Verfahrensgang

VG Dresden (Aktenzeichen 11 K 3366/96)

 

Tenor

Soweit der Kläger zu 2 Beschwerde erhoben hat, wird das Verfahren eingestellt.

Die Beschwerde des Klägers zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 22. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Die bis zur Zurücknahme der Beschwerde durch den Kläger zu 2 entstandenen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner, die danach entstandenen Kosten trägt der Kläger zu 1 allein, jeweils mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Kläger beanspruchen als Mitglieder einer Erbengemeinschaft die Rückübertragung eines Hausgrundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen – VermG –. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil die Beigeladenen ein dingliches Nutzungsrecht an dem Grundstück und das Eigentum an dem darauf errichteten Gebäude redlich erworben hätten, sodass die Rückübertragung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen sei.

Soweit der Kläger zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil Beschwerde erhoben hat, muss das Beschwerdeverfahren in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt werden, weil er seinen Rechtsbehelf zurückgenommen hat.

Die noch zur Entscheidung stehende Beschwerde des Klägers zu 1 ist nicht begründet. Die Rechtssache weist weder die von ihm geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1.) noch sind die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensfehler erkennbar (2.).

1. Die in der Beschwerde als klärungsbedürftig bezeichneten Fragen, ob

  • „ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erteilung einer der vormaligen Verwaltungspraxis in der DDR oder den damals geltenden Regelungen widersprechenden Wohnraumzuweisung und dem Erwerb von Eigentum oder dinglichem Nutzungsrecht besteht, wenn zwischen der Wohnraumzuweisung und dem Erwerb ein Zeitraum von mehr als 10 Jahren liegt,”
  • und ob

    „es im Rahmen des § 4 Abs. 3 Buchst. a und b VermG überhaupt auf einen sog. engen zeitlichen Zusammenhang ankommt, wenn die Wohnraumzuweisung jedenfalls auf die Bedingungen des Erwerbs oder auf die Auswahl des Erwerbsgegenstandes eingewirkt haben (§ 4 Abs. 3 Buchst. b VermG)”,

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

Der Senat hat bereits entschieden, dass die für die Annahme eines unredlichen Erwerbs in Betracht kommenden Umstände den Erwerbsvorgang als solchen betreffen und diesen als auf einer sittlich anstößigen Manipulation beruhend erscheinen lassen müssen. Das ist nicht mehr der Fall, wenn die Anstößigkeit sich auf einen Vorgang bezieht, der zwar bei einer bloßen Kausalitätsbetrachtung ursächlich für die sich später eröffnende Erwerbschance gewesen ist, dem aber keine „Ausstrahlungswirkung” auf den späteren Erwerb mehr zukommt (Beschluss vom 15. April 1998 – BVerwG 7 B 114.98 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 54). Ausgehend von dieser Rechtsprechung liegt es auf der Hand, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen einer manipulativ erwirkten Wohnraumzuweisung und dem darauf folgenden Eigentumserwerb die Anstößigkeit des Erwerbs indiziert. Ebenso ist es offenkundig, dass von einem solchen engen zeitlichen Zusammenhang nicht mehr die Rede sein kann, wenn bis zu dem Eigentumserwerb mehr als zehn Jahre vergehen, und dass mit zunehmenden Zeitabstand auch die Notwendigkeit wächst, die Annahme von Ausstrahlungswirkungen einer in anstößiger Weise erhaltenen Wohnraumzuweisung auf den Eigentumserwerb anhand anderer Umstände des Einzelfalles zu belegen.

Die weitere vom Kläger zu 1 mit seiner Beschwerde aufgeworfene Frage, ob

„unter einer persönlichen Machtstellung im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. b VermG nur eine Stellung in der SED oder hierunter auch eine gesellschaftliche Stellung, z.B. als Generaldirektor der sächsischen Landesbühnen, zu verstehen ist, die Kraft ihres Ansehens Machtbefugnisse verleiht”,

kann schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich war; denn in dem angegriffenen Urteil wird selbst für den Fall, dass der Beigeladene als Funktionsträger anzusehen sein sollte, eine Ausnutzung der damit verbundenen persönlichen Machtstellung beim Gebäudeerwerb verneint.

Einen Erfolg der Beschwerde kann auch nicht die Frage begründen, ob

„die wirksame Verleihung eines Nutzungsrechts an einem volkseigenen Grundstück vorliegt, wenn zwar die entsprechende Urkunde ausgefertigt und unterschrieben ist, allerdings die entsprechende Bestätigung durch den Rat des Bezirks nicht ausgefertigt und unterschrieben wurde”;

denn sie setzt Tatsachen voraus, die das Verwaltungsgericht so nicht festgestellt hat. Abgesehen davon, betrifft diese Rüge keine Frage revisiblen Rechts im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO. Darüber hinaus verkennt der Kläger zu 1, dass auf der Urkunde über die Verleihung des Nutzungsrechts keine Bestätigung dieses Rechts durch den Rat des Bezirks vorgesehen ist, sondern nur die Bestätigung der Eintragung dieses Rechts im Grundbuch durch den Liegenschaftsdienst des Rates des Bezirks.

2. Auch die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe es unter Verstoß gegen seine Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO unterlassen, den Zeugen Schm. „zu dem zeitlichen Zusammenhang zwischen den Vorfällen, die der Beigeladene zu 2 ihm gegenüber 1993 schilderte, und dem Zeitpunkt des Erwerbes” zu vernehmen, ist nicht berechtigt; denn eine solche Beweisaufnahme musste sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage des Schreibens dieses Zeugen vom 14. August 1995 (Bl. 475 f. der Verwaltungsvorgänge) nicht aufdrängen. Anders als der Kläger geltend macht, behandelt dieses Schreiben ausschließlich die Umstände des Umzuges des Beigeladenen nach Dresden. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge in seinem Gespräch mit dem Beigeladenen auch etwas über die Umstände des Eigentumserwerbs in Erfahrung gebracht hat, enthält das Schreiben nicht. Vielmehr heißt es dort (Bl. 2, vorletzter Absatz) ausdrücklich:

„Nach den Eigentumsverhältnissen, wie sie sich aus der Sicht der Familie Schu. ergibt, habe ich nicht gefragt. Ich ging nach den Schilderungen jedoch davon aus, daß die Stadt Eigentumsrechte hatte.”

Schließlich musste das Verwaltungsgericht – anders als der Kläger zu 1 rügt – auch keine Veranlassung haben, die Grundakten beizuziehen. Das Gericht hat anhand der ihm vorliegenden Urkunde (Bl. 530 der Verwaltungsvorgänge) festgestellt, dass das Nutzungsrecht wirksam verliehen worden sei, und sich auf den Standpunkt gestellt, dass eine Eintragung des Nutzungsrechts im Grundbuch keine Wirksamkeitsvoraussetzung sei. Demgemäß war für das Verwaltungsgericht auch ohne Belang, ob der Liegenschaftsdienst des Rates des Bezirks die Grundbucheintragung bestätigt hat, wie es auf der Rückseite der Urkunde vorgesehen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Kley, Neumann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566681

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