Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 02.06.2009; Aktenzeichen 17 A 4085/03) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 116 743,06 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde, die ausschließlich Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Sie legt keine für das angegriffene Urteil erhebliche Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes dar, die als Verfahrensmangel einzuordnen wäre (§ 108 Abs. 1 Satz 1, § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Rz. 3
Zur Substantiierung eines solchen Verfahrensfehlers genügt nicht, dass der Beschwerdeführer eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt und daraus andere Schlüsse zieht als das angegriffene Urteil. Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung können grundsätzlich keinen Verfahrensmangel i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen, weil sie revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen sind (Urteile vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271 ≪272≫ = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 und vom 29. Oktober 2003 – BVerwG 8 C 26.02 – juris Rn. 32 [insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 119, 158 = Buchholz 428.41 § 1 EntschG Nr. 2]; Beschlüsse vom 10. Dezember 2003 – BVerwG 8 B 154.03 – NVwZ 2004, 627 ≪628≫ und vom 12. Februar 2008 – BVerwG 9 B 70.07 – juris). Etwas anderes kommt nur bei einer aktenwidrigen oder gegen die Denkgesetze verstoßenden, objektiv willkürlichen Sachverhaltswürdigung in Betracht, sofern sie allein die Tatsachenfeststellung betrifft, also etwa im Rahmen des Indizienbeweises bei der Schlussfolgerung von Hilfs- auf Haupttatsachen (Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – a.a.O. S. ≪272 f.≫; Beschlüsse vom 12. Mai 2000 – BVerwG 7 B 22.00 – VIZ 2000, 600 und vom 10. Dezember 2003 – BVerwG 8 B 154.03 – a.a.O.; vgl. Beschluss vom 12. Februar 2008 – BVerwG 9 B 70.07 – a.a.O.). Inwieweit darüber hinaus auch die unzutreffende Erfassung oder unvollständige Verwertung des Prozessstoffs als Verfahrensmangel einzuordnen sein kann, muss hier nicht geklärt werden, weil solche Mängel nicht vorliegen.
Rz. 4
Entgegen der Darstellung der Beschwerdebegründung hat das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidungsfindung sämtliche Erklärungen des Klägers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugrunde gelegt. Es hat nicht nur das Vorbringen zum “Bestätigungsvertrag” vom 18./29. September 2008 berücksichtigt, sondern ausweislich der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (S. 11 des Abdrucks unten) auch die Erklärung des Klägers, das Arbeitsverhältnis sei “stillschweigend ausgelaufen”. Dass der Kläger bei seiner medizinischen Exploration im Rahmen der Beweisaufnahme am 14. Januar 2008 erklärte, er sei “formal immer noch Angestellter” des Architekturbüros, durfte das Berufungsgericht ebenfalls verwerten. Der Vorwurf, es habe dabei als “unbewiesene” Tatsache unterstellt, der Kläger sei juristisch bewandert und verwende Begriffe entsprechend dem juristischen Sprachgebrauch, trifft nicht zu. Das Oberverwaltungsgericht hat lediglich die aktenkundige Berufserfahrung des Klägers bei der Auslegung der Erklärung berücksichtigt, ohne ihm juristische Fachkenntnisse zuzuschreiben. Außerdem übersieht die Beschwerde, dass die Erklärung, “formal Angestellter” zu sein, bereits umgangssprachlich als Einräumen des Fortbestehens des Anstellungsvertrages verstanden werden kann.
Rz. 5
Der Einwand des Klägers, das Berufungsgericht habe seinen Erklärungen und dem “Bestätigungsvertrag” eine konkludente Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1998 entnehmen müssen, rügt die Auslegung (vermeintlich) schlüssigen Verhaltens. Sie richtet sich nach materiellem Recht (§§ 133, 157 BGB) und kann nicht Gegenstand der Verfahrensrüge sein. Im Übrigen verkennt die Beschwerde, dass das Einstellen der Tätigkeit als Architekt i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Beklagten nach der das Revisionsgericht bindenden Auslegung des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 1, § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) nicht nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt, sondern auch die nach außen wahrnehmbare Manifestation oder Dokumentation der Vertragsbeendigung. Danach kann das angegriffene Urteil nicht auf Verfahrensmängeln beruhen, die lediglich die Feststellung oder Datierung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses betreffen, ohne dass auch die Feststellungen zur Manifestation oder Dokumentation nach außen erfolgreich angegriffen werden. Das ist nicht geschehen.
