Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss eines Personalratsmitgliedes auf Antrag des Personalrats. Beschlussfassung über den Ausschlussantrag. Anhörung. Schweigepflicht des Personalratsmitgliedes. Vermutung über Abstimmungsverhalten bei geheimer Abstimmung
Leitsatz (amtlich)
- Der Personalrat ist vor der Beschlussfassung über einen Ausschlussantrag nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BPersVG nicht verpflichtet, dem betroffenen Personalratsmitglied Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
- Die Schweigepflicht des Personalratsmitgliedes kann sich nach den Umständen des Einzelfalls auch auf das vermutete Abstimmungsverhalten im Personalrat bei geheimen Abstimmungen beziehen.
Normenkette
BPersVG §§ 10, 28
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 05.08.2005; Aktenzeichen 4 A 10571/05) |
VG Koblenz (Entscheidung vom 20.12.2004; Aktenzeichen 4 PK 2367/04.KO) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Fachsenat für Personalvertretungssachen – Bund) vom 5. August 2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung oder sind nicht entscheidungserheblich.
1. Die erste Rechtsfrage, welche der Beteiligte zu 1 geklärt wissen will, lautet: “Muss das Personalratsmitglied, dessen Ausschluss der Personalrat wegen grober Verletzung seiner Pflichten nach § 28 Abs. 1 BPersVG beim Verwaltungsgericht beantragen will, vor der Beschlussfassung hierüber angehört werden?” Diese Frage ist mit dem Oberverwaltungsgericht zu verneinen, ohne dass es der Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens bedarf (im Ergebnis ebenso VGH München, Beschluss vom 14. Februar 2001 – 17 P 00.333 – ZfPR 2002, 3, 5; Fischer/Goeres, in: GKÖD Band V K § 28 Rn. 39; Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 5. Auflage 2004, § 28 Rn. 5; Lorenzen, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 28 Rn. 17; zum Betriebsverfassungsrecht: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, Betriebsverfassungsgesetz, 6. Auflage 2003, § 23 Rn. 11, a.A.: Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 10. Auflage 2004, § 28 Rn. 15; zum Betriebsverfassungsrecht: Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz, 22. Auflage 2004, § 23 Rn. 13).
a) Der Wortlaut der maßgeblichen Bestimmungen in § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BPersVG sieht eine Anhörungspflicht nicht vor. Dies spricht dafür, dass der Personalrat berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, seinem Mitglied vor der Beschlussfassung über den Ausschlussantrag Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
b) Wie sich bereits dem Wortlaut der Regelung in § 28 Abs. 1 Satz 1 BPersVG entnehmen lässt und im Einleitungssatz des § 83 Abs. 1 BPersVG zusätzlich klargestellt ist, ist das Ausschlussbegehren im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren zu verfolgen, für welches gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG die Vorschriften über das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren entsprechend gelten. Der vom Ausschlussantrag Betroffene ist Beteiligter (§ 83 Abs. 3 ArbGG). Als solchem stehen ihm alle in Betracht kommenden prozessualen Rechte zu Gebote, einschließlich des Rechts, sich durch einen Rechtsanwalt oder eine andere sachkundige Person vertreten zu lassen (§ 11 Abs. 1 ArbGG). Er hat im gerichtlichen Verfahren umfassend Gelegenheit, sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Gehör zu verschaffen.
c) Einen Ausschlussantrag stellen können außer dem Personalrat (§ 28 Abs. 1 Satz 2 BPersVG) auch der Dienststellenleiter (§ 28 Abs. 1 Satz 3 BPersVG) sowie ein Viertel der Wahlberechtigten und eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft (§ 28 Abs. 1 Satz 1 BPersVG). Jedenfalls in den beiden letztgenannten Fällen kommt eine förmliche Anhörung des vom Ausschlussantrag Betroffenen vor der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens schwerlich in Betracht. Auch dies spricht dafür, dass das gerichtliche Verfahren dasjenige Stadium ist, in welchem das betroffene Personalratsmitglied Gehör erhält (vgl. VGH München, Beschluss vom 14. Februar 2001 a.a.O.).
