Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 18.06.2008; Aktenzeichen 12 BV 05.2467) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Mit der Wendung
“Die Frage der Ermessensentscheidung im Rahmen der §§ 85 ff SGB IX durch das Integrationsamt und die Frage, inwieweit das Ermessen überprüft werden kann sowie die Frage des Zeitpunkts der Beurteilung der Ermessensentscheidung sind von grundsätzlicher Bedeutung”,
wird auch unter Berücksichtigung der dann folgenden Ausführungen schon nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise eine fallübergreifende, grundsätzlicher Klärung zugängliche und bedürftige Rechtsfrage bezeichnet. Der Sache nach rügt der Kläger mit seinen Einwendungen eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht, das rechtsfehlerhaft nur das als “relevant” angesehen habe, was bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen worden sei. Einwendungen gegen die einzelfallbezogene Rechtsanwendung sind indes nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache darzulegen.
Auf grundsätzlichen Klärungsbedarf weist auch nicht das Vorbringen, das Berufungsgericht habe “die Frage der Überprüfung und Ermessensentscheidung inzidenterweise dahingehend beantwortet, dass nur das, was zum Zeitpunkt der Entscheidung des Widerspruchsausschusses ‘auf dem Tisch’ lag, relevant ist”. Denn das Berufungsgericht hat bei seiner Überprüfung der Ermessensentscheidung den vom Kläger behaupteten Rechtssatz weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt. Es ist vielmehr – im rechtlichen Ausgangspunkt im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Oktober 1995 – BVerwG 5 C 24.93 – BVerwGE 99, 336; s.a. Beschluss vom 6. Februar 1995 – BVerwG 5 B 75.94 – Buchholz 436.61 § 15 SchwbG Nr. 9) – davon ausgegangen, dass zu überprüfen sei, ob das Integrationsamt seiner Pflicht nachgekommen sei, sich von der Richtigkeit der für seine Entscheidung wesentlichen Behauptungen eine eigene Überzeugung zu verschaffen, und es sich nicht damit begnügen dürfe, das Vorbringen des Arbeitgebers, soweit es im Rahmen der nach § 88 SGB IX gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen sei, nur auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Es hat dahin erkannt, dass das Integrationsamt sich mit allen im Widerspruchsverfahren geltend gemachten Gesichtspunkten auseinandergesetzt, den Sachverhalt nach hinreichender Aufklärung unter allen sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkten einschließlich der vom Kläger erhobenen Rügen geprüft und den Widerspruch des Klägers, ohne dass es rechtlich zu beanstanden wäre, zurückgewiesen habe. Hinsichtlich der vom Kläger zuletzt geltend gemachten Einwendungen des Mobbings haben sich dem seinerzeitigen Vorbringen des Klägers hierzu keine konkreten Umstände entnehmen lassen, aus denen der Beklagte auch nur ansatzweise den Eindruck habe gewinnen müssen, die Beigeladene habe durch bewusst vertragswidriges oder sogar treuwidriges Verhalten Rechtsstreitigkeiten zwischen den Vertragsparteien oder die Auflösung des Arbeitsverhältnisses provoziert.
Von diesen auf die Überprüfung der Ermessensentscheidung bezogenen Erwägungen zu trennen ist die Frage, ob Vorbringen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen ist, das darauf weist, dass das beklagte Amt tatsächlich seinen Ermittlungs- und Prüfpflichten nicht hinreichend nachgekommen sei. Insoweit wird nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass hier unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen worden wäre. Im Übrigen folgt unmittelbar aus dem Gesetz und wird in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorausgesetzt, dass nach allgemeinen Grundsätzen maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Ermessensentscheidung selbst jedenfalls nicht die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung, sondern allenfalls der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist, (s. Beschluss vom 7. März 1991 – BVerwG 5 B 114.89 – Buchholz 436.61 § 12 SchwbG Nr. 3; zum maßgeblichen Zeitpunkt bei der Entscheidung über die Verpflichtungsklage des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten s. Beschlüsse vom 22. Januar 1993 – BVerwG 5 B 80.92 – Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 7 und vom 25. Juni 1968 – BVerwG 5 B 174.67 – Buchholz 436.6 § 14 SchwbG Nr. 6).
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
Eine die Revisionszulassung rechtfertigende Abweichung des Berufungsurteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist vom Kläger nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt worden. Eine solche Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn sich der Verwaltungsgerichtshof in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Beschwerdebegründung muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom 21. Juli 1988 – BVerwG 1 B 44.88 – Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 und vom 12. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 68.91 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302). Daran fehlt es hier.
