Entscheidungsstichwort (Thema)
Stellplätze. Drittschutz. Nachbarschutz. Wohnbereich. Gewerbegebiet. Rücksichtnahme. Zumutbarkeit. Vereinigungsbaulast. Landesrecht. Spezialgesetz. Revisionsbegründung
Leitsatz (amtlich)
Bauordnungsrechtliche Vorschriften über die Anordnung von Stellplätzen (hier: § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO) können die Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nicht spezialgesetzlich ausschließen.
Der in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots angelegte Drittschutz des Nachbarn besteht grundsätzlich auch gegenüber Anlagen auf Grundstücken, die mit dem Grundstück des Nachbarn durch eine landesrechtliche Vereinigungsbaulast zusammengeschlossen sind.
Normenkette
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2; NBauO § 4 Abs. 1 S. 2, § 46 Abs. 1 S. 2, § 92; VwGO § 139 Abs. 3 S. 4
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 02.07.1999; Aktenzeichen 1 L 5277/96) |
VG Hannover (Entscheidung vom 20.06.1996; Aktenzeichen 4 A 4499/95) |
Tenor
Die Revision der Kläger zu 2 und zu 3 gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kläger zu 2 und zu 3 tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich gegen einen Bauvorbescheid und eine Baugenehmigung, die den Beigeladenen für ein Wohn- und Geschäftshaus erteilt worden sind.
Die Kläger zu 2 und 3 sind Eigentümer eines Reihenhauses, das mit seiner Nordseite an das Reihenhaus der im Revisionsverfahren nicht mehr beteiligten Klägerin zu 1 angrenzt. Beide Häuser wurden im Jahre 1980 als Einfamilienhäuser mit Büroräumen genehmigt. Das geplante dritte Reihenhaus nördlich anschließend wurde zunächst nicht gebaut. Die drei Grundstücke bilden die westliche Hälfte eines ursprünglich etwa 2000 qm großen Grundstücks. Auf der östlichen Hälfte steht das Wohnhaus des Beigeladenen zu 2; ihm gehört gegenwärtig auch die für das dritte Reihenhaus vorgesehene Fläche. Die Grundstücke werden von Süden her über einen dem Beigeladenen zu 2 gehörenden Privatweg erschlossen.
Die Grundstücke der Beteiligten sind im Jahre 1980 infolge einer Teilung des früheren Gesamtgrundstücks durch die Rechtsvorgänger der Beteiligten entstanden. Gebildet wurden die drei Reihenhausgrundstücke sowie ein Grundstück für einen Garagenhof und drei Garagengrundstücke im Süden auf der westlichen Seite und das Wohngrundstück der Beigeladenen auf der Ostseite. Gleichzeitig bestellten die damaligen Eigentümer eine Vereinigungsbaulast, nach der alle baulichen Anlagen auf den neu gebildeten Flurstücken so ausgeführt werden, als wären die Grundstücke ein Baugrundstück im Sinne des § 4 Abs. 1 NBauO. Zugleich bestellten sie ein Wegerecht am östlichen Rand der Grundstücke der Kläger, um die Zufahrt zu dem dritten neu geschaffenen Grundstück zu sichern.
Die Grundstücke der Beteiligten liegen im Geltungsbereich des im Jahre 1972 aufgestellten und 1976 geänderten Bebauungsplans „Gewerbegebiet Südwest” der Beklagten. Er setzt ein Gewerbegebiet fest, und zwar für den hier interessierenden Geländestreifen mit dem Zusatz „beschränkt gemäß § 8 Abs. 4 BauNVO auf Betriebe und Anlagen, die nur im Mischgebiet, § 6 BauNVO, zugelassen sind”. In dem südlich anschließenden Gelände stehen ausschließlich zu reinen Wohnzwecken genutzte Gebäude.
Im Jahre 1992 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen zu 2 einen Bauvorbescheid für den „Neubau eines Wohnhauses” auf dem dritten Grundstück; die Bauvoranfrage ist auf die Genehmigung eines „zweigeschossigen Reihenendhauses” mit gewerblicher Nutzung und einer Wohnung gerichtet. Später erteilte sie dem Beigeladenen zu 1 eine Baugenehmigung für ein „Wohn- und Geschäftshaus” mit etwa 200 qm Büroflächen und 100 qm Wohnfläche. Genehmigt sind auch eine Garage und sechs Einstellplätze, die über die durch das Wegerecht gesicherte Zufahrt an den beiden Wohnhäusern der Kläger vorbei angefahren werden. Gegen beide Genehmigungen wenden sich die Kläger.
