Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 23.09.2008; Aktenzeichen 10 S 1094/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 23. September 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers, der von einer ihm in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch machen will, bleibt ohne Erfolg. Die erforderlichen Zulassungsvoraussetzungen werden nicht entsprechend den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargetan oder sie liegen nicht vor.
Rz. 2
Dem Kläger war 1998 wegen des Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,39 Promille die Fahrerlaubnis rechtskräftig entzogen und eine Sperrfrist von neun Monaten für die Wiedererteilung festgesetzt worden. Im Januar 2005 erwarb er in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis der Klasse B; im dort ausgestellten Führerschein ist sein Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland eingetragen. Mit Verfügung vom 8. September 2005 entzog die Beklagte dem Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs diese Fahrerlaubnis und erkannte ihm das Recht ab, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Nach Anhörung des Klägers und unter Bezugnahme auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 26. Juni 2008 (Rs. C-329/06 und C-343/06, Wiedemann u.a. und Rs. C-334/06 bis C-336/06, Zerche u.a) deutete die Beklagte diese Verfügung unter dem 19. August 2008 in die Feststellung um, dass zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Aberkennungsentscheidung der Kläger mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis nicht berechtigt gewesen sei, im Bundesgebiet Kraftfahrzeuge zu führen.
Rz. 3
1. Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Kläger zunächst die Frage, ob es überhaupt und zudem noch ohne die Gewährung rechtlichen Gehörs zulässig sei, die Entziehung einer ausländischen Fahrerlaubnis in ein bloßes Informationsschreiben des Inhalts umzudeuten, dass die ausländische Fahrerlaubnis von Anfang an, hier also ab Januar 2005, keine Gültigkeit im Inland gehabt habe. Damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon deshalb nicht entsprechend den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargetan, weil sich die genannte Frage in dieser Form weder im Berufungsverfahren gestellt hat noch in der Revision stellen würde. Zum einen ist die Umdeutung der ursprünglich auf die Entziehung der Fahrerlaubnis gerichteten Verfügung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen werden, nach erneuter Anhörung erfolgt. Zum anderen hat die Beklagte die Feststellung erst für die Zeit ab der Bekanntgabe der Verfügung vom 8. September 2005 getroffen und damit nicht – wie der Kläger unterstellt – bereits rückwirkend ab Januar 2005. Schließlich hat die Beklagte den Entziehungsbescheid nicht in ein bloßes Informationsschreiben, sondern in einen feststellenden Verwaltungsakt umgedeutet.
Rz. 4
2. Ebenso wenig bedarf es entgegen der Beschwerdebegründung noch weiterer revisionsgerichtlicher Klärung, wer Adressat der vom Europäischen Gerichtshof in seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 formulierten Nichtanerkennungsbefugnis ist. In seinen Urteilen vom 11. Dezember 2008 – BVerwG 3 C 26.07 und 3 C 38.07 – juris, hat der Senat hierzu ausgeführt (a.a.O. Rn. 36 und Rn. 34):
“Bei dem den Mitgliedstaaten vom Europäischen Gerichtshof zugestandenen Recht, in ihrem Hoheitsgebiet die Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrberechtigung unter den genannten Voraussetzungen abzulehnen (‘kann’), handelt es sich um eine rechtliche Befugnis der Mitgliedstaaten zu einer entsprechenden Gestaltung ihres innerstaatlichen Rechts und nicht etwa um die Begründung eines Ermessensspielraums der Verwaltungsbehörden. Das folgt schon daraus, dass der Europäische Gerichtshof hier Regelungen einer Richtlinie ausgelegt hat, also eines Instruments des sekundären Gemeinschaftsrechts, das, wie Art. 249 EG zu entnehmen ist, gerade auf die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten angelegt ist und sich an sie richtet.”
Rz. 5
Die Beschwerde enthält keine Ansatzpunkte, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten.
