Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 29.07.2004; Aktenzeichen 5 B 02.1224) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Behauptung grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und von Verfahrensfehlern (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat keinen Erfolg.
1. Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfenen Fragen,
“ob Abkömmlinge eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit, die mit einem Aufnahmebescheid … eingereist sind, registriert wurden und sich auch tatsächlich dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten dürfen, keine Aufnahme im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG gefunden haben und deshalb, im Gegensatz zu Abkömmlingen der Personen, die nach dem 01.01.1993 als Spätaussiedler eingereist sind, nicht mehr Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG werden” (S. 2 der Beschwerdebegründung),
bzw.
“… ob die Abkömmlinge eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit nur dann Aufnahme gefunden haben, wenn über die subjektive Motivation der Wahrung der familiären Verbundenheit seitens des Betroffenen hinaus, die Aufnahme auch seitens der Behörde mit Blick auf die familiäre Einheit genehmigt worden ist” (Beschwerdebegründung S. 6)
oder
“… ob der Abkömmling eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit, dessen Status bereits vor dem 01.01.1993 unverrückbar entstanden war, nur noch dann Aufnahme finden kann, wenn er am 01.01.1993 Spätaussiedler oder Abkömmling eines Spätaussiedlers gewesen ist” (Beschwerdebegründung S. 12)
sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits dahingehend geklärt, dass aufgrund eines Aufnahmebescheids (§ 26 BVFG) eingereiste Personen “nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 BVFG die Eigenschaft als Statusdeutsche (Art. 116 Abs. 1 GG) erwerben” (Urteil vom 19. Juni 2001 – BVerwG 1 C 26.00 – ≪BVerwGE 114, 332≫). In dem genannten Urteil ist zu der Frage, wann eine Person nach dem 31. Dezember 1992 die Eigenschaft als Statusdeutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG erwerben kann, ausgeführt (a.a.O. S. 334 f.):
“Unter welchen Voraussetzungen eine Person im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG als ‘Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit’ in dem dort genannten Gebiet ‘Aufnahme gefunden hat’, ist seit In-Kraft-Treten der durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2094) geänderten Fassung des Bundesvertriebenengesetzes am 1. Januar 1993 abschließend nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu beurteilen. Seitdem können Personen, die … die im Bundesvertriebenengesetz genannten Aussiedlungsgebiete nach dem 31. Dezember 1992 verlassen haben, nur noch dann Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland finden, wenn sie Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 oder 2 BVFG sind (vgl. auch die entsprechenden Stichtagsregelungen in § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 2 BVFG). Dementsprechend stellt § 4 Abs. 3 Satz 1 BVFG klar, dass der Spätaussiedler Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes stellen insoweit die in Art. 116 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber vorbehaltene gesetzliche Regelung für den Erwerb des Deutschen-Status dar. … Die neu gefassten Regelungen des Bundesvertriebenengesetzes sollen die Zuwanderung aus den Aussiedlungsgebieten durch Personen, die sich für deutsche Volkszugehörige halten und anstreben, als solche in der Bundesrepublik Deutschland Aufnahme zu finden, stärker als bislang steuern und begrenzen. Dies geschieht mit Hilfe der neu geschaffenen Kategorie des Spätaussiedlers (§ 4 Abs. 1 und 2 BVFG). Dieser Gesetzeszweck schließt es aus, für den genannten Personenkreis eine Aufnahme im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG unter anderen als in den im Bundesvertriebenengesetz aufgestellten Voraussetzungen zuzulassen.”
Die in dem Urteil vom 19. Juni 2001 offen gelassene Frage, inwieweit das auch für Angehörige dieser Person gilt (§ 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG) hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20. April 2004 – BVerwG 1 C 3.03 – (BVerwGE 120, 292) geklärt:
“Unter welchen Voraussetzungen eine Person im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG als Abkömmling eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit Aufnahme gefunden hat, ist seit In-Kraft-Treten der durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2094) geänderten Fassung des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) am 1. Januar 1993 grundsätzlich nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu beurteilen. Personen, die … nicht selbst Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit sind, können danach als Abkömmlinge eines Vertriebenen nur noch dann Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland finden, wenn sie Abkömmlinge eines Spätaussiedlers im Sinne des § 4 Abs. 1 und 2 BVFG sind (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG). Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes stellen insoweit die in Art. 116 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber vorbehaltene gesetzliche Regelung für den Erwerb des Deutschen-Status dar …”
Daraus ergibt sich ohne Weiteres, dass die Kläger nur dann noch als Abkömmlinge ihrer im Juli 1992 nach Deutschland eingereisten Mutter bzw. Großmutter Aufnahme finden könnten, wenn diese Spätaussiedlerin wäre. Eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung ist demgegenüber nicht aus der von der Beschwerde in unzutreffender Auslegung der genannten Urteile vertretenen Auffassung herzuleiten, das Urteil vom 20. April 2004 verhalte sich nicht zur Aufnahme von Abkömmlingen von Vertriebenen gemäß § 1 BVFG, für welche vielmehr weiterhin gemäß § 100 Abs. 1 BVFG die alte Rechtslage fortgelte, bzw. es sei mit den genannten Urteilen nicht darüber entschieden, ob Abkömmlinge von Vertriebenen den Status eines Deutschen deshalb nicht mehr erwerben könnten, weil der vor dem 1. Januar 1993 zugereiste Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit kein Spätaussiedler sei. Ein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf kann nicht damit begründet werden, dass die erfolgte Klärung einer Rechtsfrage geleugnet wird.
Soweit die Beschwerde geltend macht, die Regelungen des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes griffen in den Kernbereich des Art. 116 Abs. 1 GG ein, der nur durch “die von der Verfassung gebotene qualifizierte Mehrheit” abgeschafft werden könne, ist bereits in den beiden genannten Urteilen ausgesagt, dass die einschlägigen Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes insoweit die dem (einfachen) Gesetzgeber vorbehaltene gesetzliche Regelung für den Erwerb des Deutschen-Status darstellen.
2. Es liegt auch nicht der als Verfahrensfehler gerügte Verstoß gegen Denkgesetze vor, den die Beschwerde in unzutreffender Weise darin sehen will, dass das Berufungsgericht verkannt habe, dass die Regelung der Aufnahme von Abkömmlingen von Spätaussiedlern durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz keine Änderung hinsichtlich der Aufnahme von Abkömmlingen des Personenkreises des § 1 BVFG bedeute (S. 7 f. der Beschwerdebegründung).
3. Auch die mit Blick auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 1992 – BVerwG 1 C 54.89 – (BVerwGE 90, 173) und vom 20. April 2004 – BVerwG 1 C 3.03 – (BVerwGE 120, 292) erhobenen Divergenzrügen greifen nicht durch. Soweit in dem Urteil vom 12. Mai 1992 mit Blick auf das Erfordernis der Aufnahme “als Abkömmling” ausgeführt ist, es komme weder auf das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft mit dem volksdeutschen Elternteil noch auf einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Aufnahme des vertriebenen Volksdeutschen und der Aufnahme des Abkömmlings an (a.a.O. S. 177 ff.), bezieht dieser Rechtssatz sich nicht auf die für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Rechtsvorschriften des Bundesvertriebenengesetzes in der Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes, welche die dem (einfachen) Gesetzgeber vorbehaltene gesetzliche Regelung für den Erwerb des Deutschen-Status darstellen. Auch soweit die Beschwerde mit Blick auf das Urteil vom 20. April 2004 (a.a.O.) geltend macht, nach diesem Urteil beziehe die in § 4 Abs. 1 und 2 BVFG F. 1993 getroffene Stichtagsregelung – Verlassen der Aussiedlungsgebiete nach dem 31. Dezember 1992 – sich nur auf die (volksdeutschen) Spätaussiedler selbst, aber nicht auf deren Abkömmlinge, für welche dieser Stichtag keine Bedeutung habe (Beschwerdebegründung S. 11), ist eine Divergenz nicht dargelegt. Der von der Beschwerde zur Begründung der Divergenz angeführte Leitsatz des Berufungsurteils, wonach “Die vertriebenenrechtlichen Vorschriften zur Aufnahme der Abkömmlinge von Spätaussiedlern (§§ 4 Abs. 3 Satz 2, 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG Fassung 1993) … eine abschließende anderweitige Regelung i.S. des Art. 116 GG dar(stellen) mit der Folge, dass Abkömmlinge von Aussiedlern ohne eigene deutsche Volkszugehörigkeit seit 1. Januar 1993 keine Aufnahme mehr finden können”, schließt, wie die Beschwerde selbst richtig feststellt (S. 12 oben), Abkömmlinge von Aussiedlern, nicht aber von Spätaussiedlern von der Aufnahme aus. Der Umstand, dass die Beschwerde die Ungleichbehandlung der verschiedenen Gruppen von Abkömmlingen für nicht gerechtfertigt hält, kann die fehlende Divergenz nicht ersetzen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Franke
Fundstellen