Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 09.10.2001; Aktenzeichen 25 B 01.30945) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und auf eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde sieht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers (§§ 108 Abs. 2, 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) und einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) darin, dass das Berufungsgericht einem Beweisantrag des Klägers nicht nachgekommen ist. Der Kläger hatte beantragt, durch Einholung einer Stellungnahme von amnesty international und dem UNHCR Beweis darüber zu erheben, „dass allein die Teilnahme des Klägers an der exilpolitischen Gipfelkonferenz vom 8. bis 10. Januar 1998 in Würzburg als Delegierter des JFC infolge der Tatsache, dass sich hier Vertreter aller bedeutsamen Exilorganisationen von Deutschland, Frankreich und Belgien ≪und der ehem. Minister Alfonse Massème≫ getroffen haben, ausreicht, um vom togoischen Geheimdienst beobachtet zu werden und bei der Rückkehr nach Togo asylerheblicher Verfolgung ausgesetzt zu werden”. Das Berufungsgericht hat diesem Antrag nicht entsprochen, weil nicht ersichtlich sei, welche neuen und abweichenden Erkenntnisse über die vorhandenen Erkenntnisquellen hinaus die Einholung der Stellungnahmen erbringen könne. Die Beschwerde rügt, diese Begründung stelle eine vorweggenommene Beweiswürdigung dar und sei auch deshalb unzureichend, weil das Berufungsgericht seine eigene Sachkunde nicht nachvollziehbar dargelegt habe.
Diese Rüge greift nicht durch. Zwar geht die Beschwerde zutreffend davon aus, dass das Gericht mit der Ablehnung eines erheblichen Beweisantrags das rechtliche Gehör des Klägers und seine Aufklärungspflicht verletzt, wenn die Ablehnung im Prozessrecht keine Stütze findet. Sie zeigt indes nicht auf, dass dies hier der Fall ist. Das Berufungsgericht hat zu der Teilnahme des Klägers an der fraglichen Veranstaltung im Wesentlichen ausgeführt, es könne unterstellt werden, dass die Veranstaltung wegen der Prominenz zweier Referenten eine erhöhte Aufmerksamkeit des togoischen Regimes hervorgerufen habe; die Frage der Kenntnis des Regimes sei nämlich nicht entscheidungserheblich, weil die oppositionelle Betätigung als solche nach Überzeugung des Gerichts nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zur Verfolgung führe. Vielmehr sei eine Gefährdung bei einer Rückkehr nach Togo nur dann wahrscheinlich, wenn das Regime den Eindruck gewinnen müsse, dass durch eine Person der Herrschaftsanspruch der Staatspräsidenten konkret bedroht sei, wie etwa bei Angehörigen der extremistischen, gewaltbereiten Opposition oder vergleichbarer Gruppen. Die abweichende Einschätzung der Verfolgungsgefahr wegen exilpolitischer Betätigung durch amnesty international und den UNHCR halte das Gericht, wie bereits im Grundsatzurteil vom 30. März 1999 ausgeführt, nicht für tragfähig. Welche neuen und abweichenden Erkenntnisse über die vorhandenen Erkenntnisse hinaus die beantragte Beweiserhebung erbringen könne, sei nicht ersichtlich (BA S. 5 f.). Inwiefern diese Ablehnung des Beweisantrags prozessrechtlich fehlerhaft sein soll, legt die Beschwerde nicht dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann das Tatsachengericht einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer amtlichen Auskunft grundsätzlich mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde, die sich im Asylverfahren namentlich aus der Verwertung bereits vorliegender Erkenntnismittel ergeben kann, ablehnen; es muss in diesem Falle allerdings nachvollziehbar begründen, woher es seine Sachkunde bezieht (vgl. etwa Beschluss vom 24. März 2000 – BVerwG 9 B 530.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 m.w.N.). Wie konkret der Nachweis der eigenen Sachkunde des Gerichts zu sein hat, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere den jeweils in tatsächlicher Hinsicht in Streit stehenden Einzelfragen ab. Dass das Berufungsgericht vorliegend seine Sachkunde aufgrund der herangezogenen Erkenntnisquellen nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt hat, zeigt die Beschwerde nicht auf. Wenn sie bemängelt, das Berufungsgericht habe sich nicht nur auf die alten, der Grundsatzentscheidung vom 30. März 1999 zugrunde liegenden Erkenntnisse stützen dürfen, verkennt sie, dass das Berufungsgericht ausweislich seiner Erkenntnismittelliste (Stand: 16. Juli 2001) zahlreiche neue Auskünfte und Stellungnahmen – sowohl von amnesty international und dem UNHCR als auch vom Auswärtigen Amt und dem Institut für Afrikakunde – herangezogen hat und auch angesichts dieser Erkenntnisse