Soweit der Kläger den zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 1992 (– BVerwG 5 C 51.90 – BVerwGE 90, 287) gebildeten Leitsatz in Bezug nimmt, nach dem im Zustimmungsverfahren nach § 15 SchwbG die Hauptfürsorgestelle grundsätzlich nicht zu prüfen habe, ob die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Schwerbehinderten im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sei, sie jedoch der Frage einer Mitverantwortung des Schwerbehinderten für Spannungen zu seinem Arbeitgeber nachgehen müsse, derentwegen dieser die Kündigung beabsichtigt, bezeichnet er keinen hiervon abweichenden, abstrakten Rechtssatz, den das Berufungsgericht aufgestellt hat. Vielmehr wird dem Berufungsurteil – angesichts entgegenstehender Ausführungen in dem Berufungsurteil (Urteilsabdruck S. 17, 19) zudem zu Unrecht – lediglich eine falsche Rechtsanwendung in der Weise entgegengehalten, dass die Hauptfürsorgestelle den von dem Beklagten im Zustimmungsverfahren unterbreiteten Sachverhalt ungeprüft übernommen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe.
Die Beschwerde bezeichnet auch keinen abstrakten, divergenzfähigen Rechtssatz, der von den zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 1995 (– BVerwG 5 C 24.93 – BVerwGE 99, 336) gebildeten Leitsätzen, insbesondere dem Rechtssatz abweicht, dass die Aufklärungspflicht verletzt werde, wenn die Hauptfürsorgestelle sich damit begnüge, das Vorbringen des Arbeitgebers, soweit es im Rahmen der nach § 15 SchwbG gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen sei, nur auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Das Berufungsgericht hat sich diese Rechtsprechung vielmehr ausdrücklich zu eigen gemacht und unter Hinweis auf diese Entscheidung ausgeführt, dass von einer bloßen Schlüssigkeitsprüfung, mit der die Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung verletzt wäre, vorliegend keine Rede sein könne, und zwar insbesondere auch in Bezug auf die vom Kläger zuletzt geltend gemachten Einwendungen des Mobbings (Urteilsabdruck S. 17 Abs. 2). Der Kläger rügt der Sache nach eine aus seiner Sicht fehlerhafte Rechtsanwendung eines unbestrittenen Rechtssatzes, für die hier außerdem nichts ersichtlich ist.
3. Die Revision ist schließlich nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
3.1. Die Rüge, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft die Anwendbarkeit des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayVwVfG verneint, betrifft nicht einen Mangel des gerichtlichen Verfahrens und ist bereits im Ansatz nicht geeignet, die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers darzulegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen verhält sich zudem nicht zu den Ausführungen des Berufungsgerichts, dass es neben der Sonderregelung des § 121 Abs. 3 Satz 1 SGB IX bei der Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB X (die mit Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayVwVfG wortgleich ist) verbleibe, die eine Vorbefassung als ehrenamtlicher Richter nicht erfasse, sowie die weitere, auch auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwVfG übertragbare Begründung, der Vorsitzende des Widerspruchsausschusses sei auch nicht “in der Angelegenheit” tätig geworden, denn die Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung nach § 85 SGB IX im Widerspruchsverfahren sei materiell nicht vergleichbar mit der vom Arbeitsgericht zu prüfenden Frage der Rechtmäßigkeit der Kündigung an sich.
3.2. Die Rüge, das Urteil sei in Bezug auf die Würdigung der Depression des Klägers in sich widersprüchlich, zeigt einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schon deshalb nicht auf, weil die Grundsätze der Sachverhalts- und Beweiswürdigung regelmäßig revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzuordnen sind (vgl. Beschlüsse vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 und vom 11. August 1999 – BVerwG 11 B 61.98 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines möglichen Ausnahmefalles einer gegen Denkgesetze verstoßenden oder sonst von Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung sind von der Beschwerde nicht dargetan. Vielmehr wendet sich der Kläger ausschließlich gegen die sachliche Richtigkeit der Erwägungen des Berufungsgerichts. Der vermeintliche Gegensatz liegt auch in der Sache nicht vor. Dass sich, wie in den ärztlichen Stellungnahmen vom 7. Januar 2003 und vom 20. November 2004 vermerkt, aufgrund der anamnetischen Angaben des Klägers gesundheitliche Störungen ab Januar 1998 einstellten, steht angesichts der weiteren Feststellung, erst im Februar 1999 sei es dann zum Ausbruch einer massiven Depression gekommen, nicht in einem Gegensatz zu der Bewertung, das zur Kündigung führende Verhalten des Klägers vom 28. Dezember 1998 stehe auch nicht in einem Zusammenhang mit der Depression.
4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Hund, Prof. Dr. Berlit, Stengelhofen
Fundstellen