Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 30.09.2009; Aktenzeichen 8 A 05.40050) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. September 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme eventueller außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.
Rz. 3
Die Beschwerde macht als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht von einer Präklusion des klägerischen Vorbringens zu Verstößen gegen Bestimmungen des europäischen Artenschutzes ausgegangen sei. Unzutreffend habe der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass es an einem rechtzeitigen, hinreichend substantiierten Vorbringen zu dieser Problematik fehle. Denn der Kläger habe in einem Einwendungsschreiben vom 15. März 2001 auf den Landschaftspflegerischen Begleitplan Bezug genommen, der eine zutreffende Beschreibung der tatsächlichen Auswirkungen des Projekts auf die betroffenen Arten enthalte. Darüber hinaus verkenne das Gericht den Umfang der Rügeobliegenheit nach § 61 Abs. 3 BNatSchG a.F., wenn es davon ausgehe, den Stellungnahmen des Klägers ließen sich spezifisch artenschutzrechtliche Rügen nicht entnehmen, die Rügen seien erkennbar auf Rügen zum Habitatschutz ausgerichtet. Der Kläger habe nämlich bereits im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eine Gefährdung von Arten behauptet, indem er sich auf die im Landschaftspflegerischen Begleitplan enthaltene Tatsachenermittlung der Behörde gestützt habe. Außerdem führten Eingriffe in ein Habitat zwangsläufig zur Beeinträchtigung der dort vorhandenen Arten.
Rz. 4
Mit diesem Vortrag ist ein für das angefochtene Urteil erheblicher Verfahrensmangel nicht hinreichend dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Rz. 5
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (Beschlüsse vom 29. April 2003 – BVerwG 9 B 65.02 – juris Rn. 3 und vom 29. Oktober 2009 – BVerwG 9 B 41.09 – juris Rn. 16; stRspr). So liegen die Dinge hier. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorbringen des Klägers zum Artenschutz deshalb unberücksichtigt gelassen, weil er es nach § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG a.F., § 61 Abs. 3 BNatSchG a.F. für präkludiert hielt, und hat dies ausführlich damit begründet, dass der Kläger bis zum Ablauf der Einwendungsfrist keine hinreichend substantiierten Rügen zum Artenschutz vorgebracht habe. Insoweit greift die Beschwerde die tatsächliche und rechtliche Würdigung seines Vorbringens durch den Verwaltungsgerichtshof an, was jedoch eine Gehörsrüge nicht begründen kann. Darüber hinaus kann die Beschwerde, soweit sie einen Gehörsverstoß wegen der Nichtberücksichtigung des artenschutzrechtlichen Vorbringens in Bezug auf die Kaltenaue rügt, auch deshalb nicht durchdringen, weil der Verwaltungsgerichtshof sich ungeachtet der von ihm angenommenen Präklusion mit dem Vorbringen des Klägers ausführlich auseinander gesetzt hat (UA Rn. 97 ff.).
Rz. 6
Entsprechendes gilt für die weitere Rüge, der Einwand des Klägers, dass auch für die Bereiche außerhalb der Kaltentalquerung eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung erforderlich sei, könne als reiner Rechtsvortrag nicht präkludiert sein. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung nicht geteilt.
Rz. 7
2. Entgegen der Annahme des Klägers hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫; stRspr). Die vom Kläger in der Beschwerdebegründung bezeichnete Rechtsfrage:
“Ist ein Naturschutzverband gemäß § 61 Abs. 3 BNatSchG mit Einwendungen auch insoweit ausgeschlossen, als diese Einwendungen auf behördlichen Tatsachenermittlungen beruhen, welche Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses sind,
oder bezieht sich der Einwendungsausschluss des § 61 Abs. 3 BNatSchG nur auf solche Einwendungen, welche auf Tatsachenbehauptungen beruhen, die weder Gegenstand der behördlichen Sachverhaltsermittlungen waren, noch (zurechenbar) vom Naturschutzverband im Rahmen der Einwendungsfristen des Planfeststellungsverfahrens geltend gemacht wurden?”
