Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30.01.2008; Aktenzeichen 8 A 11114/07) |
VG Koblenz (Beschluss vom 25.05.2007) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und – insoweit in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Mai 2007 und des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Januar 2008 – für beide Vorinstanzen auf 6 406,40 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Das Oberverwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Anerkennung einer besonderen Lage aufgrund von Investitionen gemäß Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl Nr. L 141 S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1974/2004 vom 29. Oktober 2004 (ABl Nr. L 345 S. 85) verneint, weil der Kläger weder vor Beginn der Investitionsmaßnahme der zuständigen Behörde einen Investitionsplan oder ein Investitionsprogramm vorgelegt noch andere objektive Nachweise für das Vorliegen einer Investition erbracht hat. Dabei hat das Oberverwaltungsgericht jeweils vorausgesetzt, dass der Investitionsplan oder die anderen objektiven Nachweise ergeben müssen, dass die Investition auf die Schaffung zusätzlicher Produktionskapazitäten für die Haltung männlicher Rinder gerichtet war. In diesem Zusammenhang wirft der Kläger sinngemäß die Rechtsfrage auf, ob über den Nachweis der Schaffung zusätzlicher Produktionskapazitäten, die für die Bullenmast objektiv geeignet sind, hinaus auch in subjektiver Hinsicht die Absicht einer Investition gerade in die Haltung männlicher Rinder verlangt werden könne. Diese Frage rechtfertigt nicht die Durchführung des angestrebten Revisionsverfahrens; auch der Einholung einer Vorabentscheidung bedarf es nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs. 283/81 – Slg. S. 3415 ≪Rn. 12 ff.≫ – CILFIT). Sie lässt sich anhand des Gesetzeswortlauts zweifelsfrei – im bejahenden Sinne – beantworten.
Nach Art. 21 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 müssen die Investitionen in einem Plan oder Programm vorgesehen sein, dessen Durchführung spätestens am 15. Mai 2004 begonnen hat. Hieraus hat das Berufungsgericht zutreffend gefolgert, dass der Investitionsplan vor Beginn der Investitionsmaßnahme bestanden haben muss und dass die Investitionsmaßnahme die Umsetzung dieses Plans bezwecken muss. Ein Investitionsplan schließt aber schon nach seinem Wortsinn ein, dass mit der geplanten Maßnahme die Absicht verfolgt wird, die Produktionsbedingungen oder -kapazitäten in einer bestimmten Hinsicht und in einem bestimmten Ausmaß zu verbessern oder zu erweitern, und dass dies als betriebswirtschaftlich zweckmäßig angesehen wird. Es genügt daher nicht, dass ein zusätzlicher Stall gebaut wird und dass hierfür ein Bauplan oder eine Baugenehmigung vorliegt. Vielmehr muss die Errichtung des Stalles der Verwirklichung eines vorher festgelegten Betriebszieles dienen, das mit der Investition verfolgt wird.
Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 begünstigt zudem nur Investitionen, die der Kapazitätserweiterung in einem bestimmten Produktionssektor dienen. Dies ergibt sich aus seinem Sinn und Zweck. Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift, die dem Vertrauensschutz dient. Die Betriebsprämie wird nach dem sog. Standardmodell gemäß Art. 37 Abs. 1 i.V.m. Anhang VI, Art. 38 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABl Nr. L 270 S. 1) auf der Grundlage derjenigen Zahlungen errechnet, die der jeweilige Betriebsinhaber im Rahmen bestimmter Stützungsregelungen in einem zurückliegenden Bezugszeitraum – den Jahren 2000 bis 2002 – bezogen hat. In der Betriebsprämie werden also – vereinfachend gesagt – bestimmte zuvor bezogene Direktzahlungen fortgeschrieben. Nach Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission sollen nun ausweislich ihres 17. Erwägungsgrundes Zahlungsansprüche auch in Ansehung solcher Investitionen gewährt werden, die bei Nichteinführung der Betriebsprämie zu einer Erhöhung ihres Direktzahlungsbetrags geführt hätten. Die Vorschrift schützt also das Vertrauen in den Fortbestand des bisherigen Systems der Direktzahlungen, wenn dieses bereits zu Investitionen geführt hat. Das setzt aber voraus, dass die Investition von vornherein mit dem Zweck verbunden war, eine bestimmte Produktion aufzunehmen oder auszuweiten, die nach dem bisherigen System mit bestimmten Direktzahlungen gefördert wurde. Der Ausnahmecharakter der Vorschrift schließt es umgekehrt aus, tatsächlichen Veränderungen der Produktionsbedingungen erst im Nachhinein eine Bestimmung zu geben, für die sie vielleicht objektiv geeignet sind, für die sie aber nicht eigens geschaffen worden waren.
