Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 17.06.2021; Aktenzeichen 8 A 11565/20) |
VG Neustadt a.d. Weinstraße (Entscheidung vom 19.06.2020; Aktenzeichen 4 K 213/19.NW) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2021 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 13 750 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die in dem angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden kann, sofern dies über den Einzelfall hinaus zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts beiträgt (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91≫). Diese Voraussetzungen legt die Beschwerde nicht dar.
Rz. 3
Die inhaltlich aufeinander bezogenen Fragen,
Müssen informelle Planungsgrundlagen einer Gemeinde, mit denen städtebauliche Maßnahmen ernsthaft in Betracht gezogen werden und die der Rechtfertigung des Erlasses einer Vorkaufsrechtssatzung gestützt auf § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB (dienen,) vor der Verabschiedung der Vorkaufsrechtssatzung von der Gemeinde formell beschlossen werden?,
In welchem Verhältnis steht die Vorschrift des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB zu § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB?,
rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Die Fragen sind, wie auch die Kläger in Bezug auf die erste Frage nicht in Abrede stellen, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Einen weitergehenden oder erneuten Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Rz. 4
Eine auf § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB gestützte Vorkaufssatzung setzt voraus, dass die Gemeinde im Geltungsbereich der Satzung "städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht". Auf der Grundlage der jeweils weit zu verstehenden tatbestandlichen Merkmale verfolgt die Vorschrift den Zweck, durch eine an städtebaulichen Interessen orientierte Bodenvorratspolitik die Sicherung einer langfristig geordneten Planung und Entwicklung zu ermöglichen. Deswegen soll die Gemeinde bereits im frühen Stadium der Verwirklichung einer städtebaulichen Maßnahme Grundstücke, die zum Verkauf stehen, erwerben können. Die Regelung stellt an den Erlass einer Vorkaufssatzung daher grundsätzlich eher geringe Anforderungen. Der Begriff der städtebaulichen Maßnahme ist vom Gesetzgeber bewusst weit gefasst worden; solche Maßnahmen müssen einen städtebaulichen Bezug aufweisen und der Gemeinde dazu dienen, ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen. Eine durch eine Vorkaufssatzung zu sichernde städtebauliche Maßnahme wird aber erst im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB in Betracht gezogen, wenn ernsthafte Anhaltspunkte für die Absicht der Gemeinde gegeben sind, bestimmte Planungen umzusetzen. Die Planungsziele müssen in groben Zügen erkennbar sein. Einer förmlichen Konkretisierung der Planungsabsichten bedarf es aber nicht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 1994 - 4 B 70.94 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 2 S. 3, vom 8. September 2009 - 4 BN 38.09 - BauR 2010, 81 Rn. 4, vom 26. Januar 2010 - 4 B 43.09 - BauR 201o, 871 Rn. 9 und vom 30. September 2020 - 4 B 45.19 - ZfBR 2021, 66 Rn. 4).
Rz. 5
Eine Festlegung im Wege der Bauleitplanung ist demnach ebenso wenig erforderlich wie sonstige formalisierte Äußerungen des Satzungsgebers im Sinne einer kommunalen Entwicklungsplanung. Auch aus § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB folgt nicht, dass es der vorherigen Verabschiedung eines städtebaulichen Entwicklungskonzepts bedürfte. Der Regelungszweck des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB steht einer solchen Annahme entgegen. Diese Bestimmung soll eine Verbindung zwischen den städtebaulichen Entwicklungskonzepten und sonstigen städtebaulichen Planungen mit der Bauleitplanung herstellen und insbesondere deren Umsetzung durch Bauleitpläne unterstützen. Eine Verpflichtung zur Aufstellung solcher Pläne enthält § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB jedoch nicht (vergleiche Söfker/Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 1 Rn. 173). Eine solche Pflicht kann dann aber ebenso wenig gelten, wenn die Gemeinde etwa im Vorfeld einer Bauleitplanung von den Möglichkeiten des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB Gebrauch machen will.
Rz. 6
Entgegen der von den Klägern der Sache nach vorgebrachten Zweifel genügt der unbestimmte Rechtsbegriff des "In-Betracht-Ziehens" in der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen Auslegung verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie widerspricht weder dem allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot noch aus Art. 14 GG fließenden Erfordernissen. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Norm mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für ihre Auslegung und Anwendung bietet, so eine Entscheidung nach objektiven Kriterien ermöglicht und damit eine willkürliche Handhabung durch Behörden und Gerichte ausschließt (vgl. nur BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. September 2017 - 1 BvR 1657/17 - juris Rn. 10; BVerwG, Beschlüsse vom 10. April 2000 - 11 B 61.99 - juris Rn. 10 und vom 1. Dezember 2009 - 4 B 37.09 - ZfBR 2010, 160 ≪160 f.≫). Es ist in keiner Weise dargetan, dass die Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB insoweit unzureichend sein könnte.
