Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Teilurteil vom 12.01.2007; Aktenzeichen 1 B 05.3387 u.a.) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Teilurteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 78 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.
Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen:
“Berühren oder überschneiden sich die Einwirkungsbereiche mehrerer Windkraftanlagen und liegt damit eine Windfarm im Sinne der UVP-Änderungsrichtlinie 97/11 EG des Rates vom 3. März 1997 vor, wenn eine der Anlagen von den anderen Anlagen einen Abstand von mehr als dem zehnfachen Rotordurchmesser aufweist, aber der Abstand dieser Anlage zu dem geometrischen Schwerpunkt der von den Anlagen umrissenen Fläche weniger als das Zehnfache des Rotordurchmessers beträgt?”
Diese Grundsatzrüge zielt auf eine revisionsgerichtliche Überprüfung der von der Vorinstanz vertretenen Ansicht, die drei von der Klägerin geplanten Windenergieanlagen auf dem Gebiet des Beigeladenen bedürften nach der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) in der Fassung, die bis zum 30. Juni 2005 gegolten hat, einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Nach § 1 BImSchG i.V.m. § 1 der 4. BImSchV und Nr. 1.6 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV (in der bis zum 30. Juni 2005 geltenden Fassung) unterlagen die Errichtung und der Betrieb einer Windfarm mit drei bis weniger als sechs Windkraftanlagen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht. Die Vorschrift diente der Umsetzung europäischer Richtlinien zum UVP-Recht und nimmt mit dem Begriff der “Windfarm” eine Bezeichnung auf, die erstmals in der UVP-Änderungsrichtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl EG Nr. L 73 S. 5) enthalten ist. Im vorliegenden Fall maßgebend für die Frage der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit der von der Klägerin geplanten drei Windenergieanlagen ist jedoch nicht das europäische Richtlinienrecht, sondern das zu seiner Umsetzung geschaffene nationale Recht (vgl. hierzu mit weiteren Einzelheiten Urteil vom 30. Juni 2004 – BVerwG 4 C 9.03 – BVerwGE 121, 182 ≪185, 187 f.≫).
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage zum Begriff der Windfarm bleibt nicht schon deshalb erfolglos, weil sie auslaufendes Recht betrifft. Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV ist zwar durch Änderungsverordnung vom 20. Juni 2005 (BGBl I S. 1687) neu gefasst worden. Gegenstand der immissionsrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit sind nicht mehr Windfarmen, sondern Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m. Diese Rechtsänderung wirkt sich auf den vorliegenden Streitfall noch nicht aus. Nach der Übergangsvorschrift in § 67 Abs. 9 Satz 3 BImSchG ist § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV i.V.m. 1.6 Spalte 2 des Anhangs in der bis zum 30. Juni 2005 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Die Beschwerde weist jedoch zutreffend darauf hin, dass die Errichtung und der Betrieb einer Windfarm (mit Anlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 m) nach Maßgabe der Nr. 1.6 der Anlage 1 zu § 3 UVPG der UVP-Pflicht unterliegen. Es ist deshalb nicht von vornherein auszuschließen, dass der dem Europarecht entlehnte Begriff der Windfarm künftig noch klärungsbedürftige Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen kann.
Die von der Beschwerde formulierte Frage lässt jedoch keinen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf erkennen. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 30. Juni 2004 (a.a.O. S. 188) entschieden, maßgebend für das Vorhandensein einer Windfarm sei der räumliche Zusammenhang der einzelnen Anlagen: Seien sie soweit voneinander entfernt, dass sich die nach der UVP-Richtlinie maßgeblichen Auswirkungen – die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie Immissionen der Anlagen – nicht summierten, so behalte jede Anlage für sich den Charakter einer Einzelanlage. Von einer Windfarm sei mithin erst dann auszugehen, “wenn drei oder mehr Windkraftanlagen einander räumlich so zugeordnet werden, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren”. Die Beschwerde wirft hierzu (sinngemäß) die Frage auf, nach welchen Abstandsmaßen in der Verwaltungspraxis zu beurteilen ist, ob sich die Einwirkungsbereiche mehrerer Windenergieanlagen überschneiden oder berühren.
Diese Frage ist der Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich. Das Bundesrecht kennt hinsichtlich der räumlichen Zuordnung von Windenergieanlagen, die eine Windfarm bilden, keine verbindlichen Bewertungsvorgaben. Es stellt keine standardisierten Maßstäbe oder Rechenverfahren zur Verfügung, die den Begriff der Windfarm in räumlich-gegenständlicher Hinsicht für die Praxis konkretisieren und handhabbar machen. Die vom Berufungsgericht referierte Praxis von Behörden und Verwaltungsgerichten, nach der ein Überschneiden oder Berühren der Einwirkungsbereiche von zwei Windenergieanlagen regelmäßig verneint wird, wenn zwischen ihnen eine Entfernung von mehr als dem 10-fachen des Rotordurchmessers liegt, stellt keinen Rechtssatz dar. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass der 10-fache Rotordurchmesser in diesem Zusammenhang keinen rechtsverbindlichen Grenzwert (“keine technische Wirkungsgröße”) darstellt, sondern ein qua Konvention zugrunde gelegtes Abstandsmaß für den Regelfall, das als zweckmäßig angesehen wird, um den räumlichen Umgriff einer Anlagengesamtheit in Relation zur Größe der einzelnen Anlagen zu beurteilen. Nichts anderes gilt für den methodischen Ansatz des Berufungsgerichts, ergänzend von dem geometrischen Schwerpunkt der von den Anlagen umrissenen Fläche, hier also von dem – “durch den Schnittpunkt der Seitenhalbierenden bestimmten” – Schwerpunkt des “Anlagendreiecks” auszugehen. Welche der in der Praxis entwickelten Bewertungskriterien heranzuziehen sind, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab, deren Feststellung und Würdigung im Streitfall dem Tatrichter obliegt. Aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände kann eine von typisierenden Bewertungsvorgaben losgelöste Einzelfallbeurteilung angebracht sein. Die Grundsatzrüge der Beschwerde erschöpft sich der Sache nach in einer auf den konkreten Streitfall zugeschnittenen Kritik der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung.
2. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
2.1 Der geltend gemachte Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht schlüssig dargelegt. Die Klägerin macht geltend, das Berufungsgericht sei ohne Durchführung eines Augenscheins davon ausgegangen, dass die von ihr geplanten drei Windenergieanlagen aus allen Himmelsrichtungen jeweils zugleich sichtbar sein sollen und dem unbefangenen Betrachter als Einheit erscheinen würden. Diese Mutmaßung sei sehr zweifelhaft, weil eine der drei Anlagen etwa einen Kilometer weit von den beiden anderen Anlagen entfernt sei.
Die Rüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter (wie hier) nicht ausdrücklich beantragt hat (Beschluss vom 5. August 1997 – BVerwG 1 B 144.97 – NVwZ-RR 1998, 784). Die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht setzt voraus, dass unter Auseinandersetzung mit dem Prozessgeschehen und der Begründung der berufungsgerichtlichen Entscheidung schlüssig aufgezeigt wird, dass sich dem Berufungsgericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung aufdrängen musste (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328). Daran lässt es die Beschwerde fehlen. Sie setzt sich insbesondere nicht substantiiert mit dem Standpunkt des Berufungsgerichts auseinander, einer Durchführung des Augenscheins habe es anhand der vorliegenden Karten und Fotografien sowie angesichts des Umstandes nicht bedurft, dass die drei Anlagen auf einer Jurahochfläche errichtet werden sollen, die weitgehend eben und nur in der näheren Umgebung von einzelnen Baumgruppen bestanden sei.
2.2 Die Beschwerde rügt ferner, das Berufungsgericht habe nur vermutet, jedoch nicht aufgeklärt, dass die durch den Betrieb der drei Anlagen verursachten sonstigen Umwelteinwirkungen sich wechselseitig verstärkten. Die Rüge geht fehl. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, infolge der räumlichen Zuordnung der Anlagen einerseits und der offenen landschaftlichen Situation andererseits sei anzunehmen, dass ein UVP- und immissionsschutzrechtlich relevanter Prüfungsbedarf in Hinblick auf die Emissionen der Anlagen (Geräuschentwicklung, Lichtreflexionen) ausgelöst werde (UA S. 12 f.). Die Vermutung, dass Summierungseffekte auftreten würden, hat das Berufungsgericht nicht geäußert.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
Fundstellen
Haufe-Index 1755018 |
BauR 2007, 1698 |
FuBW 2008, 76 |