Dies gilt umso mehr, als die Betriebsprämie schon nach dem Standardmodell der Art. 37, 38 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 ausweislich des in Anhang VI aufgeführten Kataloges zwar zahlreiche, durchaus aber nicht sämtliche bisherigen Direktzahlungen erfasst. Hieraus ist zu schließen, dass eine Investition nur dann geeignet ist, eine besondere Lage im Sinne des Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 zu begründen, wenn sie eine Produktion betrifft, die von einer der in diesem Katalog genannten Direktzahlungen begünstigt war. Es ist unzulässig, eine auf eine andere Produktion gezielte Investition im Nachhinein umzuwidmen; vollends ist es unzulässig, eine ungezielte Veränderung der Produktionsbedingungen erst im Nachhinein für eine bestimmte Produktion zu widmen. Für Deutschland muss in diesem Zusammenhang bedacht werden, dass § 5 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes (BetrPrämDurchfG) vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1763) von der durch Art. 59 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, das Standardmodell mit dem Regionalmodell zu kombinieren, die Betriebsprämie mit anderen Worten nur teilweise “betriebsindividuell” auf der Grundlage der vorherigen Direktzahlungen des Betriebes, im Übrigen aber – und im Verlaufe einer Anpassungszeit zunehmend (vgl. § 6 BetrPrämDurchfG) – “flächenbezogen” auf der Grundlage der Betriebsfläche zu ermitteln (vgl. BTDrucks 15/2553 S. 18 f., 24 f.). In der Konsequenz dieses Kombinationsmodells fließen in den betriebsindividuellen Betrag nur einige der in Anhang VI zur Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 genannten Direktzahlungen ein (§ 5 Abs. 2 BetrPrämDurchfG). Dies schränkt zugleich den Anwendungsbereich des Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 ein. Wenn nämlich Art. 21 nur Investitionen in Erwartung derjenigen Direktzahlungen nach dem alten System erfasst, die nach Einführung der Betriebsprämie in deren betriebsindividuelle Berechnung einfließen, so begründen solche Investitionen keine besondere Lage im Sinne von Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004, die nicht den betriebsindividuellen, sondern den flächenbezogenen Betrag der Betriebsprämie betreffen oder von der Betriebsprämie überhaupt nicht erfasst werden. Dementsprechend führen Fälle zu berücksichtigender Investitionen nach § 15 Abs. 1 der Betriebsprämiendurchführungsverordnung (BetrPrämDurchfV) vom 3. Dezember 2004 (BGBl I S. 3204) zu einer Veränderung nur des betriebsindividuellen Betrages der Betriebsprämie.
Nach allem liegt eine Investition im Sinne von Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 nur vor, wenn die Investitionsmaßnahme in der Absicht begonnen wurde, die Kapazitäten für eine bestimmte Produktion zu schaffen, zu erweitern oder zu verbessern und auf diesem Wege Ansprüche für zusätzliche Direktzahlungen zu begründen; diese Direktzahlungen müssen zudem vom betriebsindividuellen Betrag der Betriebsprämie erfasst sein. Die Vorschrift knüpft damit an in der Vergangenheit liegende Umstände an. Darin hat das Berufungsgericht mit Recht keine unzulässige Rückwirkung gesehen. Die Vorschrift dient im Gegenteil gerade dem Vertrauensschutz und damit dazu, eine grundrechtlich bedenkliche Entwertung in der Vergangenheit ins Werk gesetzter Investitionen, die bei unvermittelter Einführung des Betriebsprämiensystems zu besorgen wäre, zu vermeiden. Dass Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 den Vertrauensschutz auf Investitionsmaßnahmen beschränkt, die von vornherein auf eine sektorbezogene Kapazitätserweiterung abzielten, dient der Vermeidung von Missbrauch und lässt sich daher nicht beanstanden.