d) Aus anderen personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen lässt sich eine Verpflichtung des Personalrats, das betroffene Mitglied vor Beschlussfassung über den Ausschlussantrag anzuhören, nicht herleiten. Aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BPersVG ergibt sich eine solche Verpflichtung schon deswegen nicht, weil § 2 Abs. 1 BPersVG ausschließlich das Verhältnis zwischen Personalrat und Dienststelle, nicht aber das Verhältnis der Personalratsmitglieder untereinander im Auge hat (vgl. Beschluss vom 24. Oktober 1969 – BVerwG 7 P 14.68 – BVerwGE 34, 143, 145; Fischer/Goeres a.a.O. K § 2 Rn. 5; Altvater u.a., a.a.O. § 2 Rn. 13; Faber, in: Lorenzen u.a., a.a.O. § 2 Rn. 9; Ilbertz/Widmaier a.a.O. § 2 Rn. 2; zum Betriebsverfassungsrecht: BAG, Beschluss vom 5. September 1967 – 1 ABR 1/67 – BAGE 20, 56, 63). Dies bedeutet zwar nicht, dass Personalratsmitglieder im Verhältnis zueinander keinerlei Rücksichtspflicht trifft. Entsprechende Verhaltensregeln ergeben sich jedoch stets aus speziellen Regelungszusammenhängen, wie z.B. aus §§ 10, 35 BPersVG. Daraus lassen sich generelle Aussagen, die sich auf die formellen Voraussetzungen des Ausschlussverfahrens nach § 28 BPersVG beziehen, nicht ableiten.
e) Schließlich gebietet höherrangiges Recht keine abweichende Beurteilung.
aa) Art. 103 Abs. 1 GG, wonach vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat, greift schon nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht ein. Denn die Beschlussfassung des Personalrats über einen Ausschlussantrag nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BPersVG erfolgt nicht im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens.
bb) Zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens zählt das Recht auf ein faires Verfahren. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 103 Abs. 1 GG darf der Einzelne deshalb nicht zum bloßen Objekt staatlicher Entscheidung werden; ihm muss insbesondere die Möglichkeit gegeben werden, vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis nehmen zu können. Dies setzt voraus, dass der Betroffene von dem Sachverhalt und dem Verfahren, in dem dieser verwertet werden soll, überhaupt Kenntnis erhält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2000 – 1 BvR 321/96 – BVerfGE 101, 397, 405 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird im Ausschlussverfahren nach §§ 28, 83 BPersVG genügt. Als Beteiligter dieses Verfahrens hat das vom Ausschlussantrag betroffene Personalratsmitglied eine im Verhältnis zum antragstellenden Personalrat gleichberechtigte Stellung. Es kann ebenso wie dieser auf den Gang des Verfahrens, die dort zu treffenden Tatsachenfeststellungen sowie die vorzunehmenden rechtlichen Würdigungen Einfluss nehmen. Es ist nicht deswegen Objekt des Verfahrens, weil es bei der personalratsinternen Beschlussfassung über den Ausschlussantrag nicht zu Wort gekommen ist. Der beim Verwaltungsgericht anzubringende Antrag des Personalrats nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BPersVG sowie der ihm vorausgehende, den Anforderungen des § 37 BPersVG entsprechende Beschluss des Personalrats, das Ausschlussverfahren einzuleiten, sind zwar notwendige Bestandteile der gerichtlichen Ausschlussentscheidung. Die Antragstellung des Personalrats hat jedoch nicht den Charakter einer Entscheidung, die bereits als solche in die Rechte des betroffenen Personalratsmitgliedes eingreift. Diese Qualität kommt erst der dem Ausschlussantrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung zu. Insofern ist die Lage hier eine andere als bei Verwaltungsakten, die ungeachtet ihrer nachgehenden gerichtlichen Überprüfung bereits als solche in Rechte des Bürgers eingreifen und für die § 28 VwVfG deswegen grundsätzlich eine vorherige Anhörung vorschreibt.
