Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 8 C 12071/00)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragssteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt diese selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Vorbringen ergibt nicht, dass die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 VwGO erfüllt sind.

1. Die von der Beschwerde vorgetragenen Fragen, denen sie grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO beimisst, rechtfertigen keine Zulassung der Revision. Im Einzelnen ergibt sich:

1.1 Ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot liegt nicht bereits vor, wenn aus Anlass eines Bauantrags ein Bebauungsplan geändert wird. Ein Bauantrag kann geradezu Anlass sein, einen Bebauungsplan aufzustellen oder einen vorhandenen zu ändern. Das ist dann nahe liegend, wenn das Vorhaben nach zunächst bestehender Rechtslage nicht durchführbar und eine Ausnahme oder Befreiung gemäß § 31 BauGB nicht möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 – BVerwG 4 NB 8.90 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 47 = DVBl 1991, 445; Beschluss vom 23. Juni 1992 – BVerwG 4 B 55.92 – NVwZ-RR 1993, 456; Beschluss vom 24. August 1993 – BVerwG 4 NB 12.93 – ZfBR 1994, 100). Maßgebend ist, ob die Bauleitplanung ein Ziel verfolgt, das den in § 1 BauGB niedergelegten Zwecken gerecht wird. Dazu zählt vor allem eine Planung, welche für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich ist. Daran fehlt es etwa dann, wenn die Planung nur im privaten Interesse eines bestimmten Grundstückseigentümers vorgenommen wird, um diesem etwa einen wirtschaftlichen Vorteil zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 – BVerwG 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 ≪305 f.≫; Beschluss vom vom 24. August 1993 – BVerwG 4 NB 12.93 – ZfBR 1994, 100).

Das gilt auch, wenn die Bauleitplanung die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen abändern will. Ob die entsprechenden Rechtsvorschriften unter dem Vorbehalt der Abänderbarkeit durch das Bauplanungsrecht stehen, entscheidet das Landesrecht. Im Allgemeinen ist dies nach den Landesbauordnungen der Fall. Das Normenkontrollgericht hat dies für die Landesbauordnung Rheinland-Pfalz ersichtlich angenommen. Es hat damit irrevisibles Landesrecht angewandt (vgl. § 137 Abs. 1, § 173 VwGO, § 562 ZPO). Für das bundesrechtliche Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB ergeben sich daraus keine klärungsbedürftigen Fragen.

1.2 Die Beschwerde wirft die Frage auf, ob eine Gemeinde bei der Änderung eines Bebauungsplanes im Bereich eines Sanierungsgebietes im Hinblick auf Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse zu konsequentem Handeln und Planen verpflichtet ist. Die so gestellte Frage ist – nimmt man sie wörtlich – ohne weiteres zu bejahen und aus diesem Grunde nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig.

Soweit die Beschwerde die zusätzliche Frage aufwirft, ob die Gemeinde dem Gebot konsequentem Handelns gerecht geworden ist, ist das Beschwerdevorbringen unzulässig. Mit ihrer Frage knüpft die Beschwerde in Wahrheit an tatsächliche Gesichtspunkte an, die das Normenkontrollgericht im angegriffenen Urteil so nicht festgestellt hat und die damit auch nicht abstrahierend zu einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung gemacht werden können. Die Beschwerde will mit ihrem Vorbringen der Sache nach im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde eine materiellrechtliche Sachprüfung erreichen. Das ist aufgrund der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten gesetzlichen Zulassungsgründe nicht möglich.

1.3 Das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot unterliegt im Hinblick auf ein förmlich festgelegtes Sanierungsgebiet keinen Besonderheiten, die eine zwingende planerische Vorgabe erkennen lassen. Die von der Beschwerde erstrebte allgemeine Aussage, der von einem Eigentümer gezahlte sanierungsrechtliche Ausgleichsbetrag sei stets als Belang in die bauplanerische Abwägung einzubeziehen, lässt sich jedenfalls nicht treffen. Ob ein bestimmtes Interesse von Grundstückseigentümern überhaupt und mit welchem Gewicht zu berücksichtigen ist, entscheidet sich nach Lage des Einzelfalls. Die von der Beschwerde erstrebte Klärung lässt sich daher in einem Revisionsverfahren nicht allgemein gültig erreichen. Insoweit fehlt der aufgeworfenen Frage die erforderliche Klärungsfähigkeit. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die Beschwerde mit ihrer Frage einen Sachverhalt als gegeben annimmt, den das Normenkontrollgericht überhaupt festgestellt hat.

1.4 Ein Bebauungsplan, der auf die Erhaltung eines historisch gewachsenen denkmalgeschützten oder (einfach) erhaltenswerten Ortsteils gerichtet ist, überschreitet den Rahmen städtebaulicher Zielsetzungen dann nicht, wenn er darauf zielt, die überkommene Nutzungsstruktur oder prägende Bestandteile des Orts- und Straßenbildes um ihrer städtebaulichen Qualität willen für die Zukunft festzuschreiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 – BVerwG 4 CN 4.00NVwZ 2001, 1043 = DVBl 2001, 1455). § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 BauGB bestimmt, dass der Denkmalschutz und die Denkmalpflege Belange sind, die bei der Aufstellung eines Bebauungsplans besonders zu berücksichtigen sind. Das gilt entsprechend § 2 Abs. 2 BauGB auch für eine Änderung eines vorhandenen Bebauungsplans.