Rz. 7
2. Die Revision ist nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen.
Rz. 8
Ein Verfahrensmangel ist im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14). Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen unbedingten Beweisantrag oder jedenfalls eine sonstige Beweisanregung hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 23 m.w.N. und Urteil vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 29). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Rz. 9
Die Kläger tragen in ihrer Beschwerdebegründung vor, dem Oberverwaltungsgericht hätte sich eine Sachaufklärung zu der Frage aufdrängen müssen, ob der Ortsbürgermeister die Satzung ordnungsgemäß erst nach dem Satzungsbeschluss ausgefertigt habe. Zweifel ergäben sich daraus, dass die Satzung am 4. Juni 2018 beschlossen worden sei und die Ausfertigung dasselbe Datum trage. Dies sei ein Indiz dafür, dass die Reihenfolge nicht gewahrt und die Satzung "vorratsmäßig vorausgefertigt" worden sei. Zur Begründung nehmen die Kläger Bezug auf den Beschluss des Senats vom 27. Januar 1999 - 4 B 129.98 - (Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 94). Dieser Verweis geht fehl. Denn dort verhält sich das Bundesverwaltungsgericht zur Reihenfolge von Ausfertigung und Bekanntmachung. Letztere bildet den Schlusspunkt des Rechtssetzungsvorgangs. Rechtliche Verbindlichkeit kann die Satzung damit nur erlangen, wenn sämtliche formellen Gültigkeitsbedingungen bis zu diesem Zeitpunkt, nämlich dem Bekanntmachungsakt, erfüllt worden sind. Dazu zählt die Ausfertigung, die die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen bescheinigt (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Mai 1996 - 4 B 60.96 - Buchholz 406.11 § 12 BauGB Nr. 21 sowie vom 4. März 2021 - 4 B 40.20 - juris Rn. 3). Bundesrecht schließt es nicht aus, dass eine Satzung an dem Tag, an dem sie ausgefertigt worden ist, noch bekannt gemacht wird. Die Übereinstimmung von Ausfertigungs- und Bekanntmachungsdatum kann jedoch ein Indiz dafür sein, dass die Reihenfolge nicht gewahrt ist. Denn aus tatsächlichen Gründen dürfte es, wenn es um die Bekanntmachung in einem Druckerzeugnis geht, wegen des technischen Vorlaufs nicht möglich sein, die Bekanntmachung nach Ausfertigung noch am selben Tag zu bewirken (BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1999 - 4 B 129.98 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 94 S. 3; siehe auch OVG Münster, Beschluss vom 27. Februar 2018 - 2 A 2253/16 - juris Rn. 17). Diese Überlegungen sind auf die Reihenfolge von Satzungsbeschluss und Ausfertigung aber nicht übertragbar. Insbesondere spricht entgegen dem Vorbringen der Kläger nichts dagegen, den Ausdruck der Reinschrift einer Satzung zur Sitzung des Gemeinderats mitzubringen und darauf den Ausfertigungsvermerk anzubringen, wenn die Satzung wie vorgeschlagen beschlossen worden ist.
Rz. 10
Die Ausführungen der Kläger in dem erst nach Ablauf der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingereichten Schriftsatz vom 1. Oktober 2021 sind unbeachtlich, weil damit nicht lediglich - wie zulässig - ein rechtzeitig geltend gemachter Zulassungsgrund näher erläutert und verdeutlicht wird (siehe dazu BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1995 - 8 B 44.95 - juris Rn. 10 [insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 2]). Unbeachtlich ist insoweit, dass die Kläger nunmehr auf das Datum der Bekanntmachungsanordnung verweisen und daraus Anhaltspunkte für eine "Vorausfertigung" entnehmen. Denn der Prüfungsrahmen des § 133 Abs. 3 VwGO ist sowohl beim Vortrag gänzlich neuer Zulassungsgründe als auch dann überschritten, wenn das Vorbringen zu einem bislang den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügenden Zulassungsgrund ergänzt werden soll (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 1992 - 4 B 189.92 - juris Rn. 4, vom 20. Februar 2014 - 8 B 64.13 - juris Rn. 47, vom 28. Mai 2015 - 1 B 22.15 - juris Rn. 5 und vom 16. August 2017 - 3 B 53.16 - juris Rn. 3).
Rz. 11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 16237889 |
FSt 2022, 727 |