Verfahrensgang
OVG des Saarlandes (Urteil vom 03.12.2001; Aktenzeichen 3 R 4/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 3. Dezember 2001 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und einen Verfahrensmangel durch Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde sieht eine grundsätzliche Bedeutung darin, „ob bei der Frage, ob und inwieweit Rückkehrern in die Demokratische Republik Kongo eine extreme Gefährdungslage nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG droht, eine Differenzierung nach Erwachsenen und Kindern vorgenommen werden muss” (Beschwerdebegründung S. 9). Sie meint dazu – unter ausführlicher Darlegung der Tatsachenlage und der von der Würdigung des Berufungsgerichts abweichenden Sicht in einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen –, das Oberverwaltungsgericht habe eine solche Differenzierung nach erwachsenen und noch nicht erwachsenen Rückkehrern nicht vorgenommen, was dazu führe, dass Kinder und Jugendliche bei einer Rückführung in ihren Rechten verletzt würden, „da ihnen eben eine extreme Gefährdungslage bei Rückkehr drohen würde” (Beschwerdebegründung S. 20). Der Sache nach wendet sich die Beschwerde damit im Gewande der Grundsatzrüge gegen die dem Tatsachengericht vorbehaltene Feststellung und Würdigung des Sachverhalts und der daraus abgeleiteten Gefährdungsprognose, ohne eine bestimmte klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufzuzeigen. Die Frage, ob bei der Gefährdungsprognose zwischen Erwachsenen und Kindern zu differenzieren ist, kann nicht nach einheitlichen rechtlichen Maßstäben, sondern allein nach den tatsächlichen Verhältnissen im Abschiebezielstaat bestimmt werden.
Mit nahezu identischem Tatsachenvortrag sieht die Beschwerde in der fehlenden Differenzierung zwischen Erwachsenen und Kindern sowie heranwachsenden Kindern sowie heranwachsenden Jugendlichen (Beschwerdebegründung S. 20) im Rahmen der Gefahrenprognose zu § 53 Abs. 6 AuslG zugleich eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs. Dabei setzt sie im Ausgangspunkt (Beschwerdebegründung S. 21 Abs. 1) wiederum ihre Bewertung an die Stelle derjenigen des Oberverwaltungsgerichts und behauptet, für Kinder und Jugendliche bestehe bei einer Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo eine extreme allgemeine Gefahrenlage, die das Oberverwaltungsgericht „bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt” habe. Damit wird ein Gehörsverstoß nicht schlüssig bezeichnet. Auch insoweit wendet sich die Beschwerde mit ihren Ausführungen im Kern wiederum nur gegen die tatrichterliche Gefährdungsprognose. Sie zeigt nicht auf, dass das Oberverwaltungsgericht Tatsachenstoff übergangen oder nicht in seine Würdigung eingestellt hat. So ist das Berufungsgericht auch ausdrücklich auf die von der Beschwerde vor allem herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Aachen eingegangen (UA S. 66 f.). Insbesondere die zusammenfassende allgemeine „Gesamtwürdigung der Risiken” einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo (UA S. 73) und die konkrete Würdigung für die Kläger (UA S. 74) lassen erkennen, dass das Berufungsgericht bei seiner Gefährdungsprognose nicht pauschal, sondern differenzierend vorgegangen ist. Das ergibt sich auch aus seinen Ausführungen dazu, dass die Kläger die Rückkehrpflicht „als voller Familienverband” treffe. Die abschließende Würdigung und Feststellung, vor allem mit Rücksicht auf die Stellung des Klägers zu 1 als Prediger sei auszuschließen, dass für die Kläger die Gefahr des Verhungerns bestehe, lässt im Übrigen auch im Ergebnis einen Gehörsverstoß nicht erkennen.
Weitere Rügen erhebt die Beschwerde nicht. Gleichwohl bemerkt der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen, dass das Oberverwaltungsgericht den Maßstab für eine extreme allgemeine Gefahrenlage, bei deren Bestehen ein Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG in Betracht kommt, wohl nicht ganz zutreffend wiedergegeben hat (vgl. UA S. 63 ff., 64/65). Ob sich eine allgemeine Gefahr für einzelne Betroffene zu einer extremen Gefahr verdichtet, ist allgemein nur dann feststellbar, wenn eine wertende Gesamtschau unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles (vgl. Urteil vom 8. Dezember 1998 – BVerwG 9 C 4.98 – BVerwGE 108, 77, 82 f.; Beschluss vom 25. Februar 2000 – BVerwG 9 B 77.00 – Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 31) ergibt, dass der einzelne Ausländer im Abschiebezielstaat entweder einer extremen Gefahrenlage für die gesamte Gruppe, der er zugehört, oder einer für ihn aufgrund besonderer Umstände individuell zugespitzten extremen Gefahr an Leib und Leben ausgesetzt wäre. In dem vom Oberverwaltungsgericht als „problematisch” bezeichneten Urteil vom 12. Juli 2001 – BVerwG 1 C 5.01 – (NVwZ 2002, 101; zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE bestimmt) hat der Senat nicht – wie das Oberverwaltungsgericht meint – ausgesprochen, dass „auch ein praktisch kaum leistungsfähiges Gesundheitsversorgungssystem in Angola mit einer Kindersterblichkeitsrate von rund 30 % der Kinder bis zum 5. Lebensjahr … für ein nahezu 5-jähriges Kind ohne weitere tragfähige Feststellungen zur Bejahung einer Extremgefahr nicht ausreichen” (UA S. 64). Der Senat hat vielmehr – ähnlich wie in dem Urteil vom 8. Dezember 1998 a.a.O. – die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts zum Gesundheitssystem in Angola allgemein und die von ihm zugrunde gelegten statistischen Angaben als nicht ausreichend angesehen, um im Einzelfall der Klägerin jenes Verfahrens auf eine sie betreffende extreme allgemeine Gefahrenlage schließen zu können. Auch in diesem Fall hat das Bundesverwaltungsgericht die Feststellungen des Berufungsgerichts als nicht ausreichend beanstandet, zumal es weder auf die erforderliche Unmittelbarkeit der extremen Gefährdung noch auf deren hohen Wahrscheinlichkeitsgrad eingegangen sei. Es hat außerdem bemängelt, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts über die statistische Kindersterblichkeit in Angola nicht erkennen ließen, ob sie lediglich für die in Angola geborenen und dort aufgewachsenen Kleinkinder gelten oder auch Aussagen zu aus Europa zurückkehrenden Kleinkindern – wie der Klägerin jenes Verfahrens – enthalten. Vor allem aber habe das Berufungsgericht nicht beachtet, dass die Klägerin jenes Verfahrens im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht wenige Tage vor Vollendung ihres 5. Lebensjahres gestanden habe, was es bei der gebotenen realitätsnahen Gefahrenprognose ausschließe, von einer Rückkehr nach Angola vor dem 5. Geburtstag auszugehen. Insoweit sei auch ungewiss, ob die zugrunde gelegten statistischen Erkenntnisse (für Kinder „bis” fünf Jahre) für die dann bereits 5-jährige Klägerin überhaupt eine Aussage enthielten.
Soweit das Berufungsgericht danach im vorliegenden Verfahren möglicherweise von einem nicht ganz zutreffenden Gefahrenmaßstab ausgegangen sein sollte, hat dies seine Feststellungen und seine Subsumtion jedenfalls im Ergebnis ersichtlich nicht beeinflusst.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG n.F.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Hund, Richter
Fundstellen