2. Ist somit die Anhörungspflicht zu verneinen, so ist die zweite vom Beteiligten zu 1 aufgeworfene Rechtsfrage nach den Rechtsfolgen einer Verletzung der Anhörungspflicht nicht entscheidungserheblich.
3. Die dritte vom Beteiligten zu 1 aufgeworfene Rechtsfrage lautet: “Stellt es eine Verletzung der Schweigepflicht des Personalratsmitglieds (§ 10 BPersVG) dar, wenn ein Personalratsmitglied unter Hinweis auf ein allen Beschäftigten der Dienststelle bekannt gegebenes Abstimmungsergebnis im Personalrat gegenüber einer Dienstkraft die Überzeugung äußert, dass ein bestimmtes Personalratsmitglied in bestimmter Weise abgestimmt hat?” Im Anschluss daran wirft der Beteiligte zu 1 folgende vierte Rechtsfrage auf: “Wird eine solche Äußerung zumindest dann eine Verletzung der Schweigepflicht, wenn das Personalratsmitglied – ohne dies bei seiner Äußerung zu erwähnen – sich bei seiner Überzeugungsbildung auf Umstände gestützt hat, die es aus der Personalratstätigkeit kennt?”
a) Der Senat hat über die Zulassungserheblichkeit der vierten Rechtsfrage in der Fassung und mit den dazugehörigen Darlegungen der Beschwerdebegründung vom 3. November 2005 zu entscheiden.
aa) Allerdings hat der Beteiligte zu 1 mit Schriftsatz vom 10. November 2005, bei Gericht eingegangen am 14. November 2005, eine Korrektur angebracht, mit welcher er in Abrede stellt, von der Rückgängigmachung der Dienstreise durch das Personalratsmitglied H… im Rahmen seiner Personalratstätigkeit erfahren zu haben. Damit stellt sich die Frage, ob der Beteiligte zu 1 nicht nur seine Darlegungen zur vierten Rechtsfrage, sondern auch deren Formulierung selbst modifizieren will. Beides ist jedoch unbeachtlich, weil der korrigierende Schriftsatz erst nach Verstreichen der am 9. November 2005 abgelaufenen Beschwerdebegründungsfrist eingegangen ist (§ 72a Abs. 3 Satz 1, § 92a Satz 2 ArbGG).
bb) Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht auf S. 12 f. seines Beschlusses festgestellt, dass die vom Beteiligten zu 1 geäußerte Vermutung auch auf Umständen und Informationen beruhte, die er bei seiner Personalratstätigkeit erfahren hatte, und in diesem Zusammenhang die Vorgänge um die Dienstreise des Personalratsmitgliedes H… angeführt. Diese Feststellung wird in der Beschwerdebegründung mit zulässigen und begründeten Rügen nicht angegriffen. An diese Feststellung knüpfen daher die vierte Rechtsfrage und die diesbezüglichen Darlegungen in der Beschwerdebegründung zu Recht an.
b) Die vierte Rechtsfrage ist eine spezielle Ausformung der dritten. Sie unterscheidet sich von dieser durch das zusätzliche Sachverhaltsmoment, wonach das Personalratsmitglied sich bei seiner Vermutung über das Abstimmungsverhalten des anderen Personalratsmitgliedes auf Umstände gestützt hat, die es aus seiner Personalratstätigkeit kennt, ohne letzteres allerdings bei seiner Äußerung zu erwähnen. Ist daher die vierte Rechtsfrage eindeutig im Sinne des Oberverwaltungsgerichts zu beantworten und rechtfertigt sie deswegen die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht, so erweist sich die allgemeinere Fragestellung im Sinne der dritten Rechtsfrage als nicht entscheidungserheblich. So liegt es hier. Das Verhalten eines Personalratsmitgliedes kann unter den vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Umständen eine Verletzung der Schweigepflicht nach § 10 BPersVG darstellen. Diese Beurteilung lässt sich bereits anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sowie dazu vorliegender Rechtsprechung und Literatur herleiten. Der Durchführung eines der Rechtsfortbildung und Rechtsvereinheitlichung dienenden Rechtsbeschwerdeverfahrens bedarf es auch dazu nicht.
