Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 19.05.2004; Aktenzeichen 20 B 03.3187) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die Rechtssache besitzt nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger beimessen.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. In der Beschwerdebegründung muss deshalb eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen und ausformuliert sowie ein Grund dafür angegeben werden, weshalb sie im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts höchstrichterlicher Klärung bedarf. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen wären in einem künftigen Revisionsverfahren entweder nicht entscheidungserheblich oder nicht (mehr) klärungsbedürftig.
1.1 Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheidet eine Privilegierung der umstrittenen Pferdehaltung im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB aus, weil sie nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Den entscheidenden Grund dafür sieht die Vorinstanz in der den Klägern erteilten beschränkten Baugenehmigung, die lediglich die Unterbringung von zwei Pferden an ihrem Wohnort zulässt. In der Haltung von nur zwei Pferden kann nicht ein auf Dauer angelegter landwirtschaftlicher (Nebenerwerbs-)Betrieb gesehen werden. Das ist in der Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 1995 – BVerwG 4 B 2.95 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 306). Das erstrebte Revisionsverfahren gäbe dem Senat daher keine Gelegenheit, auf die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zu einigen ihrer Ansicht nach ungeklärten landwirtschaftlichen “Privilegierungskriterien” im Rahmen von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB einzugehen. Diese Fragen würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Es kann daher offen bleiben, ob sie überhaupt in einer über die konkreten Umstände des Einzelfalls hinausreichenden, verallgemeinerungsfähigen Weise beantwortet werden könnten.
1.2 Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen eine nicht landwirtschaftliche Pferdehaltung in den Anwendungsbereich des Privilegierungstatbestandes von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB fallen kann. Die Kläger möchten in diesem Zusammenhang insbesondere geklärt wissen, ob individuelles Freizeitvergnügen der Privilegierung einer Pferdehaltung im Außenbereich entgegensteht. Damit zeigt die Beschwerde keinen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf auf.
Nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich u.a. privilegiert zulässig, wenn es wegen seiner “besonderen Zweckbestimmung” nur im Außenbereich ausgeführt werden soll. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass nach dieser Vorschrift nur solche Vorhaben privilegiert sind, die über eine individuelle und die Allgemeinheit ausschließende Nutzung des Außenbereichs hinausgehen. Am Merkmal des “Sollens” fehlt es immer dann, wenn gegenüber dem allgemeinen Bedürfnis nach Erholung in der freien Natur, dem der Außenbereich dient, individuelle Freizeitwünsche bevorzugt werden sollen. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ist deshalb nach ständiger Rechtsprechung nicht anwendbar, wenn ein Vorhaben aus Liebhaberei errichtet und betrieben wird. Darunter fallen insbesondere Vorhaben, die im Wesentlichen der individuellen Freizeitgestaltung dienen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 1969 – BVerwG 4 C 19.68 – BVerwGE 34, 1 – Fischerhütten; Beschluss vom 29. August 1989 – BVerwG 4 B 61.89 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 256 = DÖV 1989, 1095 – Unterstand für zwei Reitpferde; Beschluss vom 4. Juli 1991 – BVerwG 4 B 109.91 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 274 – Hundesportplätze; Beschluss vom 19. September 1995 – BVerwG 4 B 208.95 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 313 – Fischteich; Beschluss vom 18. Dezember 1995 – BVerwG 4 B 286.95 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 318 – Trainingsstall für Rennpferde).
Der vorliegende Streitfall böte dem beschließenden Senat in einem Revisionsverfahren keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken oder sie zu modifizieren. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden wäre (§ 137 Abs. 2 VwGO), hat die Pferdehaltung der Kläger, die sich unter den gegebenen Umständen auf zwei Reitpferde beschränkt, den Charakter einer Liebhaberei. In einem Revisionsverfahren würde sich daher die vom Berufungsgericht angesprochene Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Weidetierhaltung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert ist, die über die Liebhaberei hinausgeht, aber noch nicht die Merkmale eines landwirtschaftlichen Betriebes erfüllt, nicht stellen. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen der Beschwerde rechtfertigen die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Nach Art. 20a GG schützt der Staat die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung, an die die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG). § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB schränkt die private Nutzung des Außenbereichs aus übergeordneten Gründen der Schonung des Außenbereichs ein. Einer solchen Regelung steht Art. 20a GG nicht entgegen. Klärungsbedürftige Rechtsfragen zur Auslegung von Art. 20a GG wirft die Beschwerde im Übrigen nicht auf.
Der von der Beschwerde gezogene Vergleich zu Jagdhütten, Fischereihütten und Schießsportanlagen, die ihrer Ansicht nach gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert sein können, gibt dem Senat ebenfalls keinen Anlass, seine bisherige Rechtsprechung in einem Revisionsverfahren zu überdenken. Jagdhütten können nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 privilegiert sein, wenn ohne sie die auch den Interessen der Allgemeinheit dienende und durch § 1 BJagdG angeordnete Jagdausübung nicht möglich ist. Die Privilegierung setzt voraus, dass sowohl die Errichtung der Hütte als auch die Jagdausführung erforderlich sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 1995 – BVerwG 4 B 209.95 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 315). Die Hobbyfischerei rechtfertigt keine Hütten (BVerwG, Urteil vom 14. Mai 1969 – BVerwG 4 C 19.68 – a.a.O.). Schießplätze und Schießstände können im Einzelfall im Außenbereich privilegiert sein, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein allgemeines Interesse daran besteht, Personen die Möglichkeit zu Schießübungen zu geben, die als Jäger oder aus anderen Gründen berechtigt sind, Schusswaffen zu führen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1978 – BVerwG 4 C 53.76 – Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 150).
Die weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zum Gleichheitssatz, zur Eigentumsgarantie, Berufsfreiheit und Pensionspferdehaltung sind im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
2. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
2.1 Die Beschwerde sieht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, dass das Berufungsgericht auf das Pachtverhältnis betreffend die streitgegenständliche Wiese und die ergänzende Pensionsvereinbarung in den Gründen seiner Entscheidung nicht näher eingegangen ist. Die Beschwerde rügt ferner, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Kläger, sie bauten einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb auf, in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt habe.
Diese Rügen bleiben erfolglos. Ein Gericht ist nicht verpflichtet, jedes rechtliche Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 86, 133 ≪146≫; 87, 363 ≪392 f.≫). Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt (BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 – BVerwG 6 B 65.98 – NVwZ-RR 1999, 745). Aus dem Schweigen der Urteilsgründe zu Einzelheiten des Vortrags eines Beteiligten kann allein noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe das Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen (BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 – BVerwG 9 B 797.98 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4). Mit der Beschwerde muss vorgetragen und substantiiert belegt werden, dass das Gericht wesentlichen (entscheidungserheblichen) Sachvortrag des unterlegenen Beteiligten unbeachtet gelassen hat.
Diesen Anforderungen an die Darlegung einer Gehörsrüge erfüllt die Beschwerde nicht. Die Frage nach dem Vorliegen einer privilegierenden Pensionspferdehaltung bei dem (ehemaligen) Pächter der umstrittenen Wiese stellte sich dem Berufungsgericht nicht, weil die Voraussetzungen dieser Privilegierung nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich nicht vorlagen. Pensionspferdehaltung umfasst auch und vor allem die Unterbringung der Weidetiere. Dazu reichen ein Weideunterstand und ein Weidezaun nicht aus. Im Streitfall befindet sich der Pferdestall auf dem Anwesen der Kläger. Die Bemühungen der Kläger um den Aufbau eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebs waren für das Berufungsgericht ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Es weist ausdrücklich darauf hin, für die rechtliche Beurteilung der Beseitigungsanordnung sei im Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung allein maßgeblich, dass den Klägern baurechtlich nur die Unterbringung von zwei Pferden genehmigt worden ist.
2.2 Soweit die Beschwerde geltend macht, die Beseitigungsanordnung sei rechtswidrig, weil die Kläger die Privilegierungsvoraussetzungen für Weidezaun und Weideunterstand in absehbarer Zukunft erfüllen würden, und in diesem Zusammenhang die Aussagen im Gutachten des Landwirtschaftsamtes Neumarkt vom 20. Januar 2003 kritisieren, greifen sie die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung an. Materiellrechtliche Angriffe gegen das Berufungsurteil, die in das Gewand einer Gehörsrüge gekleidet werden, können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründen.
2.3 Die Beschwerde sieht eine Versagung des rechtlichen Gehörs schließlich darin, dass es den Klägern im Berufungsverfahren nicht möglich gewesen sei, förmliche Beweisanträge zur fehlerhaften Ermessensausübung bei Erlass der Beseitigungsverfügung zu stellen. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2004 enthalte keine Darlegungen des zuständigen Landratsamts zur Ausübung des Beseitigungsermessens. Im Berufungsurteil werde jedoch ausgeführt, dass die Ermessensausübung nicht zu beanstanden sei; das Landratsamt habe “sein Ermessen gegenüber dem Gericht überzeugend dargelegt”.
Die Rüge ist unbegründet. Mit seinen Ausführungen zur Ermessensausübung knüpft das Berufungsgericht ersichtlich an die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils an, auf die es gemäß § 130b VwGO Bezug nimmt. Das Verwaltungsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass das Landratsamt sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe, und stützt sich dabei auf den Schriftsatz des Landratsamts vom 6. Oktober 2003, der dem (damaligen) Prozessbevollmächtigten der Kläger übersandt worden war. Bereits die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils hätten den Klägern Anlass geben können, Ermessensfehler der Beseitigungsanordnung geltend zu machen und auch unter Beweis zu stellen. Ein Fall der fehlenden Äußerungsmöglichkeit ist hier nicht gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Gatz
Fundstellen
Haufe-Index 1251183 |
BauR 2005, 1136 |
BBB 2006, 49 |
FSt 2005, 499 |
FuBW 2005, 895 |