erfüllt diese Anforderungen schon deshalb nicht, weil sie nicht hinreichend konkret ist. Inwieweit “Einwendungen auf behördlichen Tatsachenermittlungen beruhen, welche Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses sind”, und ob ein Naturschutzverband mit Einwendungen gemäß § 61 Abs. 3 BNatSchG a.F. “insoweit” ausgeschlossen ist, kann in dieser Allgemeinheit nicht Gegenstand grundsätzlicher höchstrichterlicher Klärung in einem Revisionsverfahren sein.
Rz. 8
Falls die Frage auf solche Einwendungen abzielen sollte, mit denen Naturschutzverbände behördliche Tatsachenermittlungen erstmals oder abweichend naturschutzfachlich bewerten, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass sich die Naturschutzverbände zur Vermeidung der Präklusion bereits im Verwaltungsverfahren mit dem vorhandenen Material unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten kritisch auseinandersetzen müssen. Je umfangreicher und intensiver die vom Vorhabenträger bereits vorgenommene Begutachtung und fachliche Bewertung in den ausgelegten Planunterlagen ausgearbeitet ist, umso intensiver muss auch die Auseinandersetzung mit dem vorhandenen Material ausfallen. Damit sollen die Naturschutzverbände angehalten werden, ihre Sachkunde bereits im Verwaltungsverfahren einzubringen (vgl. Urteile vom 22. Januar 2004 – BVerwG 4 A 4.03 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 4 S. 27 f. und vom 1. April 2004 – BVerwG 4 C 2.03 – BVerwGE 120, 276 ≪insoweit nicht abgedruckt in der amtlichen Sammlung≫; Beschluss vom 12. April 2005 – BVerwG 9 VR 41.04 – juris Rn. 31 ≪insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 16≫). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn die Verbände eine eigenständige, auf den von der Behörde ermittelten Tatsachen “beruhende” naturschutzfachliche Bewertung erst im Klageverfahren vorbringen könnten. Die Beschwerde zeigt insoweit auch keinen Bedarf für eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf. Weshalb der weitgehende Abschluss der FFH-Gebietsmeldungen hierfür Anlass geben sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Der Senat kann auch nicht erkennen, dass die anerkannten Naturschutzverbände generell nicht in der Lage sind, eine umfassende und gründliche Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen eines Projekts durch die Behörde innerhalb der Einwendungsfrist eigenständig naturschutzfachlich zu beurteilen. Deshalb steht einer so verstandenen Präklusion auch Europarecht nicht entgegen, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat (Urteil vom 14. April 2010 – BVerwG 9 A 5.08 – juris Rn. 107 f.).
Rz. 9
Die Grundsatzrüge kann im Übrigen auch dann nicht durchdringen, wenn unterstellt wird, dass sich die Frage auf Einwendungen beziehen soll, die aus der behördlichen Tatsachenermittlung hergeleitet werden, ohne deren Richtigkeit in Frage zu stellen. Die Beschwerde deutet zu diesem Aspekt lediglich an, dass ihrer Auffassung nach die tatsächlichen Feststellungen des vorliegenden Landschaftspflegerischen Begleitplans die Notwendigkeit einer speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung für den gesamten Trassenbereich ohne Weiteres erkennen ließen. Insoweit ist jedoch eine Einzelfallproblematik angesprochen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass gleichwohl fallübergreifender Klärungsbedarf in diese Richtung besteht. Davon abgesehen lässt sich der angegriffenen Entscheidung auch nichts für die Annahme der Beschwerde entnehmen, dass sich die Notwendigkeit einer speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung für den gesamten Trassenbereich bereits unmittelbar aus dem Landschaftspflegerischen Begleitplan ergibt.
Rz. 10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Buchberger, Dr. Christ
Fundstellen