aa) Nach einhelliger und zutreffender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bezieht sich die Schweigepflicht des Personalratsmitgliedes nach § 10 BPersVG u.a. auf die personalratsinternen Vorgänge der Willensbildung, also insbesondere auf die Meinungsäußerungen und das Abstimmungsverhalten der Personalratsmitglieder in den Sitzungen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Dezember 1997 – 18 M 4676/97 – ZfPR 1998, 122, 124 f.; VGH München, Beschluss vom 14. Februar 2001 a.a.O. S. 4; Beschluss vom 14. November 2001 – 17 P 01.1526 – ZfPR 2002, 172, 176; Altvater u.a., a.a.O. § 10 Rn. 9 und 13; Faber a.a.O. § 10 Rn. 15; Ilbertz/Widmaier, a.a.O. § 10 Rn. 11 f.; Fischer/Goeres, a.a.O. K § 10 Rn. 10). Dies versteht sich mit Blick auf die Regelung in § 35 Satz 1 Halbsatz 1 BPersVG von selbst, wonach die Sitzungen des Personalrats nicht öffentlich sind. Dadurch soll die freie, durch Druck von außen nicht beeinflusste Willensbildung innerhalb des Personalrats und damit einhergehend die Unabhängigkeit der Personalratsmitglieder im Rahmen einer offenen Diskussion sichergestellt werden.
bb) Die vorstehende Aussage hat den Regelfall einer offenen Aussprache und Abstimmung im Personalrat vor Augen. Eine abweichende Bewertung verbietet sich aber, wenn – wie hier bei der Wahl der Gruppensprecher nach § 32 Abs. 1 Satz 3 BPersVG – eine geheime Abstimmung stattfindet. Bedient sich der Personalrat nach seinem Ermessen dieser Abstimmungsform, so bringt er damit zum Ausdruck, dass ihm der allgemeine Schutz durch die Nichtöffentlichkeit der Personalratssitzung noch nicht genügt, sondern dass er die Freiheit und Unabhängigkeit der Willensbildung durch das Instrument der geheimen Abstimmung zusätzlich sichern will, indem das individuelle Abstimmungsverhalten seiner Mitglieder nicht nur vor der Öffentlichkeit, sondern auch personalratsintern verborgen bleiben soll. Freilich liegt es auf der Hand, dass Personalratsmitglieder auf Grund ihrer Kenntnis personalratsinterner Vorgänge sowie sonstiger im Rahmen der Personalratstätigkeit bekannt gewordener Informationen Vermutungen über das Abstimmungsverhalten ihrer Personalratskollegen bei geheimen Abstimmungen, insbesondere bei personalratsinternen Wahlen, anstellen können. Der Schutz der freien Willensbildung gebietet die grundsätzliche Einbeziehung auch dieser Vorgänge in die Schweigepflicht der Personalratsmitglieder. Es läuft auf einen Wertungswiderspruch hinaus, wenn man einerseits das Personalratsmitglied für verpflichtet hält, über das Abstimmungsverhalten im Personalrat bei offenen Abstimmungen Stillschweigen zu wahren, andererseits aber das Personalratsmitglied für berechtigt ansieht, sich über das Abstimmungsverhalten im Rahmen einer geheimen Abstimmung uneingeschränkt äußern zu können. Das Personalratsmitglied trifft daher jedenfalls dann grundsätzlich die Schweigepflicht, wenn es auf Grund ihm im Rahmen seiner Personalratstätigkeit bekannt gewordener Tatsachen Anlass zur Annahme hat, dass ein anderes Personalratsmitglied im Rahmen einer geheimen Abstimmung in bestimmter Weise abgestimmt hat. Insofern kann es nach den Umständen des Einzelfalls eine Verletzung der Schweigepflicht bedeuten, wenn das Personalratsmitglied bei der Äußerung seiner Vermutung einem nicht zum Personalrat gehörenden Beschäftigten gegenüber zwar den Grund für seine