Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 08.10.2014; Aktenzeichen 81 D 4.11) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Rz. 1
Die auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers gestützte Beschwerde des Beklagten (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 70 LDG BB) ist unbegründet.
Rz. 2
1. Der 1958 geborene Beklagte steht als Polizeihauptmeister (BesGr A 9 LBesO) im Dienst des Klägers. Ab Anfang Oktober 2003 bis zur vorläufigen Dienstenthebung Anfang August 2004 war der Beklagte als Streifenbeamter auf Bundesautobahnen tätig. Bei der Kontrolle der ihm überlassenen Vordrucke für Verwarnungsgelder stellte sich am 23. Juli 2004 heraus, dass der Beklagte von den eingenommenen Verwarnungsgeldern in Höhe von 435 EUR lediglich 55 EUR und 200 polnische Zloty (entspricht 40 EUR) vorweisen konnte. Der Beklagte erklärte, er habe den Differenzbetrag von 340 EUR auf sein privates Girokonto eingezahlt. Der Beklagte konnte jedoch lediglich einen Beleg für die Einzahlung von 200 EUR vorlegen. Am Tag der Kontrolle hob der Beklagte von seinem Girokonto den Betrag von 340 EUR ab und zahlte ihn bei der Polizeiwache ein. Wegen Unterschlagung wurde der Beklagte durch Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 3
Den bei der Kontrolle der Verwarnungsgelder fehlenden Betrag von 340 EUR habe der Beklagte teilweise (200 EUR) auf sein Girokonto eingezahlt, um dieses im Soll befindliche Konto zu entlasten. Den Betrag von 140 EUR habe der Beklagte anderweitig verwendet. Damit habe der Beklagte gegen die Dienstpflicht zur uneigennützigen Amtsführung sowie gegen die Pflicht zu vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen. Das Dienstvergehen erfordere unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Da die Schwelle der Geringwertigkeit mit insgesamt 340 EUR deutlich überschritten sei, sei wegen des Zugriffsdelikts die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Richtschnur für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme. Weder liege ein anerkannter Milderungsgrund vor noch Entlastungsmomente, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes vergleichbar sei.
Rz. 4
2. Die Revision ist nicht wegen des vom Beklagten gerügten Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 70 LDG BB).
Rz. 5
Der Beklagte macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe dadurch gegen § 108 Abs. 1 VwGO verstoßen, dass es einzelne Sachverhaltsmomente, die als mildernde Umstände zu betrachten seien, bei der Würdigung zu geringes Gewicht beigemessen habe. Dieser Verfahrensverstoß kann dem Berufungsgericht aber nicht vorgeworfen werden.
Rz. 6
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt auch die Verpflichtung, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 – 6 C 134.81 – BVerwGE 68, 338 ≪339≫ und vom 5. Juli 1994 – 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 ≪208 f.≫; Beschlüsse vom 18. November 2008 – 2 B 63.08 – Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27, vom 31. Oktober 2012 – BVerwG 2 B 33.12 – NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 12 und vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35.13 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 19).
Im Hinblick auf die in der Beschwerdebegründung genannten Umstände und Gesichtspunkte wird das Berufungsurteil diesen Anforderungen gerecht.
Rz. 7
a) Die Dienstbiografie des Beklagten und die Einarbeitungssituation bei der Autobahnpolizei hat das Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung des Milderungsgrundes einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation angemessen berücksichtigt. Es hat in seiner Würdigung auch einbezogen, dass der Beklagte in den Umgang mit den eingenommenen Verwarnungsgeldern nicht eingewiesen worden ist. Insoweit hat es ausgeführt, ungeachtet der fehlenden förmlichen Belehrung oder einer konkreten Anleitung hinsichtlich des Umgangs mit den Geldern musste dem Beklagten allein aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Polizeibeamter (seit 1992) bewusst sein, dass dienstlich eingenommene Gelder in der Zeit bis zur Abrechnung nicht auf ein privates Konto eingezahlt oder in sonstiger Weise privat zwischengenutzt werden dürfen. Dem Einwand des Beklagten, er sei im Umgang mit den Geldern nicht unterwiesen worden und es habe keine ausreichende Dienstaufsicht gegeben, hat das Oberverwaltungsgericht ferner entgegengehalten, dass der Beklagte, der die Einzahlung von amtlich eingenommenen Geldern auf sein privates Girokonto als „eigentlich nicht normal” empfunden habe, bei seinem Dienstvorgesetzten hätte nachfragen müssen.
Rz. 8
b) Das Oberverwaltungsgericht hat sich entgegen der Beschwerdebegründung auch eingehend mit der finanziellen Situation des Beklagten zum Zeitpunkt der Unterschlagung der 340 EUR befasst. Eine existenzielle wirtschaftliche Notlage hat es aufgrund der Angaben des Beklagten ausgeschlossen. Es hat aber auch darauf hingewiesen, dass die Einzahlung von 200 EUR dazu diente, das (im dreistelligen Bereich) überzogene Girokonto durch die Zinsersparnis zu entlasten. Das Berufungsgericht ist gerade nicht davon ausgegangen, das Girokonto des Beklagten sei zum Zeitpunkt der Tat so überzogen gewesen, dass erst durch die Einzahlung von 200 EUR dieses Konto wieder so aufgefüllt war, dass Abbuchungen möglich waren.
Rz. 9
c) Das Oberverwaltungsgericht hat sich auch ausreichend mit dem vom Beklagten als Vergleichsfall angeführten Vorgehen des Klägers gegen den Polizisten G. befasst. Nach § 61 Abs. 2 Satz 2 sowie § 66 Abs. 1 LDG BB hat das Gericht eine eigenständige Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 LDG BB zu treffen, ohne hierbei in tatsächlicher oder in rechtlicher Hinsicht an Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 – 2 C 59.07 – Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 Rn. 11 und vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 – BVerwGE 140, 185 Rn. 18). Für diese Bemessungsentscheidung ist unerheblich, ob der klagende Dienstherr in einer tatsächlich vergleichbaren Konstellation gegen einen anderen Beamten in entsprechender Weise vorgegangen ist.
Rz. 10
d) Schließlich ist das Oberverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Praxis des Senats (stRspr, BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63.11 – BVerwGE 147, 229 Rn. 40 f. m.w.N.) davon ausgegangen, dass es weder die lange Dauer des Disziplinarverfahrens noch das lange Zurückliegen des Dienstvergehens rechtfertigen, von der Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme nach Auffassung des Gerichts gemäß den Vorgaben des § 13 LDG BB geboten ist.
Rz. 11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 78 Abs. 4 LDG BB. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil die Gebühren gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 LDG BB nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Hartung, Dollinger
Fundstellen