b, 5f und 6 handelt. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Beweisanträge mit Beschluss vom 28. August 2003, der als Anlage der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. August 2003 beigefügt ist, als rechtlich unerheblich abgelehnt und dies zusätzlich damit begründet, dass die genannten Beweisthemen keiner tatsächlichen Feststellung durch Vernehmung eines Sachverständigen oder Einholung eines Sachverständigengutachtens zugänglich seien, sondern im Wege einer rechtlichen Würdigung der Gesamtumstände beurteilt werden müssten. Im Übrigen könne der Inhalt eines Gesprächs zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Kläger, Rechtsanwalt H.… und Professor Dr. Sch.… als wahr unterstellt werden.
Diese Begründung genügt den Anforderungen des § 86 Abs. 2 VwGO. Die Ablehnungsgründe sind weder prozessrechtlich noch in materiellrechtlicher Hinsicht fehlerhaft. Einem Beweisantrag braucht nicht nachgegangen zu werden, wenn das mutmaßliche Beweisergebnis nach der Rechtsauffassung des Tatrichters nicht entscheidungserheblich ist. Das ist dann der Fall, wenn sich der behauptete Sachverhalt – als gegeben unterstellt – nicht zugunsten des Beweisantragstellers auswirken kann. Die Beschwerde begründet auch nicht näher, an welchem Rechtsfehler die Ablehnung der Beweisanträge leiden könnte. Sie beanstandet die Ablehnung der Beweisanträge, weil der Verwaltungsgerichtshof keine Begründung gegeben habe, auf die die Kläger “ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmend und situationsspezifisch hätten ausrichten können”. Bei einer Ablehnungsbegründung, wie sie sich jetzt im Urteil finde, hätten sie “Hilfsanträge zum Tagesschutz gestellt”. Dieses Vorbringen verhilft der Rüge nicht zum Erfolg. Die Begründung für die Ablehnung der Beweisanträge, die der Verwaltungsgerichtshof im angegriffenen Urteil (UA S. 64 ff.) gibt, weicht nicht von der Begründung im Ablehnungsbeschluss vom 28. August 2003 ab. Es oblag den Prozessbevollmächtigten der Kläger, sich auf die durch die Ablehnung der Beweisanträge geschaffene Prozesssituation einzustellen und ggf. neue Tatsachen vorzutragen oder neue Anträge zu stellen. Der Verwaltungsgerichtshof war nicht verpflichtet, die Ablehnung der Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung mit Hinweisen zur Fassung der Klageanträge oder zur Erweiterung des Klagebegehrens zu verbinden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 2 ZPO sowie aus § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Gatz
Fundstellen