Verfahrensgang

VG Cottbus (Aktenzeichen 1 K 156/99)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 11. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 530 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

1. Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu. Grundsätzlich bedeutsam in diesem Sinne ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Diese Voraussetzungen hat die Beschwerde nicht aufgezeigt. Die von ihr aufgeworfenen Fragen, wann ein Vermögensentzug in sonstiger Weise im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG bei einer konkreten Vermögensgefährdung vorliege und unter welchen Voraussetzungen eine Vermögensgefährdung in eine rückerstattungsrelevante Vermögensentziehung umschlage, rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass sich die Fälle des § 1 Abs. 6 VermG – was die Beurteilung des Vermögensverlustes anbelangt – nicht wesentlich von den übrigen Schädigungsfällen des § 1 VermG unterscheiden und unter Vermögensverlusten im Sinne dieser Vorschrift deshalb jedenfalls der faktische Entzug von Vermögenswerten zu verstehen ist (Beschluss vom 17. Januar 1997 – BVerwG 7 B 298.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 100 S. 304 ≪305≫). Für die Annahme dieser Tatbestandsvoraussetzung genügt es deshalb, dass der frühere Vermögensinhaber durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist (Beschluss vom 17. Januar 1997, a.a.O., m.w.N.); andererseits setzt die Annahme eines Vermögensverlustes voraus, dass der Betroffene nicht lediglich in seinen Eigentumsrechten beschränkt, sondern – wie das Bundesverwaltungsgericht mehrfach formuliert hat – „aus seinem Eigentum verdrängt worden ist”. Mit dieser ständigen Rechtsprechung ist zugleich die Feststellung verbunden, dass eine bloße Vermögensgefährdung für § 1 Abs. 6 VermG nicht genügt. Wann schließlich eine Vermögensgefährdung in eine endgültige Verdrängung aus dem Eigentum und damit in einen Vermögensverlust umschlägt, entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Beschreibung und ist deshalb als Einzelfallfrage nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Das Gleiche gilt für die weitere Frage, inwieweit der Beweis des ersten Anscheins zugunsten des Klägers im vorliegenden Fall angewandt werden müsse. Soweit die Voraussetzungen der Anscheinsbeweisführung und deren Anforderungen abstrakt im Hinblick auf die Besonderheiten des Vermögensrechts umrissen werden können, hat das Bundesverwaltungsgericht dies bereits in mehreren Entscheidungen im Einzelnen dargelegt (vgl. Urteile vom 24. August 1999 – BVerwG 8 C 24.98 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 305 und vom 29. September 1999 – BVerwG 8 C 8.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 4). Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht ausgegangen. Ob im vorliegenden Fall ein danach erforderlicher typischer Geschehensablauf vorlag und ob gegebenenfalls der daraus begründete Anschein durch konkrete Umstände des Einzelfalls erschüttert worden ist, hängt allein von der Würdigung des konkreten Sachverhalts ab und entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Beurteilung.

2. Die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift ebenfalls nicht durch.

Soweit die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorwirft, es habe seiner Entscheidung bei der von ihm verneinten Vermögensentziehung einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt und hätte bei richtiger Beurteilung der seinerzeitigen Rechtslage die damalige Gestapo-Aktion als Beschlagnahme des Guts ansehen müssen, geht das Beschwerdevorbringen schon deshalb fehl, weil das Verwaltungsgericht von seiner maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung aus die damalige Rechtslage – die es im Übrigen erkennbar nicht missverstanden hat – letztlich nicht für entscheidungserheblich angesehen hat. Denn das Verwaltungsgericht hat als Voraussetzung für die Annahme des § 1 Abs. 6 VermG eine dauerhafte Umsetzung und nicht nur die – von ihm unterstellte – Anordnung einer Beschlagnahme und zwar des Gutes, nicht bloß einzelner Gegenstände verlangt (UA S. 12 ff., 16). In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit diesem Vorwurf gegen die ihrer Ansicht nach unrichtige materiellrechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht.

Die Beschwerde bleibt auch insoweit erfolglos, als sie als Verfahrensfehler die vermeintlich mangelhafte Bewertung des Gutachtens Dr. T. durch das Verwaltungsgericht rügt. Die Beschwerde wendet sich insoweit allein gegen die Einstufung der Gestapo-Maßnahmen durch das Verwaltungsgericht als „wilde Aktion”, während der Sachverständige diese Maßnahmen als „geordnete Vermögensentziehung” angesehen habe. Das Verwaltungsgericht mußte jedoch insoweit kein weiteres Sachverständigengutachten einholen; denn diese Qualifizierung der Gestapo-Aktion war ersichtlich nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr insoweit seine Entscheidung auf eine zusätzliche, selbständige Begründung gestützt (vgl. UA S. 16: „unabhängig davon …”) und die Annahme einer endgültigen Entziehung des Gutes selbst bei einer (unterstellten) „dauerhaften Entziehung von Geld und beweglichen Wertgegenständen zugunsten des Staates” mit einer weiteren Begründung abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht musste auch nicht weiter erforschen, ob ein typischer Geschehensablauf im Sinne einer Anscheinsbeweislage vorlag und zugunsten des Klägers eingriff. Das Verwaltungsgericht hat die Anscheinsbeweisführung zugunsten des Klägers deshalb unterlassen, weil auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalls ein (unterstellter) typischer Geschehensablauf und die daraus resultierende Vermutung jedenfalls erschüttert worden sei. Unter diesen Umständen musste es entgegen der Auffassung der Beschwerde kein historisches Gutachten einholen.

Der Senat bemerkt abschließend, dass die von dem Kläger mit seinem bei dem Verwaltungsgericht anhängigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 153 VwGO vorgetragenen und belegten neuen Tatsachen nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens waren. Eine auf die Verletzung von § 86 Abs. 1 oder § 108 Abs. 1 VwGO gestützte Verfahrensrüge – bei der die Berücksichtigung der durch die nachträglich aufgefundenen Urkunden belegten neuen Tatsachen allenfalls hätte in Betracht kommen können – hat der Kläger nicht erhoben; einer abschließenden Entscheidung dieser Frage bedarf es deshalb nicht (vgl. a. Beschluss vom 7. Juli 1999 – BVerwG 8 B 66.99 – Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 32; zur ausnahmsweisen Berücksichtigungsfähigkeit im Revisionsverfahren vgl. Urteil vom 20. Oktober 1992 – BVerwG 9 C 77.91 – BVerwGE 91, 104 ≪107≫ m.w.N.). Das Verwaltungsgericht wird zu prüfen haben, ob insoweit die Voraussetzungen einer Wiederaufnahmeklage vorliegen und ob auch nach Würdigung der neuen Belege seine bisherige Annahme aufrechterhalten werden kann, dass ein Vermögensverlust gemäß § 1 Abs. 6 VermG ausscheide bzw. die Restitution des Gutes gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausgeschlossen sei.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Sailer, Krauß

 

Fundstellen

Dokument-Index HI642621

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