Rz. 6
Soweit der Kläger – nur schlagwortartig – auf das “Bestimmtheitsgebot der Artikel 80 ff. GG” verweist, ist weder ein Bezug zu der vermeintlichen Grundsatzfrage noch zu der vom Kläger angesprochenen Anwendbarkeit von § 28 Abs. 4 FeV zu erkennen. Art. 80 Abs. 1 GG regelt in seinem Satz 1 die inhaltlichen Anforderungen an das zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigende Gesetz; er enthält in seinem folgenden Satz die Vorgabe, dass die Rechtsgrundlage in der Verordnung anzugeben ist. Es bleibt nach der Beschwerdebegründung unerfindlich, inwieweit diese Anforderungen verletzt sein könnten.
Rz. 7
Revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf besteht ebenso wenig im Hinblick auf das vom Kläger außerdem genannte Rückwirkungsverbot; er sieht es als ungeklärt an, wie eine auf die neuere EuGH-Rechtsprechung gestützte Anwendung von § 28 Abs. 4 FeV damit vereinbar sein könne, nachdem diese Regelung bereits lange vor den Urteilen vom 26. Juni 2008 ergangen sei. Der Sache nach geht es dabei um die Vereinbarkeit von § 28 Abs. 4 FeV mit dem gemeinschaftsrechtlichen Rahmen, der in Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG für die Nichtanerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis eröffnet wird. Diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben haben sich in Folge der Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 26. Juni 2008 aber nicht nachträglich geändert. Vielmehr wird durch die Auslegung einer Vorschrift, die der Europäische Gerichtshof in Ausübung der ihm durch Art. 234 Buchst. a EG verliehenen Befugnis vornimmt, die Bedeutung und Tragweite dieser Vorschrift erläutert und verdeutlicht, so wie sie seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Dementsprechend ist die Vorschrift auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor Erlass des auf das Auslegungsersuchen ergangenen Urteils entstanden sind (vgl. u.a. Urteil vom 15. Dezember 1995 – Rs. C-415/93, Bosman – Slg. I-4921 Rn. 141). Darauf hat der Senat ebenfalls bereits in seinen Urteilen vom 11. Dezember 2008 hingewiesen und klargestellt, dass darin keine unzulässige Rückwirkung liegt. (BVerwG a.a.O. Rn. 33 und Rn. 30).
Rz. 8
Auch soweit sich der Kläger auf die aus seiner Sicht unnötigen Kosten für eine Begutachtung und eine daraus resultierende Fahrerlaubnisentziehung beruft, ist eine Klärung bereits in den Urteilen des Senats vom 11. Dezember 2008 erfolgt. Danach sind die Klärung von Eignungszweifeln und auch eine förmliche Fahrerlaubnisentziehung in den vom Europäischen Gerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung anerkannten Fällen nicht zu beanstanden, wenn sich der Betroffene – wie dies auch beim Kläger der Fall war – auf die Geltung der in einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis berufen hat. Dazu wird ausgeführt (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 25 und Rn. 22):
“Im Hinblick auf die Auslegung, die der gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsgrundsatz bis dahin in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gefunden hatte (vgl. unten, Abschnitt d), konnte der Beklagte nicht mit Gewissheit davon ausgehen, dass er dem Kläger die in § 28 Abs. 4 FeV geregelten Ausnahmen von der Geltung einer EU-Fahrerlaubnis entgegenhalten durfte. Gleichwohl musste er sicherstellen, dass der Kläger, sollte sich seine fehlende Eignung erweisen, in Deutschland kein Kraftfahrzeug würde führen dürfen. Ausgehend davon war es dem Beklagten nicht verwehrt, in Übereinstimmung mit dem Kläger die Geltung der tschechischen Fahrerlaubnis im Inland zu unterstellen und ein förmliches Aberkennungsverfahren durchzuführen. Dabei war er an die rechtlichen Voraussetzungen eines solchen Verfahrens gebunden, zu denen insbesondere der Nachweis fehlender Eignung gehört. Demgegenüber kann der Kläger sich nicht darauf berufen, dass die Klärung von Eignungszweifeln mit von ihm zu tragenden Kosten verbunden ist; denn er ist es, der sich der Geltung seiner tschechischen Fahrerlaubnis auch im Inland berühmt.”