Rz. 6
Entgegen der Auffassung der Beschwerde verletzt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, eine Manifestation oder Dokumentation der Vertragsbeendigung liege erst mit dem “Bestätigungsvertrag” vor, nicht die Denkgesetze. Denkfehlerhaft ist die Tatsachen- und Beweiswürdigung nur, wenn sie einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss zieht (Urteil vom 20. Oktober 1987 – BVerwG 9 C 147.86 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 ≪4≫; Beschluss vom 10. Dezember 2003 – BVerwG 8 B 154.03 – a.a.O.). Denklogisch ist nicht ausgeschlossen, die Erklärung des Klägers, er sei – im Januar 2008 – formal noch Angestellter des Architekturbüros gewesen, als Hinweis auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses trotz langfristiger Krankheit zu verstehen und seine Erläuterung, das Arbeitsverhältnis sei 1998 nicht ausdrücklich gekündigt worden, sondern in der Folgezeit stillschweigend ausgelaufen, dahin zu deuten, dass bis zum Abschluss des “Bestätigungsvertrages” allenfalls eine nicht nach außen manifestierte oder dokumentierte Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorlag. Der “Bestätigungsvertrag” lässt eine solche Deutung ebenfalls zu. Ihm zufolge waren der Kläger und sein früherer Arbeitgeber zwar bereits im Mai 1998 über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1998 einig, “legten” dies aber erst im Jahr 2008 “ausdrücklich nieder” und dokumentierten es damit – im Sinne der berufungsgerichtlichen Auslegung der irrevisiblen Satzungsregelung – erst zu diesem Zeitpunkt in einer nach außen erkennbaren Weise. Unabhängig davon war das Oberverwaltungsgericht denkgesetzlich nicht verpflichtet, dem erst auf seinen rechtlichen Hinweis hin vorgelegten Bestätigungsvertrag einen höheren Beweiswert zuzumessen als den früheren Angaben des Klägers. Es war nach den Denkgesetzen auch nicht gezwungen, den Umzug des Klägers nach Italien als Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu deuten. Der Umzug konnte ebenso nur einem Wechsel des Wohnorts während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit dienen. Er schloss eine Rückkehr zur Wiederaufnahme der Berufstätigkeit im fortbestehenden Arbeitsverhältnis im Fall der Genesung nicht aus.
Rz. 7
2. Ein Aufklärungsmangel gemäß § 86 Abs. 1 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe es unterlassen, Widersprüche im Vorbringen des Klägers aufzuklären, übersieht, dass dem Kläger durch Vorhalte im Rahmen der dreitägigen mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, Unstimmigkeiten seines Vorbringens aufzulösen, und dass der Widerspruch zwischen dem ersten Absatz des “Bestätigungsvertrages” zum früheren Vorbringen sich nur auf den für sich genommen nicht entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezog, also nicht auf den entscheidungserheblichen Gesichtspunkt ihrer Manifestation oder Dokumentation nach außen.
Rz. 8
Das Oberverwaltungsgericht hat auch keine Aufklärungsmaßnahmen unterlassen, zu denen es wegen eines Beweisantrags des anwaltlich vertretenen Klägers verpflichtet gewesen wäre, oder die sich ihm auch ohne einen solchen Beweisantrag hätten aufdrängen müssen. Es war nicht verpflichtet, den früheren Arbeitgeber des Klägers entsprechend dem gestellten Beweisantrag als Zeugen dazu zu vernehmen, ob er wegen der langfristigen Krankmeldung bereits 1998 von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen sei. Da die Abgabe der Krankmeldung nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts weder den Erklärungswert einer Kündigung noch den eines Antrags auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses hatte, kam es auf subjektive Annahmen oder rechtliche Würdigungen des Arbeitgebers bei ihrer Entgegennahme nicht an. Ohne einen entsprechenden Beweisantrag des anwaltlich vertretenen Klägers war das Berufungsgericht auch nicht verpflichtet, eine Zeugenvernehmung zu einer möglichen konkludenten Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Mai/Juni 1998 durchzuführen, da nicht die Beendigung, sondern deren Manifestation oder Dokumentation entscheidungserheblich war, und diese auch nach dem Vorbringen des Klägers nicht schon im Mai/Juni 1998 oder zu einem anderen vor Abschluss des “Bestätigungsvertrages” liegenden Zeitpunkt stattgefunden hatte. Vielmehr ließen seine Angaben nach der Würdigung des Berufungsgerichts darauf schließen, dass das Arbeitsverhältnis 1998 mangels Arbeitsfähigkeit des Klägers und wegen der unsicheren Prognose zwar insofern faktisch “stillschweigend ausgelaufen” sein mochte, als eine Rückkehr des Klägers an den Arbeitsplatz nach seiner und seines Arbeitgebers Einschätzung nicht absehbar war, das Anstellungsverhältnis aber “formal” jedenfalls noch fortbestand.
Rz. 9
Ohne Anhaltspunkte für verfahrenserhebliche Neueingänge beim Beklagten musste das Berufungsgericht dessen nachträglich angefallene Verwaltungsvorgänge nicht beiziehen. Es war auch nicht verpflichtet, den Verlust der Kammerzugehörigkeit des Klägers aufzuklären. Zum einen hätte es dem Kläger selbst oblegen, dieses nach seiner Auffassung für ihn günstige Indiz in das Verfahren einzuführen. Zum anderen ließ der Umstand, dass der Kläger während der Dauer seiner Wohnsitznahme in Italien nicht in Deutschland als Architekt tätig sein durfte, keinen Rückschluss auf eine Beendigung des Arbeitsvertrages zu. Das Arbeitsverhältnis konnte auch während einer längeren Krankheit fortbestehen, und im Fall einer Rückkehr nach Deutschland und eines erneuten Erwerbs der Kammerzugehörigkeit die vertraglich geschuldete Tätigkeit wieder aufgenommen werden.
Rz. 10
Soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht habe entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen, ist keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO dargelegt. Wie bereits ausgeführt, trifft das Beschwerdevorbringen, das Berufungsgericht habe relevante Äußerungen des Klägers bei der Entscheidungsfindung ausgeblendet, nicht zu. Dass es diese Erklärungen anders interpretierte als der Prozessbevollmächtigte des Klägers, begründet keine Verletzung rechtlichen Gehörs.
Rz. 11
Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO abgesehen.
Rz. 12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 42 Abs. 2 und 4 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. Hauser, Dr. Held-Daab
Fundstellen