Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Beschluss vom 10.10.2005; Aktenzeichen 4 LB 1/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 560 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 23. Dezember 1999, mit der ihr auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstückes … in F… die Sanierung des Grundwassers und der Bodenluft aufgegeben worden ist; die Kosten der vorsorglich angedrohten Ersatzvornahme belaufen sich auf ca. 2 Mio. DM. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2003 erfolgte eine Haftungsbeschränkung auf 80 % der Kosten, mindestens 560 000 € (Verkehrswert des Grundstückes). Die Klägerin hat das nunmehr mit einem Verkaufsmarkt bebaute Grundstück im Jahre 1982 von der Firma P…C… M… F…. Dampffärberei und chemische Reinigungsanstalt KG erworben, die dort von 1938 bis 1978 eine chemische Reinigung betrieb. Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Ordnungsverfügung erhobene Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit Beschluss vom 10. Oktober 2005 zurückgewiesen. Selbst wenn die Verhaltensverantwortlichkeit der früheren Prokuristin und späteren Betreiberin der chemischen Reinigung zweifelsfrei feststünde, sei das Auswahlermessen der Beklagten mit der Inanspruchnahme der (leistungsfähigen) Klägerin als Zustandsstörerin für eine effektive Gefahrenbeseitigung nicht zu beanstanden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine derartige Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dabei erfordert die gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO der Beschwerdeführerin obliegende Darlegungspflicht, innerhalb der Beschwerdefrist mindestens eine in diesem Sinne rechtsgrundsätzliche Frage konkret zu bezeichnen und einen Hinweis auf den Grund zu geben, der die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (stRspr, Beschluss vom 10. November 1992 – BVerwG 2 B 137.92 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 6).
Schon diesen Anforderungen an die Begründung genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Die Beschwerde greift lediglich die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Rechtsausführungen bezüglich der Nichtinanspruchnahme der (angeblichen) Verhaltensstörerin an und kleidet diese Kritik an der Entscheidung des Berufungsgerichts in die Frage, ob und wann die Inanspruchnahme eines Verhaltensstörers vorrangig vor der Inanspruchnahme des Zustandsstörers in Betracht zu ziehen ist. Mit ihrem Vorbringen stellt die Beschwerde auf die spezifischen Besonderheiten des vorliegenden Falles ab. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die in einer Vielzahl von Fällen von Bedeutung sein wird und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern vermag, ist damit nicht dargetan (stRspr, Beschluss vom 21. Februar 1990 – BVerwG 5 B 94.89 – Buchholz 424.01 § 1 FlurbG Nr. 9).
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines geltend gemachten Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Das Oberverwaltungsgericht hat seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt; dabei ist – entgegen der Beschwerde – allein auf das Berufungsverfahren abzustellen (Beschluss vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 53.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 8). Die Beschwerde ist unzutreffender Weise der Auffassung, das Berufungsgericht habe wegen Unterlassens der (nochmaligen) Vernehmung des Zeugen M…, der (erstmaligen) Vernehmung des Zeugen O… und des sachverständigen Zeugen Dr. Sch… den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und dieser Verfahrensfehler sei für die Entscheidung auch ursächlich. Die Beschwerde verkennt, dass bei Prüfung der Frage, ob das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensmangel, insbesondere auf einer Verletzung der Aufklärungspflicht beruht, von der materiellrechtlichen Beurteilung der Vorinstanz auszugehen ist, selbst wenn sich diese als unzutreffend erweisen sollte (stRspr, Beschluss vom 18. Juni 1998 – BVerwG 8 B 56.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154; Urteil vom 20. April 2004 – BVerwG 1 C 13.03 – BVerwGE 120, 298 ≪303≫). Nach der materiellrechtlichen Sicht des Oberverwaltungsgerichts kam es gar nicht darauf an, ob die Verhaltensverantwortlichkeit der Prokuristin und späteren Betreiberin der chemischen Reinigung gegebenenfalls mit Hilfe der Einvernahme von Zeugen hätte nachgewiesen werden können (UA S. 19 vorletzter Absatz). Selbst im Fall des Nachweises ihrer Verhaltensverantwortlichkeit wäre nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts eine Inanspruchnahme der Klägerin als Zustandsstörerin vom Auswahlermessen der Beklagten gedeckt gewesen, da sich wegen der besonders aufdrängenden Bedeutung einer effektiven und zeitnahen Gefahrenabwehr die Auswahlentscheidung auf die Inanspruchnahme der leistungsfähigen Zustandsverantwortlichen beschränken konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Herbert, Krauß, Guttenberger
Fundstellen