Insoweit fehlt es nach dem Stand der angeführten Rechtsprechung an der Klärungsbedürftigkeit der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage, ob es dem Gebot rücksichtsvollen Planens entspricht, auf ein denkmalgeschütztes Gebäude Bedacht zu nehmen. Das entscheidet sich nach Lage des Einzelfalls. Der von der Beschwerde erneut betonte Zusammenhang mit dem Abstandsflächenrecht ergibt nichts anderes. Ist nach landesrechtlichem Bauordnungsrecht das gesetzliche Abstandsflächenrecht gegenüber der Bauleitplanung nur subsidiär, so hindert es eine (auch) auf denkmalschutzrechtlichen Gesichtspunkt gestützte Abwägung nicht.

1.5 § 23 Abs. 2 BauNVO eröffnet dem Ortsgesetzgeber die planerische Möglichkeit, eine Baulinie festzusetzen. Die von der Beschwerde verfolgte Annahme, dass hierfür „zwingende” städtebauliche Gründe vorzuliegen haben, trifft bereits nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 2 BauNVO nicht zu. Selbstverständlich bedarf jede bauplanerische Entscheidung einer städtebaulichen Zielsetzung. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 3 BauGB und muss für die hier im Streit stehende Bauleitplanung nicht erneut in einem Revisionsverfahren ausgesprochen werden. Maßgebend sind im Übrigen in jedem Einzelfall Sinn und Zweck der getroffenen Festsetzung. Unter welchen Voraussetzungen denkmalpflegerische Gründe die Festsetzung einer Baulinie rechtfertigen können, ist wiederum eine Frage des Einzelfalls und entzieht sich demgemäß einer grundsätzlichen Beantwortung. Das gilt auch, soweit die Beschwerde auf die Festsetzung von Vollgeschossen verweist.

Die Beschwerde stützt ihre gegenteilige Auffassung auf eine Kommentierung zu § 23 BauNVO bei Fickert/Fieseler (BauNVO, 9. Aufl. 1998, Rn. 12.2). Aus der angegebenen Kommentarstelle ergibt sich nichts zugunsten der Beschwerde. Der Bundesgesetzgeber betonte in der ursprünglichen Fassung des § 9 Abs. 1 BBauG, dass der Bebauungsplan Festsetzungen trifft, „soweit es erforderlich ist”. Darauf bezieht sich die unverändert gebliebene Kommentierung. Der Gesetzgeber hat die Fassung in § 9 Abs. 1 BauGB geändert. Die Festsetzungen müssen städtebaulich motiviert sein. Das ist nach Ansicht des Gesetzgebers genügend und entspricht § 1 Abs. 3 BauGB. Mehr wird nicht verlangt. Der Verordnungsgeber der Baunutzungsverordnung bestimmt ausdrücklich, ob für eine Festsetzung „besondere städtebauliche Gründe” erforderlich sind (vgl. § 1 Abs. 9, § 17 Abs. 3 Satz 1 BauNVO 1990). Damit soll verdeutlicht werden, dass in diesem Falle reguläre städtebauliche Gründe für die beabsichtigte Festsetzung nicht ausreichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1993 – BVerwG 4 NB 13.93 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 16 zu § 1 Abs. 9 BauNVO, Urteil vom 25. November 1999 – BVerwG 4 CN 17.98 – Buchholz 406.12 § 17 BauNVO Nr. 8 = DVBl 2000, 800 zu § 17 Abs. 3 BauNVO). § 23 BauNVO enthält eine etwa § 1 Abs. 9 oder § 17 Abs. 3 Satz 1 BauNVO vergleichbare Regelung nicht. Demgemäß gelten insoweit die allgemeinen Anforderungen an eine zielorientierte planerische Festsetzung.

2. Die Beschwerde rügt als Verfahrensfehler die Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO. Sie hält dem Normenkontrollgericht vor, dieses habe seine Aufklärungspflicht verletzt. Ein Verfahrensmangel der von der Beschwerde bezeichneten Art besteht hingegen nicht. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel unterlassener Aufklärung ist nicht zulässig erhoben. Das Vorbringen genügt nicht der Darlegungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Die Beschwerde legt nicht substantiiert dar, hinsichtlich welcher konkreten tatsächlichen Umstände ein Aufklärungsbedarf bestand, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen konkreten Aufklärungsmaßnahmen für das vorinstanzliche Gericht hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung durch ein denkmalpflegerisches Gutachten eines Sachverständigen mutmaßlich getroffen worden wären und dass der anwaltlich vertretene Kläger bereits im Verfahren vor dem Normenkontrollgericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätte oder sich dem Gericht die näher zu bezeichnenden Ermittlungen auch ohne ein Hinwirken des anwaltlich vertretenen Prozessbeteiligten von sich aus hätten aufdrängen müssen. An alledem fehlt es.

Die Beschwerde trägt ferner nicht vor, dass die Einnahme des Augenscheins beantragt und zu Unrecht abgelehnt wurde. Die Beschwerde irrt zudem in ihrer Annahme, dass das Normenkontrollgericht eigene denkmalpflegerische Beurteilungen vorzunehmen hatte. Das vorinstanzliche Gericht hatte zu prüfen, ob die Antragsgegnerin bei der ihr nach § 1 Abs. 6 BauGB aufgegebenen Abwägung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen war und auf einer dementsprechenden Grundlage eine sachgerechte Gewichtung der zu berücksichtigen Belange vorgenommen hatte. Diese Beurteilung war dem Gericht anhand der vorliegenden Pläne und dem Vorbringen der Prozessbeteiligten auch ohne eine Ortsbesichtigung möglich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 4 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Paetow, Berkemann, Jannasch

 

Fundstellen

IBR 2002, 166

ZfBR 2002, 583

BRS-ID 2002, 10

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