Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 18.01.2011; Aktenzeichen 8 S 600/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nicht hinreichend bezeichnet. Hierfür muss die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennen, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328).
Rz. 3
1.1 Der Beklagte meint, der Verwaltungsgerichtshof sei von dem Beschluss des Senats vom 2. März 2000 – BVerwG 4 B 15.00 – (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 198) abgewichen. Dort hat der Senat die Rechtsprechung zum Begriff der Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB wie folgt zusammengefasst:
“Unter den Begriff der Bebauung im Sinne dieser Vorschrift fällt nicht jede beliebige bauliche Anlage. Gemeint sind vielmehr Bauwerke, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind. Dies trifft ausschließlich für Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen (…). Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (…). Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt zu werden pflegen, sind unabhängig davon, ob sie landwirtschaftlichen Zwecken (z.B. Scheunen oder Ställe), Freizeitzwecken (z.B. Wochenendhäuser, Gartenhäuser) oder sonstigen Zwecken dienen, in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen als ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element zu Buche schlagen (…).”
Rz. 4
Einen Rechtssatz, mit dem der Verwaltungsgerichtshof dieser Rechtsprechung widersprochen haben könnte, bezeichnet der Beklagte nicht. Er zeigt vielmehr selbst auf, dass der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung von den genannten Rechtssätzen ausgegangen ist (UA S. 11 f.). Der Sache nach wendet sich der Beklagte dagegen, dass der Verwaltungsgerichtshof auch das von einem Getränkegroßhandel genutzte Wirtschaftsgebäude auf dem Anwesen G. 4 als maßstabsbildend angesehen hat. Auch in diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof aber weder ausdrücklich noch konkludent einen der dargelegten Rechtsprechung widersprechenden Rechtssatz aufgestellt. Er hat vielmehr dargelegt, dass auch dieses Gebäude dem ständigen Aufenthalt von Menschen diene; es werde, wovon er sich beim Augenschein überzeugt habe, als Betriebsgebäude einer Firma genutzt, und zwar in erster Linie zur Lagerung von Getränken und Festzeltgarnituren sowie daneben für Verwaltung und sonstige Zwecke (Büro, Sozialraum – UA S. 13 f.). Der Beklagte meint, der Verwaltungsgerichtshof habe damit zu geringe Anforderungen an den ständigen Aufenthalt von Menschen in dem Gebäude gestellt. Insoweit rügt er eine fehlerhafte Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze im vorliegenden Einzelfall. Ein solches Vorbringen genügt aber weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.).
Rz. 5
1.2 Auch soweit der Verwaltungsgerichtshof einen Bebauungszusammenhang zwischen den Anwesen G. 3 und 4 einerseits und G. 7 und 8 andererseits bejaht hat, wendet sich der Beklagte im Gewande der Divergenzrüge gegen die Rechtsanwendung und Tatsachenwürdigung im vorliegenden Einzelfall. Divergierende Rechtssätze zeigt er auch insoweit nicht auf.
Rz. 6
2. Der Frage, ob auch gewerblich genutzte Gebäude als Bauwerke anzusehen sind, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen bzw. dienen können, kommt die vom Beklagten geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung nicht zu. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass nicht nur Wohngebäude, sondern auch landwirtschaftlichen und erwerbsgärtnerischen Zwecken dienende Betriebsgebäude (Beschluss vom 2. April 2007 – BVerwG 4 B 7.07 – BRS 71 Nr. 81 – juris Rn. 5) und gewerblich genutzte Gebäude (Beschluss vom 11. Juli 2002 – BVerwG 4 B 30.02 – BRS 65 Nr. 80) Bauwerke sein können, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Welche darüber hinausgehenden allgemeinen Regeln aufzustellen sein sollten, zeigt die Beschwerde nicht auf. Geklärt ist im Übrigen auch, dass die dargelegte Rechtsprechung Raum für abweichende Fallgestaltungen lässt. Ob ein Gebäude, das nur vorübergehend dem Aufenthalt von Menschen dient, nach Art und Gewicht eine den städtebaulichen Charakter der Umgebung mitbestimmende Baulichkeit darstellt, lässt sich nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls beurteilen und obliegt der tatrichterlichen Würdigung (Beschluss vom 11. Juli 2002 a.a.O.).
Rz. 7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Philipp, Dr. Bumke
Fundstellen
Haufe-Index 2874279 |
ZfBR 2012, 379 |