Die Klage blieb im ersten und im zweiten Rechtszug erfolglos. Das Berufungsgericht führt aus, die Kläger könnten sich weder auf die bauordnungsrechtlichen Grenzabstandsvorschriften noch auf die Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO über die Anordnung von Stellplätzen berufen. Denn nachbarliche Abwehransprüche auf der Grundlage dieser Vorschriften würden durch die Vereinigungsbaulast ausgeschlossen. Das Vorhaben verstoße auch nicht gegen Bauplanungsrecht. § 15 Abs. 1 BauNVO sei hinsichtlich der Einstellplätze nicht anzuwenden, weil § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO spezialgesetzlich regele, an welcher Stelle des Baugrundstücks ggf. wie viele Einstellplätze ohne Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme angelegt werden dürften. § 12 Abs. 2 BauNVO sei schon deshalb nicht anzuwenden, weil der Bebauungsplan jedenfalls in dem hier interessierenden Gebiet nicht funktionslos geworden sei. Die genehmigte Büronutzung sei mit § 15 Abs. 1 BauNVO vereinbar. Von dem genehmigten Gebäude gehe auch keine erdrückende Wirkung aus. Es sei durch das Wegerecht ausreichend erschlossen, so dass die Kläger nicht etwa zur Duldung eines Notwegerechts verpflichtet würden.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehren die Kläger zu 2 und 3 weiterhin die Aufhebung des Bauvorbescheids und der Baugenehmigung, die die Beklagte den Beigeladenen erteilt hat. Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht; die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
A. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten genügt die Revisionsbegründung den Anforderungen des § 139 Abs. 4 VwGO. Zwar trifft es zu, dass die Begründung der Revision zum Teil aus der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unverändert übernommen worden ist. Gleichwohl kann nicht zweifelhaft sein, dass die Revision jedenfalls geltend macht, das Berufungsurteil verletze § 15 Abs. 1 BauNVO, weil es das in dieser Vorschrift verankerte Rücksichtnahmegebot wegen der landesrechtlichen Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO im Hinblick auf die Anordnung von Stellplätzen für nicht anwendbar halte. Für die Darlegung einer Verletzung des materiellen Rechts gemäß § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO reicht dieser Vortrag aus.
B.1. Das Berufungsgericht legt im Einzelnen dar, dass Nachbarrechte der Kläger aus den Festsetzungen des Bebauungsplans „Gewerbegebiet Südwest” durch das genehmigte Wohn- und Bürogebäude der Beigeladenen nicht verletzt werden und dass das Gebäude selbst auch hinsichtlich seiner Art und Größe mit § 15 Abs. 1 BauNVO vereinbar ist. Es führt weiter aus, dass die Kläger den Zu- und Abgangsverkehr zu dem Gebäude der Beigeladenen über ihr Grundstück wegen des durch Grunddienstbarkeit gesicherten Wegerechts dulden müssten; das Vorhaben sei durch das Wegerecht ausreichend erschlossen, so dass die Genehmigung nicht etwa dazu führe, dass die Kläger ein Notwegerecht der Beigeladenen hinnehmen müssten. Diese Ausführungen überzeugen; die Kläger haben sie im Revisionsverfahren hingenommen.
2. Im Mittelpunkt des Revisionsvortrags stehen die neben dem Wohn- und Bürogebäude zugelassenen sieben Stellplätze. Die Kläger wenden sich gegen sie, weil sie befürchten, durch den Fahrzeugverkehr in den rückwärtigen Wohnbereich hinein unzumutbar in ihrer Wohnruhe beeinträchtigt zu werden.
Insoweit ergibt sich aus dem Berufungsurteil, dass nach § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO Einstellplätze so angeordnet und beschaffen sein müssen, dass ihre Benutzung nicht zu unzumutbaren Belästigungen für die Nachbarschaft führt. Das Berufungsgericht führt jedoch weiter aus, dass die Kläger im vorliegenden Verfahren Lage und Zahl der Einstellplätze nicht mit Erfolg rügen könnten. Denn ihr Grundstück sei mit dem Baugrundstück der Beigeladenen durch eine Vereinigungsbaulast gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2, § 92 NBauO zu einem Baugrundstück im Sinne der Niedersächsischen Bauordnung zusammengeschlossen. Das hindere die Geltendmachung von nachbarlichen Abwehransprüchen aus § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO. Diese Ausführungen beruhen auf der Auslegung des irreversiblen niedersächsischen Landesrechts. An sie ist das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 1, § 173 VwGO, § 562 ZPO gebunden.
