Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 31.08.2012; Aktenzeichen 4 A 119/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 31. August 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin der Beklagten Zuwendungen zur Beseitigung von hochwasserbedingten Schäden zurückzuzahlen hat, soweit hierfür der Deutschen Bahn AG Versicherungsleistungen zugeflossen sind.
Rz. 2
Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG und betreibt einen Großteil des deutschen Eisenbahnschienennetzes. Die Deutsche Bahn AG schloss im Jahr 2001 mit einem Versicherer einen Vertrag über eine “Gebündelte Sachversicherung” ab, in dem die Klägerin mitversichert wurde.
Rz. 3
Durch das Hochwasser im August 2002 erlitten die Deutsche Bahn AG ebenso wie die Klägerin und weitere Tochterunternehmen erhebliche Schäden. Im Zuge von Hilfsmaßnahmen des Bundes schloss die Beklagte mit der Klägerin zwei Zuwendungsvereinbarungen ab, auf deren Grundlage ihr Mittel zur Beseitigung ihrer Hochwasserschäden ausgezahlt wurden. Die Vereinbarungen enthielten jeweils die Klausel, dass die Finanzierung nur erfolge, soweit Versicherungsleistungen nicht geltend gemacht werden könnten.
Rz. 4
Der Versicherer zahlte der Deutschen Bahn AG den für diesen Schadensfall vereinbarten Gesamthöchstbetrag in Höhe von 150 Mio €, wobei 50 Mio € für sogenannte Mehr- und Beschleunigungskosten erbracht wurden. Dieser Versicherungsleistung stand nach dem Vorbringen der Klägerin ein Gesamtschaden des Konzerns in der Größenordnung von 579 Mio € gegenüber, wovon rund 302 Mio € auf Schäden an zuwendungsfähigen Sachanlagen der Klägerin und weiterer Tochterunternehmen entfielen. Die anteilig auf die Klägerin entfallende Versicherungsleistung überließ die Deutsche Bahn AG der Klägerin nur insoweit, als nicht zuwendungsfähige Hochwasserschäden betroffen waren.
Rz. 5
Die Beklagte ermittelte auf Basis der Versicherungsleistung von 100 Mio € eine Rückforderung gegenüber der Klägerin in Höhe von rund 71 Mio €, die sich aus dem Verhältnis der zuwendungsfähigen zu den nicht zuwendungsfähigen Kosten und deren verhältnismäßiger Aufteilung auf die Konzernunternehmen untereinander ergab. In Höhe dieses Betrags zuzüglich Zinsen erklärte die Beklagte die Aufrechnung und teilte mit, der Betrag gelte als zugewiesen.
Rz. 6
Die Klägerin hat Klage auf Feststellung erhoben, dass Zuwendungsforderungen in Höhe der Aufrechnung nicht erloschen seien und diese Mittel nicht als zugewiesen gelten dürften. Die Beklagte hat im Wege der hilfsweise erhobenen Widerklage beantragt festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet sei, erhaltene Leistungen in dem Umfang zurückzuzahlen, in dem sie oder die Deutsche Bahn AG Zahlungen aus der “Gebündelten Sachversicherung” erhalten habe. Das Verwaltungsgericht hat der Klage sowie der Widerklage stattgegeben.
Rz. 7
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 8
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Rz. 9
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, so ist dies in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise darzulegen. Das setzt die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90, vom 7. Juni 1996 – BVerwG 1 B 127.95 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 32 und vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Eine solche Rechtsfrage wirft die Beschwerde nicht auf.
Rz. 10
1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Zuwendungsvereinbarungen dahin ausgelegt, dass die an die Deutsche Bahn AG ausbezahlten pauschalen Versicherungsleistungen anteilig auf die der Klägerin gewährten Zuwendungen anzurechnen und entsprechend zu erstatten seien.