Rz. 9
3. Die vom Kläger außerdem aufgeworfene Frage, auf welche Art und Weise der Aufnahmemitgliedstaat die Nichtanerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis durchsetzen könne, führt ebenfalls nicht auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage im angestrebten Revisionsverfahren ohnehin nicht stellen; eine Einziehung des Führerscheins, auf die in der Beschwerdebegründung unter anderem abgestellt wird, hatte die Beklagte von vornherein nicht angeordnet. Auch wenn man die Fragestellung darauf beschränkt, inwieweit es zulässig ist, die Aberkennung des Rechts zum Gebrauchmachen von der Fahrerlaubnis im ausländischen Führerschein zu vermerken, ist eine Revisionszulassung nicht gerechtfertigt. Die Antwort ist, was das innerstaatliche Recht angeht, unmittelbar aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 und 2 FeV zu entnehmen. Diese Regelungen erlegen dem Fahrerlaubnisinhaber eine Pflicht zur Vorlage des Führerscheins bei der Fahrerlaubnisbehörde auf und ermächtigen die Behörde zur Eintragung der Entscheidung über die Entziehung im Führerschein (vgl. zur Auslegung von § 47 Abs. 2 FeV in der vor dem Inkrafttreten der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2008 ≪BGBl I S. 1338≫ geltenden Fassung: VGH München, Beschluss vom 6. Oktober 2005 – 11 CS 05.1505 – BayVBl 2006, 305). Ebenso liegt es auf der Hand und bedarf keiner weiteren revisionsgerichtlichen Klärung, dass nicht anders als der Fahrerlaubnisinhaber auch der Mitgliedstaat, der die EU-Fahrerlaubnis erteilt und das entsprechende Führerscheindokument ausgestellt hat, den Vorgaben der EU-Führerscheinrichtlinie unterliegt. Auch der Ausstellermitgliedstaat hat also die nach dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaates vorgesehenen Maßnahmen hinzunehmen, jedenfalls soweit diese dem Aufnahmemitgliedstaat nach Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG gestattet sind. Was die Fahrerlaubnis als solche angeht, hat der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 präzisiert, in welchem Umfang es dem Aufnahmemitgliedstaat nicht verwehrt ist, die Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis in seinem Hoheitsgebiet zu verweigern. Was den Führerschein betrifft, in dem diese Entscheidung anschließend dokumentiert werden soll, sieht die EU-Führerscheinrichtlinie selbst vor, dass der Aufnahmemitgliedstaat Eintragungen auch in einem ausländischen Führerschein vornehmen darf (vgl. für den Führerschein in Papierform Anhang 1 Nr. 4: “die für die Verwaltung des Führerscheins erforderlichen Angaben” und für den Führerschein in Kartenform Anhang 1a Nr. 3: “die für dessen Verwaltung unerlässlichen Angaben”). Es kann keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass zu den danach eintragungsfähigen Angaben auch die Aberkennung des Rechts gehört, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Aufnahmemitgliedstaat Gebrauch zu machen.
Rz. 10
4. Schließlich ist aus Sicht des Klägers fraglich, ob auch dann im Nachhinein die Anerkennung der Gültigkeit einer ausländischen Fahrerlaubnis versagt werden könne, wenn diese Fahrerlaubnis bereits ausdrücklich oder konkludent anerkannt worden sei, wie das die Beklagte hier mit der Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens und der Entziehungsverfügung vom 8. September 2005 zum Ausdruck gebracht habe. Auch dieser Vortrag genügt nicht für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Bereits die Prämisse des Klägers geht fehl. In den von ihm genannten Maßnahmen der Beklagten ist keine Anerkennung seiner tschechischen Fahrerlaubnis zu sehen. Sie dienten der Beklagten im Hinblick auf die zum Zeitpunkt des Erlasses der Entziehungsverfügung noch bestehenden Ungewissheiten darüber, ob dem Kläger die in § 28 Abs. 4 FeV geregelten Ausnahmen von der Geltung einer EU-Fahrerlaubnis entgegengehalten werden durften, vielmehr dazu, sicherzustellen, dass der Kläger, sollte sich seine fehlende Eignung erweisen, in Deutschland kein Kraftfahrzeug würde führen dürfen (vgl. dazu BVerwG a.a.O. Rn. 25 und Rn. 22).
Rz. 11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Buchheister
Fundstellen