Verfahrensgang
VG Schwerin (Urteil vom 19.02.2004; Aktenzeichen 3 A 3226/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 19. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Vater der Klägerin war Eigentümer einer Neubauernstelle. Er wurde 1952 mit seiner Familie aufgrund der “Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie” vom 26. Mai 1952 (Gesetzblatt S. 405) zwangsausgesiedelt. Die zur Neubauernstelle gehörenden Grundstücke wurden in Volkseigentum überführt. 1985 verstarb der Vater. Im verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsverfahren wurde auf Antrag der Klägerin die Zwangsaussiedlung aufgehoben und die damit in Zusammenhang stehende Entziehung der Neubauernstelle für rechtsstaatswidrig erklärt. Eine Klage u.a der Beigeladenen zu 2 gegen den Rehabilitierungsbescheid ist im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2001 (BVerwG 3 C 32.00 – Buchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 2) zurückgenommen worden.
Mit dem im vorliegenden Verfahren angegriffenen Bescheid lehnte der Beklagte den Antrag auf Rückübertragung mit der Begründung ab, da der Klägerin nicht selbst die Neubauernstelle entzogen worden sei, könne sie allenfalls als Rechtsnachfolgerin ihres Vaters Berechtigte sein. Da dieser die Begründung von Wiedergutmachungsansprüchen aber nicht erlebt habe, treffe dies nicht zu.
Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) prozessordnungsgemäß dargelegt wird (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Jedenfalls hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss daher dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫).
Ob die Beschwerde dem genügt, ist zweifelhaft. Sie setzt – nach ihrem Wortlaut – der materiellrechtlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts ihre eigene Würdigung entgegen, ohne klärungsbedürftige Rechtsfragen ausdrücklich zu bezeichnen. Ob dies dem Darlegungsgebot genügt, kann jedoch dahinstehen.
Die Rechtssache hat auch dann keine grundsätzliche Bedeutung, wenn man zugunsten der Beschwerde annimmt, sie halte folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Ist der Erbe eines Bodenreformeigentümers, dem zu Lebzeiten sein Bodenreformeigentum entzogen wurde und der vor In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6. März 1990 verstorben ist, Rechtsnachfolger im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG?
Ist – falls man die Frage 1 verneint – dennoch das Eigentum an den Erben des Neubauern zurückzuübertragen, wenn in einem bestandskräftigen verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsbescheid die Entziehung der Neubauernstelle für rechtsstaatwidrig erklärt wird?
Beide Fragen lassen sich aufgrund der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten.
Zur ersten Frage hat das Bundesverwaltungsgericht in Bestätigung seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. u.a. Beschluss vom 20. Mai 2003 – BVerwG 8 B 36.03 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 73) zuletzt in seinem Urteil vom 24. Juni 2004 (BVerwG 7 C 21.03 – zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen) folgendes ausgeführt:
“Der Erbe eines Bodenreformeigentümers ist danach kein Rechtsnachfolger im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG hinsichtlich solcher Grundstücke aus der Bodenreform, die schon zu Lebzeiten des Bodenreformeigentümers in Eigentum des Volkes übergegangen waren. Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei nicht entscheidend darauf abgestellt, ob das Bodenreformeigentum mit dem Tod des Erblassers in den Nachlass oder unmittelbar in den Bodenfonds gefallen ist. Das Eigentum an Bodenreformgrundstücken konnte zwar auf den Erben des Bodenreformeigentümers übergehen. Dessen Eigentumserwerb vollzog sich aber nicht allein nach den Bestimmungen des bürgerlichen Erbrechts. Diese Bestimmungen wurden vielmehr durch die Vorschriften der Besitzwechselverordnungen überlagert. Danach setzte der Eigentumserwerb des Erben die (erneute) staatliche Übertragung des Bodenreformgrundstücks an ihn persönlich voraus. Dem Erben wuchs das Eigentum an einem Bodenreformgrundstück mithin bei Eintritt des Erbfalls nur belastet mit einer Pflicht zur Rückgabe an den Bodenfonds zu. Erst mit der staatlichen Übertragung trat der Erbe des Neubauern in dessen Rechtsposition als Bodenreformeigentümer ein. Bis zu dieser Entscheidung des Staates hatte der Erbe (oder bei mehreren Erben einer von ihnen) lediglich die tatsächliche Aussicht oder bestenfalls einen Rechtsanspruch auf Erwerb des Eigentums an dem Bodenreformgrundstück. Die Chance, kraft staatlicher Genehmigung als Erbe eines Neubauern in dessen Rechtsposition als Bodenreformeigentümer einzutreten, zählt indes ebenso wenig zu den in § 2 Abs. 2 VermG genannten Vermögenswerten wie ein möglicher Übertragungsanspruch.
