Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 23.02.2010; Aktenzeichen 11 C 3933/04.T) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Als grundsätzlich klärungsbedürftig formuliert die Beschwerde die Frage, ob § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG auch auf Triebwerksprobeläufe anzuwenden ist (Beschwerdebegründung S. 9) bzw. ob Triebwerksprobeläufe auch als Fluglärm i.S.d. § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG anzusehen sind (ergänzende Beschwerdebegründung S. 3) und ob mit dem Lärm aus Triebwerksprobeläufen ein spezifischer gesetzlich nicht geregelter Sachverhalt, der aber an allen Verkehrsflughäfen gleichartig auftritt, dieser Abwägungsdirektive unterfällt (ergänzende Beschwerdebegründung S. 2). Diese Grundsatzrüge rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass die Fragen entscheidungserheblich wären.
Rz. 3
Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 28. Juni 2005 hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass durch die Errichtung und den Betrieb der A 380-Halle kein Flugverkehr erzeugt und erst recht nicht durch den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss zugelassen werde. Er hat des Weiteren in Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses vom 23. März 1971 für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindend (vgl. dazu Beschluss vom 6. April 2004 – BVerwG 4 B 2.04 – Buchholz 310 § 137 Abs. 2 VwGO Nr. 12) dargelegt, dass zu dem bereits durch diesen Planfeststellungsbeschluss zugelassenen Flughafenbetrieb grundsätzlich auch die Wartung der Flugzeuge einschließlich der Triebwerksprobeläufe gehörten. Die Problematik der Lärmbelastung durch Standläufe werde durch den Wartungsbetrieb in der A 380-Halle (nur) insoweit neu aufgeworfen, als Triebwerksprobeläufe auf der Rollbahn C… an Flugzeugen stattfänden, die in der A 380-Halle gewartet worden seien oder gewartet werden sollten. In dem hier angefochtenen Urteil vom 23. Februar 2010 hat der Verwaltungsgerichtshof daran anknüpfend verdeutlicht, dass sich die Änderungen durch die Errichtung der A 380-Werft im Wesentlichen auf die Zuordnung dieser Probeläufe zu dem Wartungsbetrieb in der A 380-Halle und auf die Standläufe, die vor der Halle durchgeführt würden, beschränkten (UA S. 10). Zu der durch die Triebwerksprobeläufe zu erwartenden Lärmbelastung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt: Nach den Berechnungen des Sachverständigen – unter Berücksichtigung eines Zuschlags wegen Pegelschwankungen – werde durch Triebwerksprobeläufe mit der Laststufe Takeoff-Power in der Nacht in M… an dem Referenzmesspunkt der höchste nächtliche Maximalpegel von 64 dB(A) durch Standläufe auf der Rollbahn C…, Position West, ausgelöst. Darüber hinaus habe der Sachverständige auf Aufforderung durch das Gericht auf der Basis der von ihm ermittelten Pegel die durch die Triebwerksprobeläufe verursachten äquivalenten Dauerschallpegel sowie deren Auswirkungen auf die Fluglärmbelastung insgesamt errechnet und den von der Beigeladenen vorgelegten Daten gegenübergestellt. Danach werde sich die Fluglärmbelastung an dem Referenzmesspunkt in M…, der in etwa dem Immissionspunkt W… entspreche, infolge der Inbetriebnahme der CCT-Halle und der A 380-Werft am Tag um 0,5 dB(A) auf 48,3 dB(A) und in der Nacht um 1 dB(A) auf 44,3 dB(A) erhöhen (UA S. 18 f.). Bei der Ermittlung der Vorbelastung dürfe nicht, wie ursprünglich geschehen, nur auf die Lärmbeeinträchtigung durch den reinen Fluglärm abgestellt werden. Für die Frage, wie sich die Gesamtlärmsituation infolge der Inbetriebnahme der CCT-Halle und der A 380-Werft verändern werde, sei auch – und sogar in erster Linie – die bestehende Bodenlärmbelastung zu beachten. Danach werde sich der nächtliche Dauerschallpegel infolge der Wartungsarbeiten in den beiden Hallen lediglich um 0,7 dB(A) erhöhen, so dass von einer wesentlichen Änderung nicht gesprochen werden könne (UA S. 20).
Rz. 4
Auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen hatte der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG und dessen Qualität als Gewichtungsvorgabe (Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 269) einzugehen. Auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG hätte es nur dann ankommen können, wenn die Problematik der Lärmbelastung durch Triebwerksprobeläufe durch die Errichtung der A 380-Halle neu aufgeworfen worden wäre. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs gehört zu dem bereits durch den Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 zugelassenen Flughafenbetrieb grundsätzlich auch die Wartung der Flugzeuge einschließlich der Triebwerksprobeläufe. Steht fest, dass es durch den vorhabenbedingten Lärm nur zu einer geringfügigen und mithin nicht abwägungserheblichen Zunahme (in der Nacht) kommen wird, ist der Anwendungsbereich des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG nicht eröffnet, weil kein Fall der Zurückdrängung des Lärmschutzinteresses der Nachbarschaft vorliegt, die der gesteigerten Rechtfertigung bedürfte.