vor allem wegen des Fehlens von Referenzfällen für politische Verfolgung von Rückkehrern an seiner Bewertung der Gefahrenlage in dem Grundsatzurteil vom 30. März 1999 festgehalten hat (BA S. 4, 6 f.). Soweit sich die Beschwerde auf das Anfang 2000 verabschiedete, strengere Pressegesetz in Togo beruft und darin eine erhebliche Sachlagenänderung sieht, genügt dies ebenfalls nicht, um die Notwendigkeit der beantragten weiteren Aufklärung zu begründen. Denn dieser Umstand hat bereits in die neueren, vom Berufungsgericht herangezogenen Erkenntnisquellen, wie etwa den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 25. April 2001, Eingang gefunden. Im Übrigen legt die Beschwerde auch nicht dar, inwiefern dieser Umstand für die Rückkehrgefährdung gerade des Klägers von entscheidender Bedeutung sein soll. Andere neue Tatsachen, die die Eignung der vorhandenen Erkenntnismittel zur sachkundigen Beurteilung in Frage stellen würden, wie etwa das Bekanntwerden von Referenzfällen politischer Verfolgung von Rückkehrern nach Togo, sind weder vom Kläger im Berufungsverfahren noch von der Beschwerde vorgetragen worden. Mangels Darlegung einer für die Entscheidung erheblichen Änderung der Tatsachenlage geht auch der Vorwurf der vorweggenommenen Beweiswürdigung fehl. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit ihrer Verfahrensrüge dagegen, dass das Berufungsgericht bei seiner Bewertung der gesamten Auskunftslage letztlich der Gefahreneinschätzung des Auswärtigen Amtes und nicht der des UNHCR und von amnesty international gefolgt ist. Damit greift sie der Sache nach die tatrichterliche Beweiswürdigung an. Diese ist aber grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen und kann daher in der Regel – und so auch hier – einen Verfahrensmangel nicht begründen.
Die Beschwerde rügt ferner als Verfahrensmangel einen Verstoß gegen § 130 a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO, weil das Berufungsgericht ohne erneute Anhörungsmitteilung durch Beschluss über die Berufung entschieden habe, obwohl der Kläger nach der – dritten – Anhörungsmitteilung schriftsätzlich auf die Verschärfung der politischen Verhältnisse in Togo seit der Grundsatzentscheidung des Berufungsgerichts vom 30. März 1999 hingewiesen und „ergänzenden erheblichen Sachvortrag gebracht” habe. Damit ist ein Verfahrensverstoß nicht in einer Weise aufgezeigt, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebietet es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, die Verfahrensbeteiligten durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2000 – BVerwG 9 B 614.99 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 46 m.w.N.). Dass diese Voraussetzungen hier vorlagen, zeigt die Beschwerde nicht auf. Der Kläger hat weder einen neuen Beweisantrag gestellt noch wesentliche neue Tatsachen vorgetragen. Mit dem Hinweis auf das neue Pressegesetz von Anfang 2000 hat er lediglich einen Sachverhalt hervorgehoben, der aufgrund der beigezogenen Auskünfte ohnehin schon zum Prozessstoff gehörte. Inwiefern hierdurch eine neue prozessuale Lage entstanden sein soll, die dem Kläger berechtigten Anlass zu der Annahme hätte geben können, das Berufungsgericht könne nur nach erneuter Anhörung im Wege des Beschlusses nach § 130 a VwGO entscheiden, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.
Auch die von der Beschwerde weiter erhobene Divergenzrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde macht geltend, die Berufungsentscheidung weiche von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2001 – BVerwG 1 B 158.01 – (AuAS 2001, 263) ab. Dort sei der Rechtssatz aufgestellt, dass die Ablehnung eines Beweisantrages ohne den hinreichenden Nachweis eigener Sachkunde des Berufungsgerichts gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO verstoße. Die Beschwerde benennt mit ihrem Vorbringen indes nicht – wie erforderlich – einen abstrakten Rechtssatz aus der berufungsgerichtlichen Entscheidung, der zu dem angeführten Rechtssatz aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch steht. Sie rügt in Wahrheit nur einen Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall, der – selbst wenn er vorläge – eine Zulassung wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht rechtfertigen kann. Abgesehen davon hat die Beschwerde auch – wie oben ausgeführt – einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit der Ablehnung des Beweisantrags und damit auch eine falsche Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hierzu aufgestellten Grundsätze nicht dargelegt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Beck, Dr. Eichberger
Fundstellen