Vermutung nicht preisgibt, aber auf andere Weise zu verstehen gibt, dass es Anlass für seine Vermutung hat. Ein derartiges Verhalten ist ebenso geeignet, unangemessenen Druck auf die freie und unabhängige Willensbildung im Personalrat auszuüben, wie die Preisgabe der Willensbildung bei offener Aussprache und Abstimmung. Von einem derartigen Sachverhalt ist hier das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Denn es hat festgestellt, dass der Beteiligte zu 1 auf Grund von Informationen, die er als Personalratsmitglied im Zusammenhang mit einer Dienstreise des Personalratsmitgliedes H… erhalten hatte, Anlass zu seiner Vermutung über das Abstimmungsverhalten hatte und dass sich daraus die Sicherheit erklärt, mit der er seine Vermutung gegenüber dem Zeugen Hä. geäußert hat.
cc) Die vierte Rechtsfrage ist schließlich nicht deswegen von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie etwa bisher ungeklärte Probleme der Anwendung des Art. 5 GG aufwirft. Dies ist nicht der Fall. Es ist schon fraglich, ob Personalratsmitglieder sich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen können, wenn sie sich im Rahmen ihrer Personalratstätigkeit äußern (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1970 – 2 BvR 311/67 – BVerfGE 28, 314, 322 ff.). Geht man zu Gunsten des Beteiligten zu 1 davon aus, dass Art. 5 GG hier anzuwenden ist, so sind damit keine bisher ungeklärten Fragen aufgeworfen.
Es kann nicht zweifelhaft sein, dass § 10 BPersVG ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG ist. Die Vorschrift richtet sich nicht gegen die Meinungsäußerung als solche, sondern dient in Bezug auf personalratsinterne Vorgänge dem Schutz der freien und unabhängigen Willensbildung, welcher der Gesetzgeber gegenüber der uneingeschränkten Betätigung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit den Vorrang einräumen kann. Ebenso zweifelsfrei ist, dass die Regelung in § 10 BPersVG ihrerseits – die Anwendbarkeit von Art. 5 GG weiterhin unterstellt – aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts nach Art. 5 GG ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden muss. Geht es um den Ausschluss eines Personalratsmitgliedes wegen Verletzung der Schweigepflicht, so kann der Bedeutung des Grundrechts nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls im Hinblick darauf Rechnung getragen werden, ob es sich um ihrer Bedeutung nach geheimhaltungsbedürftige Angelegenheiten oder Tatsachen im Sinne von § 10 Abs. 2 BPersVG handelt und ob eine grobe Pflichtverletzung im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 BPersVG vorliegt, die allein den Ausschluss des Beschäftigten aus dem Personalrat rechtfertigen kann. Dies alles lässt sich nicht nur generell aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht der Meinungsfreiheit herleiten, sondern ist zudem für die rechtsähnliche Fallgestaltung des Ausschlusses aus dem Betriebsrat bei Verstößen gegen den Grundsatz parteipolitischer Neutralität höchstrichterlich geklärt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 1976 – 1 BvR 71/73 – BVerfGE 42, 133, 140 ff.; BAG, Beschluss vom 21. Februar 1978 – 1 ABR 54/76 – AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972 Blatt 361 R).
Unterschriften
Bardenhewer, Büge, Vormeier
Fundstellen
Haufe-Index 1489945 |
ZTR 2006, 227 |
PersV 2006, 186 |
VR 2006, 215 |