Mit In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6. März 1990 (GBl I S. 134) ist diese Überlagerung der bürgerlich-rechtlichen Erbregelungen durch öffentlich-rechtliche Entscheidungen zwar entfallen. War aber das Grundstück zuvor in das Eigentum des Volkes überführt worden, wie dies hier der Fall ist, kam das Gesetz vom 6. März 1990 dem ursprünglichen Bodenreformeigentümer und dessen Erben nicht mehr zugute. Das Gesetz vom 6. März 1990 begünstigte nur solche natürlichen Personen, die als Eigentümer von Bodenreformgrundstücken im Grundbuch eingetragen waren (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2000 – BVerwG 7 C 91.99 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 49).
Hiermit stimmt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Ergebnis überein. Der Bundesgerichtshof nimmt an, mit dem Tod eines Begünstigten aus der Bodenreform seien seine Erben Eigentümer der dem Begünstigten aus der Bodenreform zugewiesenen Grundstücke geworden (Urteil vom 17. Dezember 1998 – V ZR 200/97 – BGHZ 140, 223). Der Bundesgerichtshof hebt ebenfalls hervor, das kraft erbrechtlicher Nachfolge erworbene Eigentum habe öffentlich-rechtlichen Bindungen unterlegen. Die Rechtsstellung der Erben habe sich tatsächlich in der Aussicht eines von ihnen erschöpft, das Eigentum an den Bodenreformgrundstücken durch einen Verwaltungsakt übertragen zu erhalten oder aufgrund eines solchen Verwaltungsakts behalten zu können.”
Auch die Beantwortung der zweiten Frage ergibt sich aus diesem Urteil: Danach haben die Verwaltungsgerichte in Fällen wie dem vorliegenden ohne Bindung an den Rehabilitierungsbescheid selbst zu entscheiden, ob ein Kläger Rechtsnachfolger seines vor 1990 verstorbenen Erblassers ist. Zwar hindert die Bindungswirkung eines Rehabilitierungsbescheids grundsätzlich, im nachfolgenden Restitutionsverfahren die Rückübertragung des entzogenen Vermögenswertes mit der Begründung abzulehnen, eine Rechtsnachfolge scheide schon dem Grunde nach aus. Jedoch ist diese Bindungswirkung zu Gunsten solcher Verfügungsberechtigter eingeschränkt, denen die Möglichkeit genommen war, den Rehabilitierungsbescheid mit Einwendungen gegen die Berechtigung des Antragstellers anzufechten. Machen diese im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend, dass ein Erbe eines Neubauern nicht Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG ist, ist vom Verwaltungsgericht – insoweit ohne Bindung an den Rehabilitierungsbescheid – zu prüfen, ob dies zutrifft.
Diese Rechtsprechung kommt auch den Beigeladenen zugute, obwohl die Beigeladene zu 2 die Bestandskraft des Rehabilitierungsbescheides durch die Rücknahme ihrer dagegen gerichteten Klage selbst herbeigeführt hat; denn dies geschah mit Rücksicht darauf, dass der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts solchen Rechtsbehelfen die Klagebefugnis abspricht (Urteil vom 14. Juni 2001, a.a.O.), so dass es für die Beigeladenen von vornherein aussichtslos und daher unzumutbar war, ein solches Klageverfahren durchzuführen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG n.F.
Unterschriften
Sailer, Kley, Krauß
Fundstellen