Das Berufungsgericht führt jedoch weiter aus, § 15 Abs. 1 BauNVO sei hinsichtlich der Einstellplätze nicht anzuwenden, weil § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO spezialgesetzlich regele, an welcher Stelle des Baugrundstücks ggf. wie viel Einstellplätze ohne Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme angelegt werden dürfen. Die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung, dass die Frage, ob von Stellplätzen einschließlich ihrer Zufahrten unzumutbare Belästigungen oder Störungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ausgehen könnten, allein nach § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO zu beurteilen sei, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
Die Annahme eines lex-specialis-Verhältnisses zwischen den Regelungen des § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO und des § 15 Abs. 1 BauNVO verbietet sich schon wegen ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Rechtsgebieten mit unterschiedlicher Zweckrichtung und unterschiedlicher Gesetzgebungskompetenz (vgl. dazu BVerfGE 3, 407 ff.). Die landesrechtliche Vorschrift des § 46 NBauO gehört zum Bauordnungsrecht. Sie stellt aus baupolizeilicher Sicht, insbesondere zur Gefahrenabwehr, Anforderungen an Garagen und andere Stellplätze. Dagegen ist § 15 BauNVO eine bundesrechtliche Norm des Bodenrechts. Sie regelt aus städtebaulicher Sicht allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen; der Akzent liegt hier auf der Vereinbarkeit der baulichen Anlage mit dem jeweiligen Gebietscharakter. Soweit beide Vorschriften gebieten, dass von Stellplätzen keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft ausgehen dürfen, stimmen sie zwar im Ergebnis regelmäßig überein. In diesem Sinne – aber auch nur im Hinblick auf das Ergebnis der Prüfung im konkreten Einzelfall, also aus tatsächlichen Gründen – hat der Senat formuliert, dass für die Anwendung des Rücksichtnahmegebots aus § 15 Abs. 1 BauNVO insoweit kein Raum sei, wie die durch dieses Gebot geschützten Belange auch durch spezielle bauordnungsrechtliche Vorschriften geschützt werden und das konkrete Vorhaben deren Anforderungen genügt (BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1985 – BVerwG 4 CB 49 und 50.85 – ZfBR 1986, 86 – NVwZ 1986, 468; Urteil vom 15. September 1993 – BVerwG 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151 ≪160≫). Spezialgesetzlich ausgeschlossen durch § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO oder eine andere bauordnungsrechtliche Vorschrift wird § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO dagegen nicht.
Die Annahme, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO werde durch landesrechtliche Vorschriften verdrängt, wäre auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil sie zu unterschiedlichem Bundesrecht in den einzelnen Bundesländern führen würde. Wenn nämlich die landesrechtlichen Vorschriften über Stellplätze die Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ausschließen könnten, würde die Reichweite dieser bundesrechtlichen Norm vom jeweiligen Inhalt der Bauordnungen der Bundesländer abhängen. Im Allgemeinen mögen sich zwar keine erheblichen Unterschiede zwischen den Stellplatzvorschriften der Länder feststellen lassen. Der vorliegende Fall verdeutlicht jedoch exemplarisch, dass im Einzelfall sogar gravierende Unterschiede möglich sind. Nach der Rechtsauffassung des für die Auslegung der Niedersächsischen Bauordnung letztinstanzlich zuständigen Berufungsgerichts vermittelt nämlich die niedersächsische Stellplatzvorschrift ausnahmsweise dann keinen Drittschutz, wenn die betroffenen Grundstücke durch eine Baulast nach niedersächsischem Recht mit einander verbunden sind. Würde § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO durch § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO verdrängt, so würde beim Vorliegen einer Vereinigungsbaulast auch der Nachbarschutz aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO vollständig entfallen, obwohl der bauplanungsrechtliche Grundstücksbegriff durch landesrechtliche Baulasten nicht verändert werden kann (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1991 – BVerwG 4 C 51.87 – BVerwGE 88, 24). Zumindest hinsichtlich seiner drittschützenden Wirkung würde die bundesrechtliche Vorschrift des § 15 BauNVO in den verschiedenen Bundesländern nach Maßgabe des Landesrechts auch in tatsächlicher Hinsicht ganz unterschiedlich angewendet werden müssen. Eine solche Modifikation des Bundesrechts durch das Landesrecht ist unzulässig (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 3. Mai 1988 – BVerwG 4 C 54.85 – ZfBR 1988, 283, zum bundes- und landesrechtlichen Begriff der gesicherten Erschließung).
3. Indem das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob die Genehmigung für die sieben Stellplätze zum Vorhaben der Beigeladenen mit dem drittschützenden Rücksichtnahmegebot in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO vereinbar sind, hat es Bundesrecht verletzt. Gleichwohl ist seine Entscheidung nicht aufzuheben, weil sie sich im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig erweist.
Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass die Kläger – bzw. ihre Rechtsvorgänger – durch die Übernahme der Baulast auf Abwehrrechte aus § 15 Abs. 1 BauNVO verzichtet hätten, wie die Beklagte meint. Zwar verbietet es Bundesrecht nicht, dass sich der Eigentümer durch die Übernahme einer Baulast hinsichtlich der bebauungsrechtlich zulässigen Nutzung seines Grundstücks enger bindet, als ihn die Bauaufsichtsbehörde einseitig binden könnte (Beschluss des Senats vom 12. November 1987 – BVerwG 4 B 216.87 – Buchholz 406.17 Nr. 24). Das Berufungsgericht hat aber nicht festgestellt, dass die Vereinigungsbaulast der Beteiligten auch einen Verzicht auf nachbarliche Abwehrrechte des Bundesrechts enthält. Ob die Vereinigungsbaulast auch ohne besondere Vereinbarung zu einer weitergehenden Beschränkung der Nachbarrechte führt, ist zunächst eine Frage des Landesrechts. Insoweit ist das Berufungsgericht jedoch keineswegs der Auffassung, dass der Nachbar durch die Einräumung einer Vereinigungsbaulast seine Rechtsstellung als Nachbar im Sinne des öffentlichen Baurechts insgesamt verliert (OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. August 1996 – 1 M 3898/96 – NVwZ-RR 1998, 12); nach seiner Auffassung kann er sich nur nicht auf die Grenzabstandsvorschriften sowie auf § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO berufen.
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ermöglichen aber die Beurteilung, dass die streitigen Stellplätze mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO vereinbar sind.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Die Vorschrift gilt auch für die in § 12 BauNVO genannten Stellplätze und Garagen. Sie sind vor allem dann unzulässig, wenn ihre Nutzung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft führt. Dabei kommt der Zufahrt eine besondere Bedeutung zu, weil – jedenfalls bei Wohnbebauung – der Zu- und Abgangsverkehr die Nachbarschaft regelmäßig am stärksten belastet. Demgemäß begegnen Garagen und Stellplätze in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern oft rechtlichen Bedenken (vgl. Sarnighausen NVwZ 1996, 7 ≪9≫, mit Rechtsprechungshinweisen zu § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO und den entsprechenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften anderer Bundesländer). Ob sie im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbar sind, richtet sich gleichwohl nach der Eigenart des Baugebiets. Eine generelle, für alle Standorte von Stellplätzen im rückwärtigen (Wohn-)Bereich geltende Beurteilung ist nicht möglich; sie hängt immer von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.
Im vorliegenden Fall wird die Zumutbarkeitsgrenze des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO durch die genehmigte Einzelgarage und die weiteren sechs Einstellplätze nicht überschritten. Die Zufahrt zu den insgesamt sieben Stellplätzen führt zwar am Hause der Kläger zu 2 und zu 3 vorbei durch einen Bereich, in dem faktisch nur gewohnt wird. Das Maß des Zumutbaren richtet sich in einem Plangebiet jedoch nicht nur nach der tatsächlichen Nutzung, sondern vor allem nach den Festsetzungen im Bebauungsplan. Nach der Würdigung des Berufungsgerichts war die Festsetzung als eingeschränktes Gewerbegebiet zumindest in dem für die Nachbarklage maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung des Bauvorbescheids in dem gesamten Bereich nördlich der (verlängerten) Straße Fiernhagen – einschließlich des Grundstücks der Kläger – noch geltendes Recht; erst „südlich des Knies der Straße Fiernhagen” (BU S. 12) sei die Gewerbegebietsfestsetzung funktionslos geworden. Das Vertrauen, dass die im Bebauungsplan festgesetzte mischgebietstypische Nutzung auf dem unbebauten Grundstück der Beigeladenen verwirklicht werden dürfe, war nach der Beurteilung des Berufungsgerichts noch schutzwürdig, weil auf mehreren nördlichen Nachbargrundstücken noch eine gewerbliche Nutzung ausgeübt worden sei. Von diesen Feststellungen, die die Revision nicht angegriffen hat, muss der Senat ausgehen (§ 137 Abs. 2 VwGO). Die Kläger können ferner auch deshalb nicht den für ein reines Wohngebiet geltenden Schutz beanspruchen, weil auch ihr Haus nur unter Berücksichtigung der Planfestsetzung „eingeschränktes Gewerbegebiet” für Wohn- und Bürozwecke genehmigt worden ist. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Mehrzahl der Stellplätze für die Büros im Neubau der Beigeladenen bestimmt ist; Büros werden aber im Regelfall nur während der üblichen Bürozeiten genutzt werden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Zu- und Abgangsverkehr zum Haus der Beigeladenen die Wohnruhe der Kläger beeinträchtigen wird. Die hier zu erwartenden Belästigungen müssen jedoch in einem (eingeschränkten) Gewerbegebiet noch hingenommen werden.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Gaentzsch, Lemmel, Halama, Rojahn, Jannasch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 07.12.2000 durch Kurowski Angestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen