Verfahrensgang

VG Magdeburg (Aktenzeichen 7 A 555/98 MD)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 5. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Mit dem Streitfall verbindet sich keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wie die Beschwerde – allein – geltend macht.

1. Die Beschwerde will zwar als rechtsgrundsätzlich die Frage geklärt wissen, ob „es zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG geboten ist, einen Zuordnungsanspruch nach Art. 21 Abs. 3 EV i.V.m. § 11 Abs. 1 VZOG auch dann zu gewähren, wenn Vermögenswerte der ehemaligen DDR von einem durchmehrheitliche staatliche Beteiligung von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmen unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind”. Der Sache nach ist diese Rechtsfrage aber bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im verneinenden Sinne geklärt. Mit Beschluss vom 21. Januar 1997 – BVerwG 3 B 169.96 – (Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 18) hat der Senat entschieden, dass eine Gemeinde nicht deshalb restitutionsberechtigt im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV ist, weil sie an der privatrechtlichen Gesellschaft beteiligt war, die und deren (sämtliche) Vermögensgegenstände in Volkseigentum überführt worden sind. Hieran hält der beschließende Senat nach erneuter Prüfung gerade in Ansehung des Umstands fest, dass im damals entschiedenen Verfahren die klagende Gemeinde an der betreffenden GmbH nur mit unter 50 % beteiligt war, wohingegen im Streitfall eine Beteiligung von nahezu 75 % in Rede steht:

2. Selbst wenn man mit der Beschwerde das verfassungsrechtliche Willkürverbot als in materieller Hinsicht auch gegenüber einer Gebietskörperschaft durch einen gesetzgeberischen Akt verletzbar ansehen könnte (vgl. indessen BVerfGE 75, 192 ≪200 f.≫), rechtfertigt das Beschwerdevorbringen nicht die Beurteilung, es sei willkürlich, dass das Vermögens- bzw. Vermögenszuordnungsrecht Gebietskörperschaften, die früher mehrheitlich an Kapitalgesellschaften beteiligt waren, im Hinblick auf eine Rückübertragung von Anteilen schlechter stellt (eine Rückübertragung ausschließt) als natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, die an solchen Unternehmen beteiligt waren.

a) Wie die Beschwerde mit der Formulierung der aufgeworfenen Frage der Sache nach einräumt, sieht das Vermögens- bzw. Vermögenszuordnungsrecht in der Tat eine Zuordnung (Rückübertragung) von staatlichen (kommunalen) Mehrheitsanteilen an privaten Unternehmen, die – wie es sich im Streitfall verhielt, als die A.-GmbH nach dem Akteninhalt im Jahre 1950 „ohne Liquidation aufgelöst, da in das Eigentum des Volkes übergegangen”, wurde – nach 1945 erloschen sind, grundsätzlich nicht vor.

§ 1 a Abs. 1 Satz 1 VZOG rechnet zu den zuordnungsfähigen Vermögensgegenständen „Unternehmen”, nicht aber „Eigentum/Beteiligungen an Unternehmen”, wie dies § 2 Abs. 2 Satz 2 VermG regelt. Damit gibt das Vermögenszuordnungsrecht auf der einen Seite eindeutig zu erkennen, dass Gebietskörperschaften beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zumindest die Rückgabe von kommunalen Eigenbetrieben verlangen können. Nicht in der gleichen eindeutigen Weise ist aber auf der anderen Seite bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen die Rückgabe im Wege der öffentlichen Restitution von Anteilen an Unternehmen verlangt werden darf. Der beschließende Senat will zumindest nicht von vornherein ausschließen, dass trotz des Wortlauts von § 1 a VZOG Anteile der öffentlichen Hand an im Staatsvermögen der DDR befindlichen Unternehmen zuordnungsfähig sind. Darum geht es indessen im Streitfall nicht, sondern – wie dargelegt – darum, ob frühere staatliche (kommunale) Mehrheitsbeteiligungen an erloschenen Kapitalgesellschaften zu dem Zweck zugeordnet werden können, dass entweder die alte Gesellschaft „wieder belebt” wird oder – was im Streitfall offensichtlich beabsichtigt ist – zumindest einzelne Vermögensgegenstände gewissermaßen im Wege der „Trümmerrestitution” zurückverlangt werden können. Diese Frage ist jedenfalls für Mehrheitsbeteiligungen eindeutig zu verneinen:

Im – hier allein in Betracht zu ziehenden – Falle einer Unternehmensschädigung ist nämlich sowohl im Vermögensrecht wie im Vermögenszuordnungsrecht allein derrechtliche Träger des Unternehmens als der unmittelbar Geschädigte restitutionsberechtigt (vgl. Urteil vom 11. Dezember 1997 – BVerwG 7 C 69.96 – BVerwGE 106, 51 ≪56≫). Dies wäre im Streitfall die A.-GmbH, deren Geschäftsanteile zu rund 73 % von der damaligen Stadtgemeinde S. und im Übrigen von anderen Gesellschaften, weiteren Gemeinden und Privatpersonen gehalten wurden. Die Rückgabe eines solchen Unternehmens kann, wie auch der beschließende Senat im vorgenannten Beschluss vom 21. Januar 1997 ausgeführt hat, sich nur nach den Vorschriften des Vermögensrechts richten, wobei als entscheidungsunerheblich hier offen bleiben kann, ob dies auch im Sonderfall einer ausschließlichen kommunalen Beteiligung gilt.

b) Damit kann die Klägerin im Wege deröffentlichen Restitution äußerstenfalls die Rückgabe der ihrer Rechtsvorgängerin zustehenden Anteile zu dem Zweck beanspruchen, dass mit Hilfe dieser Zuordnung eine vermögensrechtliche Unternehmensrestitution ermöglicht wird. Eine solche Restitution ist jedoch deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil nach den Gründen des vorerwähnten Urteils vom 11. Dezember 1997 staatliche bzw. kommunale Anteilsinhaber in den hier in Rede stehenden Fällen ihre Anteile nicht zurückverlangen können und damit die „Wiederbelebung” des Unternehmens ausgeschlossen ist. Insoweit hat nämlich das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Unternehmen, das – unmittelbar oder mittelbar – mehrheitlich im Eigentum des Staates stand, nicht zurückgefordert werden kann, weil es von vornherein ausgeschlossen ist, dass in diesen Fällen das für die Rückgabe des Unternehmensvermögens erforderliche Quorum erreicht werden kann. Denn die insoweit einschlägigen Bestimmungen über das Quorum zur Wiederbelebung des alten Unternehmensträgers sollen nicht nur im Interesse eines reibungslosen Rückgabeverfahrens sicherstellen, dass die Mehrheit der Anteilseigner hinter dem Rückgabeantrag steht, sie sind vielmehr auch Ausdruck eines allgemeineren, die Unternehmensrestitution beherrschenden Rechtsgedankens, nämlich des Prinzips, dass die Rückgabe eines Unternehmens einen Zugriff voraussetzt, der sich gegenüber der Mehrheit der Mitglieder des Unternehmensträgers als Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 VermG darstellt, was bei einer Verschiebung (auch bei einer zwangsweisen) von Vermögen innerhalb des staatlichen Bereichs nicht der Fall sein kann (vgl. Urteil vom 11. Dezember 1997, a.a.O. S. 56, 58).

c) Soweit im Urteil vom 11. Dezember 1997 (a.a.O. S. 56) auch die Aussage enthalten ist, dass insoweit (Korrektur von Eigentumsverschiebungen innerhalb des staatlichen Bereichs) die die Verteilung des öffentlichen Vermögens regelnden Art. 21 und 22 EV und die in ihrem Gefolge erlassenen VZOG-Vorschriften vorrangig seien, darf dies nicht dahingehend missverstanden werden, dass in sämtlichen Fällen der staatlichen Beteiligung eine Zuordnung oder öffentliche Restitution der Anteile geboten sei. Vielmehr besteht der Vorrang der Vermögenszuordnung nur in dem Maße, wie die vermögenszuordnungsrechtlichen Voraussetzungen im Einzelnen tatsächlich erfüllt sind und ihre Anwendungen zu Ergebnissen führen, die den Zwecken einer Vermögenszuordnung gerecht werden. Gerade dies ist hier nicht der Fall, was auch nicht mit unzutreffenden Gleichheitsbetrachtungen überspielt werden darf. Ebenso wie es denkbar ist, dass die vermögenszuordnungsrechtliche Restitution zugunsten öffentlicher Verwaltungsträger günstiger als zugunsten privater Restitutionsberechtigter ausgestaltet sein kann (vgl. Beschluss vom 5. März 1996 – BVerwG 7 B 412.95 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 20 S. 40 für fehlende Deckungsgleichheit der Bestimmungen in Bezug auf besatzungsrechtliche bzw. – hoheitliche Zwangszugriffe), zwingt ein – hier als denkbar unterstelltes – verfassungsrechtliches Willkürverbot in Bezug auf die Rückverschaffung von Unternehmensbeteiligungen nicht dazu, private Unternehmensanteilseigner und staatliche (kommunale) insoweit strikt gleichzubehandeln.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG.

 

Unterschriften

Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Brunn

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566008

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge