Verfahrensgang
Thüringer OVG (Urteil vom 22.12.2004; Aktenzeichen 2 KO 17/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen und des Vertreters des öffentlichen Interesses.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 21 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Rechtssache kommt nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde sieht es als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig an, ob im Rahmen der Entscheidung über die Umstufung (§ 7 Abs. 2 ThürStrG) einer Landesstraße (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ThürStrG) in eine Gemeindestraße (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 ThürStrG) eine – nach dem angegriffenen Urteil die Einstufung als klassifizierte Straße ausschließende – nur “vorübergehende Verkehrsbelastung” mit überörtlichem Verkehr auch dann vorliegt,
“wenn diese Verkehrsbelastung ab einem bestimmten Zeitpunkt zum Wegfall gerät und durch diese Bestimmbarkeit zum vorübergehenden Verkehr wird”
und
“wenn diese Verkehrsbelastung von sich aus nur für einen bestimmten Zeitraum auftritt und dann ersatzlos wegfällt”.
Diese Fragestellungen können eine Zulassung der Revision schon deshalb nicht rechtfertigen, weil sie die Auslegung von nicht revisiblem Thüringer Landesrecht betreffen. Entgegen der Ansicht der Beschwerde werden die von ihr aufgeworfenen Fragen nicht deshalb zu einem Bestandteil des Bundesrechts, weil das Berufungsgericht zur Auslegung des Thüringer Straßengesetzes auch Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu bundesrechtlichen (Parallel-) Normen (§ 2 Abs. 4 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 FStrG) betreffend die Abstufung einer Bundesfernstraße herangezogen (“übernommen”) hat.
2. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt auch keine Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Das käme nur in Betracht, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennen würde, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift des revisiblen Rechts widersprochen hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 = NJW 1997, S. 3328).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerde in mehrfacher Hinsicht nicht. Sie genügt bereits nicht den Darlegungsanforderungen dieses Zulassungsgrundes (§ 133 Abs. 3 VwGO), weil sie es versäumt, im vorstehenden Sinne abstrakte, sich widersprechende Rechtssätze gegenüberzustellen. Die beiden von ihr angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, von denen das Berufungsgericht angeblich abgewichen sei, sind auch nicht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift ergangen (dort § 1 Abs. 1 Satz 1 FStrG – hier Thüringer Landesstraßenrecht). Aus Letzterem folgt zugleich, wie bereits oben ausgeführt, dass die behauptete Divergenz kein revisibles Recht betrifft. Im Übrigen liegt die vermeintliche Abweichung auch in der Sache nicht vor: Das Berufungsgericht hat der streitgegenständlichen Landesstraße den erforderlichen Netzzusammenhang mit dem überregionalen Verkehr nicht deshalb abgesprochen, weil sie infolge der Einbeziehung eines Teilstücks in die neue Trinkwassertalsperre als “Stichstraße” nur noch über eine einseitige Anbindung an die B 281 verfügt. Es hat vielmehr in ausdrücklicher “Übernahme” des im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Dezember 1992 – BVerwG 4 B 188.92 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 20 S. 36 = NVwZ 1993, S. 980 (981) dazu aufgestellten Rechtssatzes ausgeführt, dass dies ihrer straßenrechtlichen Klassifizierung als Landesstraße nicht entgegenstehe (Urteilsabdruck S. 8 unten); ihre weitere Einstufung als Landesstraße scheitere vielmehr daran, dass sie jedenfalls nicht mehr dem überregionalen (insbesondere Kreisgrenzen überschreitenden) Durchgangsverkehr diene und dazu auch nicht mehr bestimmt sei. Zum Begriff “Durchgangsverkehr”, den § 3 Abs. 1 Nr. 1 ThürStrG für Landesstraßen fordert, hat das Bundesverwaltungsgericht in der besagten Entscheidung indes keinen Rechtssatz aufgestellt, da § 1 Abs. 1 Satz 1 FStrG, zu dem seine Entscheidung ergangen ist, von “weiträumigem Verkehr” spricht. Auch die von der Beschwerde angenommene Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Mai 1988 – BVerwG 4 C 26.84 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 74 S. 35 = NVwZ 1989, S. 149 liegt nicht vor. Das Berufungsgericht ist vielmehr wiederum in ausdrücklicher Anknüpfung an dieses Urteil davon ausgegangen, dass die vorübergehende Übernahme eines überörtlichen Verkehrs die Qualifikation einer Straße nicht verändere, weil die straßenrechtliche Einordnung auf Dauerhaftigkeit angelegt sei (Urteilsabdruck S. 13). In Wahrheit beanstandet die Beschwerde – wie sie im ergänzenden Schriftsatz vom 12. August 2005 (Seite 2 oben) selbst einräumt – lediglich, dass das Berufungsgericht diesen Rechtssatz “unrichtig angewandt” habe. Dies genügt indes nicht den Anforderungen einer Divergenzrüge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997, a.a.O.).
3. Eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt ebenfalls nicht Betracht.
Die Beschwerde beanstandet, dass das Berufungsgericht (Urteilsabdruck S. 13 oben) eine überörtliche Verkehrsfunktion der bisherigen Landesstraße verneint hat, weil der Baustellenverkehr zur Trinkwassertalsperre von seiner Größenordnung her (75 LKW-Fahrten pro Werktag) nicht so gewichtig sei, dass er den innerörtlichen Erschließungsverkehr zahlenmäßig übertreffe, ohne dass das Gericht zu Letzterem tatsächliche Feststellungen getroffen habe, die diese Annahme stützten. Bei Kenntnis dieser Annahme hätte die Klägerin einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der – nach ihrer Auffassung – weit überwiegenden Belastung der Straße durch den Schwerlastverkehr gestellt.
Auch insoweit genügt das Beschwerdevorbringen nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 VwGO). Es ist bereits unklar, ob die Klägerin mit diesem Vorbringen einen Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO – hier in der Fallkonstellation eines sog. Überraschungsurteils) oder einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) rügen will. Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass das angegriffene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel – unter beiden vorbezeichneten Aspekten – beruht. Denn das Berufungsurteil ist in dem hier zu betrachtenden Zusammenhang (Verneinung einer überörtlichen Verkehrsfunktion auch während der Zeit des Talsperrenbaus) auf die selbstständig tragende, nicht mit einer erfolgreichen Nichtzulassungsrüge angegriffene Begründung gestützt (Urteilsabdruck S. 13: “Zudem …”), dass der Baustellenverkehr eine solche überörtliche Verkehrsfunktion – neben dem Erfordernis, dass er im Vergleich zum innerörtlichen Verkehr wesentlich sein muss – auch deshalb nicht zu begründen vermag, weil er nur vorübergehender Natur sei (da die Baumaßnahme im Verlauf des Jahres 2005 abgeschlossen sein werde).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO; es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Prof. Dr. Eichberger, Domgörgen
Fundstellen