Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 17.12.2013; Aktenzeichen 5 A 1635/12) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 893,18 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin betreibt eine Großschlachterei für Schafe. Für die im Zeitraum 1. bis 30. April 2011 in ihrem Betrieb durchgeführten amtlichen veterinär- und hygienerechtlichen Untersuchungen zog der Beklagte sie mit Bescheid vom 18. Mai 2011 zu Gebühren in Höhe von 32 845,68 EUR heran. Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Bescheides, soweit darin Gebühren von mehr als 6 952,50 EUR festgesetzt sind. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil bleibt ohne Erfolg. Weder kommt der Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu, noch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus sowie die Darlegung, dass deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26 S. 14 m.w.N. und vom 11. Juli 2013 – BVerwG 3 B 97.12 – juris Rn. 9). Die Beschwerdebegründung genügt diesen Anforderungen nicht.
Der Beklagte bezeichnet die Frage als klärungsbedürftig,
„inwieweit aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19.03.2009 in der Rechtssache C-309/07 der nationale Hoheitsträger auch nach Änderung eines Tarifvertrags Gebühren erheben kann, die nach der Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere innerhalb einer Tierart gestaffelt sind, wenn feststeht, dass diese Faktoren sich tatsächlich auf die Kosten auswirken, die für die Durchführung der in den einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts vorgeschriebenen veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen tatsächlich anfallen”.
a) Hierzu macht er zusammengefasst geltend, dass die angefochtene Entscheidung gegen Unionsrecht verstoße. Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. März 2009 – Rs. C-309/07 – (Slg. 2009 I-2077, Rn. 20 ff.) sei geklärt, dass der nationale Hoheitsträger für die veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen eine Gebühr erheben könne, die nach der Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere innerhalb einer Tierart gestaffelt sei, wenn feststehe, dass diese Faktoren sich tatsächlich auf die Kosten auswirkten, die für die Durchführung der amtlichen Untersuchungen anfielen. In Widerspruch dazu habe der Verwaltungsgerichtshof weitergehende Anforderungen an die Gebührenerhebung gestellt; denn er verlange, dass sich die Vergütungsregelung des Tarifvertrags für die Beschäftigten in der Fleischuntersuchung vom 15. September 2008 in der Gebührensatzregelung der Verwaltungskostenordnung 2009 (GVBl I S. 522) widerspiegeln müsse; zudem erkenne er nicht an, dass es auch nach der Umstellung der Vergütung für Tätigkeiten in Großbetrieben von einer Abrechnung nach Stückzahl auf eine Abrechnung nach Zeitaufwand gerechtfertigt sei, bei der Gebührenbemessung nach „Großbetrieb” und „sonstiger Betrieb” und innerhalb der beiden Gruppen degressiv nach der Zahl der geschlachteten Tiere zu differenzieren, weil sich diese Faktoren auch unter Geltung des neuen Tarifvertrags maßgeblich auf die Kosten auswirken würden.
Mit diesem Vorbringen legt die Beschwerde keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dar. Sie wendet sich vielmehr im Stil einer Berufungsbegründung gegen die vermeintlich fehlerhafte Anwendung des durch den Europäischen Gerichtshof bereits „geklärten” Rechts durch den Verwaltungsgerichtshof. Hierauf lässt sich der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht stützen (vgl. Beschluss vom 13. Oktober 2011 – BVerwG 3 B 38.11 – juris Rn. 3).
b) Darüber hinaus fehlt der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage die Klärungsbedürftigkeit, weil sie nicht entscheidungserheblich ist.
Ist ein Urteil auf mehrere die Entscheidung selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser tragenden Gründe ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom 17. April 1985 – BVerwG 3 B 26.85 – Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 53 S. 93 f. und vom 27. Januar 2014 – BVerwG 3 B 24.13 – juris Rn. 3, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzung erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Verwaltungskostenordnung 2009 auch in der rückwirkend geänderten Fassung der Dritten Änderungsverordnung vom 28. November 2013 (GVBl I S. 652) keine rechtmäßige Grundlage für den streitigen Gebührenbescheid biete. Dafür hat es nicht allein darauf abgestellt, dass die Gebührenregelung nicht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entspreche (UA Rn. 40), sondern es hat seine Annahme zusätzlich und selbstständig tragend darauf gestützt, dass die rückwirkend geänderte Definition des „Großbetriebs” in der Verwaltungskostenordnung gegen die Regelung des § 4 Abs. 6 des Hessischen Veterinärkontroll-Kostengesetzes verstoße, die eine abweichende Begriffsbestimmung vorgebe (UA Rn. 39). Die Beschwerde wendet gegen diese zweite tragende Erwägung zwar ein, dass es auf die der Verwaltungskostenordnung entgegenstehende Formulierung im Veterinärkontroll-Kostengesetz nicht mehr ankomme, da das Gesetz mittlerweile obsolet sei und die Gebühren nunmehr allein nach § 3 Abs. 4 des Hessischen Verwaltungskostengesetzes und nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 zu bemessen seien. Damit zeigt sie aber keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO auf.
c) Sofern die Beschwerde der Sache nach auch auf den Zulassungsgrund der Divergenz gestützt sein sollte, lägen dessen Voraussetzungen gleichfalls nicht vor. Mit der behaupteten Abweichung von einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bezeichnet die Beschwerde keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, weil der Gerichtshof nicht zu den dort angeführten Gerichten zählt (vgl. Beschluss vom 26. Januar 2010 – BVerwG 9 B 40.09 –Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 48 Rn. 2). Abgesehen davon liegt die gerügte Abweichung nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausdrücklich zugrunde gelegt (vgl. UA Rn. 30, 34, 40). Soweit er zu dem Ergebnis gelangt ist, es sei nicht erkennbar, dass die in der Gebührenregelung festgelegte Differenzierung nach Betriebsgröße und die degressive Staffelung nach der Zahl der täglichen Schlachtungen sich tatsächlich auf die Kosten auswirke, handelt es sich um Tatsachen- und Beweiswürdigung. Sollte die Bewertung des Berufungsgerichts sachlich falsch sein, wie der Beklagte geltend macht, so läge ein Rechtsanwendungsfehler vor, der die Divergenzzulassung nicht rechtfertigen kann (vgl. Beschlüsse vom 25. August 2010 – BVerwG 3 B 11.10 – ZOV 2010, 234 = juris Rn. 3 m.w.N. und vom 30. Januar 2014 – BVerwG 3 B 33.13 – juris Rn. 3).
2. Die Verfahrensrügen greifen ebenfalls nicht durch.
a) Der Beklagte beanstandet, der Verwaltungsgerichtshof habe sich nicht mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt, dass die abgerechneten Gebühren den tatsächlichen Kosten entsprächen, die bei den amtlichen Kontrollen im Betrieb der Klägerin angefallen seien. Die damit sinngemäß geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist indes nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass das Gericht den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Gehörsverstoß kommt deshalb nur in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr; BVerfG, vgl. Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ≪146≫; BVerwG, Beschlüsse vom 25. November 1999 – BVerwG 9 B 70.99 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 64 und vom 4. Juli 2008 – BVerwG 3 B 18.08 – juris Rn. 10). Solche Umstände liegen hier nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Vortrag des Beklagten zur Kenntnis genommen, wie schon die ausführliche Wiedergabe im Tatbestand des Berufungsurteils zeigt. Er hat zudem ausreichend begründet, dass und warum der bloße Hinweis auf die Einhaltung des Kostenüberdeckungsverbots nicht genüge, um die in der Verwaltungskostenordnung vorgesehene Gebührensatzstaffelung nachvollziehbar zu machen und zu rechtfertigen. Mit der Kritik an dieser Auffassung zeigt der Beklagte kein Übergehen seines Vortrags oder eine fehlende inhaltliche Befassung auf; denn es begründet keinen Gehörsverstoß, wenn das Gericht den Rechtsausführungen eines Prozessbeteiligten nicht folgt (Beschlüsse vom 16. Juni 2009 – BVerwG 3 B 136.08 – ZOV 2009, 257 = juris Rn. 9 und vom 18. Dezember 2013 – BVerwG 3 B 35.13 – juris Rn. 7).
b) Der Beklagte sieht zudem einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und die Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht überprüft habe, welche Kosten bei der Fleischhygienekontrolle im Betrieb der Klägerin entstanden seien. Wäre das Berufungsgericht dem nachgegangen, hätte sich ergeben, dass der geänderte Tarifvertrag zu einem Kostenanstieg geführt habe und daher die Beibringung einer neuen Kosten- und Gebührenkalkulation entbehrlich gewesen sei. Die Rüge greift nicht durch. Maßgeblich für den Umfang der Sachaufklärungspflicht ist die Rechtsauffassung des Gerichts zu den entscheidungserheblichen Fragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat für die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Gebührensatzregelung verlangt, dass die einzelnen Gebührensätze anhand einer nachvollziehbaren Kalkulation plausibel zu machen seien, die die Regelungen des neuen Tarifvertrags miteinbeziehe (UA Rn. 40 f.). Danach war für das Gericht die von der Beschwerde vermisste Ermittlung der konkret im Betrieb der Klägerin anfallenden Untersuchungskosten nicht entscheidungserheblich; denn deren Kenntnis genügt nicht schon, um zu belegen, dass die streitige Gebührensatzstaffelung sachgerecht ist, und hätte daher die Vorlage einer aktuellen Kalkulation nicht entbehrlich gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Dr. Kuhlmann
Fundstellen