Rz. 5
Soweit die Klägerin geltend macht, die Vorbelastung könne im Fall der Anwendbarkeit der Abwägungsdirektive des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG nicht schutzmindernd berücksichtigt werden (ergänzende Beschwerdebegründung S. 8), fehlt es an der Darlegung des behaupteten Klärungsbedarfs. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass sich die Grenze der Berücksichtigung der bisherigen Lärmeinwirkungen als schutzmindernde Vorbelastung erst dort ergibt, wo die Lärmeinwirkungen bereits vor Ausführung des Planvorhabens sowohl nach der Gebietsart als auch im Verhältnis zu anderen Lärmquellen das Maß des Zumutbaren überschreiten (Urteil vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 – BVerwGE 56, 110 ≪132≫). Dass die bisherigen Lärmeinwirkungen die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt.
Rz. 6
2. Die Divergenzrüge unter II., die damit begründet wird, aus “den vorstehenden Gründen”, d.h. den zur Grundsatzrüge vorgetragenen Gründen weiche der Verwaltungsgerichtshof von einer bzw. mehreren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab, genügt ebenso wenig den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO wie die Divergenzrüge unter III., mit der die Klägerin geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof weiche von dem Urteil des Senats vom 9. Februar 1995 – BVerwG 4 C 26.93 – (BVerwGE 97, 367 ≪374≫) sowie der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Ansprüchen Betroffener auf Lärmsanierung anlässlich einer Planfeststellung ab, weil er nicht beanstandet habe, dass keine Zuschläge für die Tonhaltigkeit der Triebwerksprobeläufe berücksichtigt worden seien und damit zum Ausdruck gebracht habe, es komme nicht auf die Umstände des Einzelfalls an (Beschwerdebegründung S. 10). Auch die weitere Rüge, der Verwaltungsgerichtshof weiche von den angeführten Entscheidungen zur Lärmsanierung ab, indem er die Wirkung der Vorbelastung ausschließlich als schutzmindernd auffasse (Beschwerdebegründung S. 14), scheitert am Darlegungserfordernis.
Rz. 7
Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt (Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712 ≪713≫). Der Tatbestand der Divergenz muss in der Beschwerdebegründung nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Gerichts, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze bezeichnet werden.
Rz. 8
Hieran lässt es die Beschwerde fehlen. Sie formuliert weder einen entsprechenden Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung noch einen diesem widersprechenden Rechtssatz aus den von ihr angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Einen Rechtssatz zu § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG hat der Verwaltungsgerichtshof – wie unter 1. dargelegt – nicht formuliert. Ein Rechtssatz, dass es bei der Berechnung des Lärms von Triebwerksprobeläufen eines Tonalitätszuschlags bedarf, findet sich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Ebenso wenig wird ein Rechtssatzwiderspruch zu den Grundsätzen der schutzmindernden Vorbelastung aufgezeigt.
Rz. 9
Unabhängig davon trifft der Vorwurf, der Verwaltungsgerichtshof habe nicht auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt, nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof, der den Sachverständigen vorsorglich gebeten hatte, die Tonalität der Triebwerksprobeläufe zu ermitteln, hat unter Verwertung der Ergebnisse des Sachverständigen dargelegt, dass die Klage selbst dann keinen Erfolg haben könnte, wenn die Planfeststellungsbehörde zu Unrecht die Tonalität von Triebwerksprobeläufen nicht berücksichtigt hätte; ein solcher Mangel wäre, wenn er vorliegen würde, nicht von Einfluss auf das Abwägungsergebnis (UA S. 23 f.). Im Übrigen zeigt auch der Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs, es sei sachlich geboten, die künftige Belastung nach derselben Methode zu errechnen wie die vorhandene Lärmbeeinträchtigung durch Triebwerksprobeläufe (UA S. 16), dass das Gericht eine Einzelfallbetrachtung vornimmt.
Rz. 10
Soweit die Beschwerde die Gründe des Verwaltungsgerichtshofs, warum Zuschläge für eine Tonhaltigkeit der Triebwerksprobeläufe nicht geboten seien (UA S. 21 ff.), als nicht schlüssig angreift (Beschwerdebegründung S. 11 f.), wird lediglich eine falsche Rechtsanwendung gerügt. Das gilt auch für den weiteren Einwand, der Verwaltungsgerichtshof habe sich nicht mit der Frage beschäftigt, ob die Mittelung des Lärms aus Triebwerksprobeläufen über sechs Monate überhaupt ein geeignetes Verfahren sei (Beschwerdebegründung S. 16), und die Rüge, es sei unterblieben, eine konkrete Unzumutbarkeitsschwelle festzustellen (Beschwerdebegründung S. 17). Eine Divergenz wird bei diesem Vortrag nach Art einer Berufungsbegründung nicht aufgezeigt.
Rz. 11
3. Die Grundsatzrüge, mit der die Klägerin die Berücksichtigung der Tonalität nächtlicher Triebwerksprobeläufe geklärt wissen will (Beschwerdebegründung S. 18 f.), scheitert – wie unter 2. dargelegt – an der mangelnden Entscheidungserheblichkeit.
Rz. 12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Dr. Bumke
Fundstellen