Dass es sich um eine Investition im vorbeschriebenen Sinne handelt, muss der Betriebsinhaber der zuständigen Behörde gemäß Art. 21 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 nachweisen. Dies kann er tun, indem er der Behörde den Plan oder das Programm für die Investition übermittelt (UAbs. 1 Satz 2). Liegen weder ein Plan noch Programme in Schriftform vor, können die Mitgliedstaaten andere objektive Nachweise für das Vorliegen einer Investition berücksichtigen (UAbs. 2). Es mag offen bleiben, ob dies die Ermächtigung an die Mitgliedstaaten enthält, die Berücksichtigung anderer objektiver Nachweise vorzusehen oder auszuschließen. Auch wenn andere objektive Nachweise schon kraft Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sind, so kann dieser alternative Weg des Nachweises doch nichts daran ändern, dass es sich um eine Investition im vorgenannten Sinne handeln muss. Der andere Nachweis muss mithin auch belegen, dass die Investitionsmaßnahme mit Blick auf eine bestimmte Produktion begonnen wurde. Auch dies ergibt sich zweifelsfrei schon aus dem Wortlaut der Vorschrift und ihrem systematischen Zusammenhang mit Art. 21 Abs. 2 UAbs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004, so dass es auch hierzu weder der Durchführung eines Revisionsverfahrens noch der Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs bedarf.
Die übrigen vom Kläger bezeichneten Fragen betreffen § 15 BetrPrämDurchfV. Sie rechtfertigen die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil das Berufungsgericht die angefochtene Entscheidung hauptsächlich allein auf Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 (UA S. 9 ff.) und nur hilfsweise auch auf § 15 BetrPrämDurchfV gestützt hat (UA S. 12 ff.: “darüber hinaus …”). Ist die angefochtene Entscheidung aber – selbständig tragend – auf mehrere Begründungen gestützt, so ist die Revision nur dann zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder der verschiedenen Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4). Im vorliegenden Falle hat der Kläger schon hinsichtlich der Hauptbegründung des Berufungsurteils einen durchgreifenden Zulassungsgrund nicht geltend gemacht. Damit scheidet die Zulassung der Revision aus, ohne dass es noch darauf ankäme, ob die hinsichtlich der Hilfsbegründung bezeichneten Rechtsfragen der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürften.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Streitwert ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Auf dieser Grundlage ist der Streitwert in Fällen der vorliegenden Art auf den Mehrbetrag festzusetzen, um den der Referenzwert der Betriebsprämie im Falle des Erfolgs der Klage zu erhöhen wäre. Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 GKG oder des § 9 ZPO für eine Vervielfachung des Mehrbetrages liegen nicht vor. Die Betriebsprämie ist schon keine wiederkehrende Leistung, sondern wird alljährlich neu – und ggf. unterschiedlich neu – beantragt und festgesetzt. Hinzu kommt, dass nicht der Anspruch auf Zahlung der Prämie für ein bestimmtes Jahr im Streit steht, sondern der Referenzwert, der dem Zahlungsanspruch zugrunde liegt. Deshalb aber besteht umgekehrt auch kein Anlass, den Mehrbetrag in Anlehnung an Ziff. 24.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Stand 7/2004 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, Anhang), um ein Viertel zu vermindern (so aber OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. November 2006 – 10 OA 223/06 – juris; zustimmend OVG Saarlouis, Beschluss vom 25. April 2007 – 1 E 163/07 – juris und die Vorinstanzen). Auch wenn die umstrittene Festsetzung des Referenzwerts für die Betriebsprämie noch nicht den Zahlungsanspruch selbst, sondern dessen Grundlage betrifft, so geht es doch nicht lediglich um eine Obergrenze, die im Zuge alljährlicher Produktionsschwankungen häufig nicht vollständig ausgeschöpft wird, wie dies etwa bei der individuellen Höchstgrenze für Direktzahlungen für Mutterkühe der Fall war. Vielmehr dürfte die Ausschöpfung der Betriebsprämie – wenngleich nach Maßgabe variierender Berechnungsfaktoren – die Regel sein.
Unterschriften
Kley, Dr. Dette, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen