Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 05.09.2007; Aktenzeichen 19 A 4074/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. September 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, die sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stützt, hat keinen Erfolg (1.). Auch dem Hilfsantrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, kann nicht stattgegeben werden (2.).
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich bedeutsam, wenn eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
Die Kläger wollen geklärt wissen, ob “der vom Bundesverfassungsgericht angenommene Erziehungsauftrag des Staates, der dem Erziehungsauftrag der Eltern gleichgeordnet sein soll, über den Rahmen von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG hinaus ausgedehnt (wird)” und ob “die Auslegung des Art. 7 GG durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder (der) Untergerichte einer Korrektur im Sinne einer Zurückdrängung der staatlichen Einflussmöglichkeiten auf elterliche Erziehung und Schulwesen (bedarf)”.
Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, denn sie sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits umfassend geklärt. Wie die Kläger selbst nicht verkennen, hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entschieden, dass Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, der die Pflege und Erziehung der Kinder als das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht anerkennt, keinen ausschließlichen Erziehungsanspruch der Eltern gewährleistet. Der Staat ist in der Schule nicht auf das ihm durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zugewiesene Wächteramt beschränkt. Vielmehr ist der staatliche Erziehungsauftrag in der Schule (Art. 7 Abs. 1 GG) dem elterlichen Erziehungsrecht nicht nach-, sondern gleichgeordnet. Weder dem Elternrecht noch dem Erziehungsauftrag des Staates kommt ein absoluter Vorrang zu. Der Staat muss deshalb in der Schule zwar die Verantwortung der Eltern für den Gesamtplan der Erziehung ihrer Kinder achten und für die Vielfalt der Anschauungen in Erziehungsfragen so weit offen sein, als es sich mit einem geordneten staatlichen Schulsystem verträgt. In diesem Rahmen darf er aber grundsätzlich unabhängig von den Eltern eigene Erziehungsziele in der Schule verfolgen. Dabei beschränkt sich der Auftrag des Staates, den Art. 7 Abs. 1 GG voraussetzt, nicht auf die Vermittlung von Wissensstoff, sondern hat auch zum Inhalt, das einzelne Kind zu einem selbstverantwortlichen Mitglied der Gesellschaft heranzubilden (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 1972 – 1 BvR 230/70 u.a. – BVerfGE 34, 165 ≪183≫; Beschlüsse vom 21. Dezember 1977 – 1 BvL 1/75 u.a. – BVerfGE 47, 46 ≪71 f.≫ und vom 16. Mai 1995 – 1 BvR 1087/91 – BVerfGE 93, 1 ≪21≫). Die gesetzliche Schulpflicht dient dem legitimen Ziel der Durchsetzung dieses staatlichen Erziehungsauftrags (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. April 2003 – 1 BvR 436/03 – DVBl 2003, 999).
Die Kläger stellen diese Rechtssätze in Frage; sie halten die Ausübung des staatlichen Wächteramtes für “immer subsidiär”, verneinen einen über die Schulaufsicht hinausgehenden Erziehungsauftrag des Staates, befürworten ein “weitgehendes Elternrecht” und halten – auf der Grundlage dieses Vorverständnisses – die gegenwärtig vorgesehene enge Begrenzung der Ausnahmen von der gesetzlichen Schulpflicht für verfassungswidrig. Einen erneuten Klärungsbedarf hinsichtlich der in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits seit langem beantworteten Rechtsfragen vermögen sie damit aber nicht aufzuzeigen; vielmehr ergibt sich aus ihrem Vorbringen nur, dass sie die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung des staatlichen Erziehungsauftrags, von der sich auch der Senat in ständiger Rechtsprechung leiten lässt (vgl. Urteil vom 25. August 1993 – BVerwG 6 C 8.91 – BVerwGE 94, 82 ≪84 f.≫ = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 109 S. 46 f.; Beschluss vom 7. Oktober 2003 – BVerwG 6 B 41.03 – Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 73 S. 5), nicht teilen. Sie können die Formulierung einer höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage auch nicht dadurch ersetzen, dass sie ein Rechtsgutachten (Goldbecher, Rechtliche Aspekte des “Homeschooling” vom 1. September 2007) vorlegen und darauf pauschal Bezug nehmen.
2. Der Senat kann auch nicht das angefochtene Urteil durch Beschluss aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverweisen, wie es die Kläger hilfsweise beantragen. Die Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung ist in § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO für den Fall vorgesehen, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein derartiger Verfahrensmangel wird in der Beschwerde aber nicht bezeichnet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Dr. Bier
Fundstellen