Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 22.02.2006; Aktenzeichen 9 S 1930/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (1.) noch unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels (2.) Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Die grundsätzliche Bedeutung ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darzulegen; dies verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
a) Der Antragsteller will geklärt wissen, ob “das Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Gültigkeit einer Norm des untergesetzlichen Landesrechts mit der Begründung verneint werden (darf), die Klärung sei für den Normenkontrollkläger nutzlos”. Für die Beantwortung dieser Frage bedarf es keines Revisionsverfahrens, denn sie ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt. Danach kommt es für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags maßgeblich darauf an, ob der Antragsteller geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Liegt diese Voraussetzung vor, ist regelmäßig auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Dieses fehlt nur dann, wenn das Ergebnis der erstrebten Normprüfung die Rechtsstellung des Antragstellers nicht verbessern kann, für ihn also wertlos ist. Das Normenkontrollgericht wird unnütz in Anspruch genommen, falls der Antragsteller unabhängig vom Ausgang des Normenkontrollverfahrens keine reale Chance hat, sein eigentliches Ziel zu erreichen (Beschluss vom 25. Mai 1993 – BVerwG 4 NB 50.92 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 79; Urteil vom 23. April 2002 – BVerwG 4 CN 3.01 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 156 m.w.N.). Inwieweit über diese Grundsätze hinaus weiterer, allgemeiner Klärungsbedarf bestehen soll, zeigt die Beschwerde nicht auf.
b) Die Beschwerde stellt die Frage, ob “das Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Gültigkeit einer Norm des untergesetzlichen Landesrechts wegen ‘Nutzlosigkeit’ verneint werden (darf), obwohl der Normenkontrollkläger mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft eine inhaltsgleiche Norm zu beachten haben wird”. Sie fragt weiter, ob “in diesem Fall das Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Gültigkeit einer Norm des untergesetzlichen Landesrechts wegen ‘Nutzlosigkeit’ verneint werden (darf), weil sich der Normenkontrollkläger – dem Zwang der Norm entsprechend – ‘normgerecht’ verhalten hat”. Diese Fragen würden sich dem Senat in dem erstrebten Revisionsverfahren so nicht stellen. Denn er hätte zu berücksichtigen, dass die Verordnung des baden-württembergischen Wissenschaftsministeriums über die zentrale Vergabe von Studienplätzen vom 27. Januar 2005 (GBl S. 167) – VVO-ZVS 2005 –, die nach ihrem § 25 Abs. 1 Satz 2 zeitlich von vornherein auf die beiden Vergabeverfahren zum Wintersemester 2005/2006 und zum Sommersemester 2006 begrenzt war, inzwischen durch die Vergabeverordnung vom 23. April 2006 (GBl S. 114) – VVO-ZVS 2006 – ersetzt worden ist. Die neue Verordnung enthält die zwischen den Beteiligten umstrittene, zwischen “Altabiturienten” und “Neuabiturienten” unterscheidende Regelung über Bewerbungsfristen für außerkapazitäre Zulassungsanträge (s. § 24 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VVO-ZVS 2005) nicht mehr. Vielmehr sieht § 24 VVO-ZVS 2006 für solche Zulassungsanträge nunmehr einheitliche Bewerbungsfristen (15. Januar bzw. 15. Juli) unabhängig vom Zeitpunkt des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung vor. Unter diesen Umständen wäre das Revisionsverfahren nicht geeignet, die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen in dem von ihr erstrebten allgemeinen Sinne zu beantworten.
c) Die Frage, ob “das Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Gültigkeit einer Norm des untergesetzlichen Landesrechts nach Außerkrafttreten wegen ‘Nutzlosigkeit’ verneint werden (darf), wenn der Antragsteller in typischer Weise andere Normbetroffene repräsentiert”, rechtfertigt ebenso wenig die Zulassung der Revision. Das Normenkontrollgericht ist davon ausgegangen, dass die angestrebte Verwerfung der Norm für den Antragsteller in jeder Hinsicht wertlos ist. Unter dieser Voraussetzung fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis auch dann, wenn es für andere Normbetroffene (noch) vorhanden sein sollte. Ob die Annahme des Normenkontrollgerichts zutrifft, ist nicht grundsätzlich bedeutsam, sondern betrifft nur den Einzelfall.
d) Zulassungserheblich sind schließlich auch nicht die Fragen, die die Beschwerde im Hinblick auf die weiteren Erwägungen formuliert, mit denen der Verwaltungsgerichtshof den Normenkontrollantrag als (auch) unbegründet abgelehnt hat. Diese Erwägungen tragen das angefochtene Urteil nicht. Denn wegen der Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung einer Prozess- und einer Sachabweisung darf eine Klage oder ein Normenkontrollantrag nicht zugleich aus prozessrechtlichen und aus sachlich-rechtlichen Gründen abgewiesen werden. Aus diesem Grund ist eine von der Vorinstanz der Prozessabweisung beigegebene Sachbeurteilung bei der Bestimmung des maßgeblichen Urteilsinhalts als nicht geschrieben zu behandeln (Urteil vom 12. Juli 2000 – BVerwG 7 C 3.00 – BVerwGE 111, 306 ≪312≫ = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 3. November 2000 – BVerwG 6 B 2.00 – juris) und hat bei der Prüfung, ob die Revision zuzulassen ist, außer Betracht zu bleiben.
2. Indem die Beschwerde beanstandet, dass der Normenkontrollantrag wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses abgelehnt worden ist, erhebt sie sinngemäß auch eine Verfahrensrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt indes nicht vor. Zwar kann in der Entscheidung durch Prozessurteil statt durch Sachurteil ein Verfahrensfehler liegen, wenn sie auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht (Beschlüsse vom 4. Juli 1968 – BVerwG 8 B 110.67 – BVerwGE 30, 111 ≪113≫ und vom 21. Oktober 2004 – BVerwG 3 B 76.04 – juris). Das Normenkontrollgericht hat dem Antragsteller aber unter den hier vorliegenden Umständen zu Recht ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Rechtsgültigkeit der angegriffenen Fristenregelung abgesprochen.
Wie oben in anderem Zusammenhang bereits ausgeführt, soll mit dem Erfordernis eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses (nur) vermieden werden, dass die Gerichte in eine Normprüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist (Urteil vom 23. April 2002 a.a.O.). Grundsätzlich kann ein Normenkontrollantrag daher auch gegen eine bereits aufgehobene bzw. auslaufende Rechtsnorm zulässig sein, wenn in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch nach ihr zu entscheiden sind. Entfaltet in einem solchen Fall die Norm noch Wirkungen, kann ein Interesse an der Feststellung ihrer Unwirksamkeit fortbestehen; andernfalls fehlt regelmäßig dieses Interesse (s. auch Beschluss vom 29. Juni 2001 – BVerwG 6 CN 1.01 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 149).
Von diesen Grundsätzen hat sich das Normenkontrollgericht leiten lassen. Es ist ohne Verstoß gegen revisibles Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene, für künftige Vergabeverfahren nicht mehr geltende Fristenregelung des § 24 i.V.m. § 3 Abs. 2 VVO-ZVS 2005 in Bezug auf die abgelehnten Bewerbungen des Antragstellers für das Wintersemester 2005/2006 und das Sommersemester 2006 im Ergebnis unerheblich ist. Dabei ist das Normenkontrollgericht zutreffend davon ausgegangen, dass bei teilbaren Normen die verwaltungsgerichtliche Kontrolle auf den Teil des Normgefüges beschränkt ist, auf den sich die geltend gemachte Rechtsverletzung bezieht (Urteil vom 17. Februar 2005 – BVerwG 7 CN 6.04 – Buchholz 451.221 § 12 KrW-/AbfG Nr. 3). Es hat § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VVO-ZVS 2005 dahin ausgelegt, dass jeweils die erste dort genannte Alternative (Bewerbungsfrist der “Altabiturienten” bis 30. November für das Sommersemester bzw. 31. Mai für das Wintersemester) zur zweiten Alternative (Bewerbungsfrist bis zum 15. Januar bzw. 15. Juli in den übrigen Fällen) im Verhältnis der speziellen zur allgemeinen Norm steht. Aus dem Normzweck und dem mutmaßlichen Willen des Normgebers hat der Verwaltungsgerichtshof geschlossen, dass die jeweiligen zweiten Alternativen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 VVO-ZVS 2005 von der erstrebten Erklärung der Unwirksamkeit der jeweiligen ersten Alternativen unberührt blieben und auch für “Altabiturienten” eine sinnvolle, sich in das Konzept der Norm einfügende Regelung ergäben.
Auf der Grundlage dieser den Senat bindenden Auslegung irrevisiblen Landesrechts hat das Normenkontrollgericht festgestellt, dass der Antragsteller zum Wintersemester 2005/2006 nicht nur die Bewerbungsfrist des § 24 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 VVO-ZVS 2005 (31. Mai 2005), sondern auch die von ihm nicht angegriffene Bewerbungsfrist des § 24 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 (15. Juli 2005) versäumt hat. Bezogen auf das Sommersemester 2006 hat er dagegen die in beiden Alternativen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VVO-ZVS 2005 genannten Fristen (30. November 2005 und 15. Januar 2006) eingehalten. Daher hat der Antragsteller, dessen Begehren auf Zulassung zum Studium nach der Sach- und Rechtslage des Semesters zu beurteilen ist, zu dem er sich um außerkapazitäre Zulassung erfolglos beworben hat (Urteil vom 22. Juni 1973 – BVerwG 7 C 7.71 – BVerwGE 42, 296 ≪299 f.≫), unabhängig vom Ausgang des Normenkontrollverfahrens keine Chance, bezogen auf das Wintersemester 2005/2006 sein Ziel zu erreichen. Auch im Hinblick auf das Sommersemester 2006 ist das Normenkontrollverfahren, wiederum unabhängig von seinem Ausgang, nicht geeignet, die Rechtsstellung des Antragstellers zu verbessern. Da die umstrittene Fristenregelung in Vergabeverfahren für nachfolgende Semester nicht mehr gilt, fehlt dem Antragsteller insgesamt das Feststellungsinteresse. Die abstrakte Möglichkeit, dass der baden-württembergische Verordnungsgeber bei einer späteren Rechtsänderung zu einer Norm, die der angegriffenen entspricht, zurückkehren oder der Antragsteller sich bei Bewerbungen an Universitäten anderer Bundesländer ähnlichen Fristenregelungen ausgesetzt sehen könnte, ist zu entfernt, um sein Interesse an einer Überprüfung der hier angegriffenen Norm zu rechtfertigen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Vormeier, Dr. Bier
Fundstellen