Rz. 11
a) Die hierzu aufgeworfene Frage:
“Ist eine Auslegung von Zuwendungsvereinbarungen, nach denen Ansprüche des Zuwendungsempfängers auf Versicherungsleistungen auch dann auf die Zuwendung anzurechnen sind, wenn es sich hierbei um Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer einer Fremdversicherung handelt, als unzulässige Auslegung der Finanzierungsvereinbarungen als ‘Vertrag zulasten eines Dritten’ anzusehen, nämlich zu Lasten des Versicherungsnehmers der Fremdversicherung?”,
hat schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie ohne Weiteres zu verneinen ist. Die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts führt nicht zu einem “Vertrag zulasten Dritter”, denn die Zuwendungsvereinbarungen begründen ausschließlich Rechte und Pflichten zwischen den beteiligten Parteien. Das Oberverwaltungsgericht hat lediglich angenommen, dass die der Deutschen Bahn AG zugeflossenen Versicherungsleistungen deren Anrechnung im Zuwendungsverhältnis zwischen den Beteiligten auslöse. Die Deutsche Bahn AG als Obergesellschaft des Konzerns ist hiervon lediglich insoweit betroffen, wie sie auch sonst von den Folgen des Handelns der Konzernunternehmen betroffen ist; sie wird hierdurch jedoch nicht ohne Legitimation den Vereinbarungen anderer Parteien unterworfen. Im Übrigen stellen sich die Zuwendungsvereinbarungen auch in einem weiteren Sinne allenfalls als Vereinbarungen dar, die sich zugunsten der Deutschen Bahn AG auswirken. Denn auch in der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht begründen die Zuwendungsvereinbarungen Ansprüche, die die Deutsche Bahn AG in ihrer Verantwortung als Obergesellschaft entlasten, auch wenn sie hierzu weitergehende Vorstellungen hat.
Rz. 12
b) Die weitere auf die Auslegung der Zuwendungsvereinbarungen durch das Oberverwaltungsgericht gerichtete Frage:
“Kann ein Zuwendungsvertrag auf Grundlage der §§ 23, 44 BHO, 9 BSWAG, der nach den Grundsätzen der zuwendungsrechtlichen Systematik als Vereinbarung über eine Projektförderung anzusehen ist, auch eine Anrechnung solcher Leistungen vorsehen, die dem Zuwendungsnehmer (angeblich) als Auskehrungsanspruch gegen den Versicherungsnehmer einer Fremdversicherung auf Grundlage pauschal gewährter Versicherungsleistungen zu Gunsten des Versicherungsnehmers der Fremdversicherung zustehen, oder verstößt dies gegen die zuwendungsrechtliche Systematik der Differenzierung zwischen Projektförderung und institutioneller Förderung?”,
hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde. Die Klägerin meint, es komme auf die Differenzierung zwischen Projektförderung und institutioneller Förderung an, weil das zuwendungsrechtliche Subsidiaritätsprinzip bei der Projektförderung die Berücksichtigung einer Spende nur vorsehe, wenn diese für das Projekt bestimmt sei. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht zu der Art der Förderung nicht die in der Frage vorausgesetzten Feststellungen getroffen hat und es nicht um eine Spende geht, führt die Auslegung der Zuwendungsvereinbarungen durch das Oberverwaltungsgericht lediglich zu einer Anrechnung von Versicherungsleistungen, die – mit Blick auf die nicht gedeckte Schadenssumme – anteilig den zuwendungsfähigen Schäden der mitversicherten Klägerin zugeordnet werden können. Entsprechend ist die Frage zu Grundsätzen der Zuwendungssystematik für das angegriffene Urteil nicht entscheidungserheblich.
Rz. 13
2. Das Oberverwaltungsgericht hat verneint, dass seiner Auslegung die Verantwortung des Bundes für die Eisenbahninfrastruktur nach Art. 87e GG und dem Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG) entgegenstehe (UA S. 25 ff.). Die hierzu formulierten Fragen:
“Ergibt sich aus den Regelungen des § 8 BSWAG eine primäre Verpflichtung des Bundes zur Finanzierung von Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes?”,
“Ergibt sich aus der Bestimmung des § 8 Abs. 4 BSWAG, wonach die Eisenbahnen des Bundes die Kosten der Unterhaltung und Instandsetzung ihrer Schienenwege tragen, eine weiterreichende Finanzierungsverpflichtung der Eisenbahnen des Bundes hinsichtlich der Investitionen, also des Baus, Ausbaus und der Ersatzinvestitionen i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 BSWAG?”,
haben in dieser Allgemeinheit keinen Fallbezug und können in einem Revisionsverfahren daher nicht geklärt werden. Sie zielen auf eine Klärung der Abgrenzung der in § 8 BSWAG konkretisierten Finanzverantwortung von Bund und Eisenbahnen und beruhen auf der These, dass “die Beseitigung von Hochwasserschäden, die vielfach auf den Neubau der betreffenden Eisenbahninfrastruktur hinaus liefen, als Investitionsmaßnahme” in der Finanzverantwortung des Bundes stehe. Abgesehen davon, dass in dem angefochtenen Urteil keine tatsächlichen Feststellungen zu den konkret finanzierten Maßnahmen getroffen worden sind, hat das Oberverwaltungsgericht (allenfalls) eine Mitverantwortung des Bundes für die Schadensbeseitigung angenommen, den Gewährleistungsauftrag jedoch durch die allein in Rede stehende Anrechnung von Versicherungsleistungen als bereits im Ansatz nicht betroffen erachtet. Es gehe nicht darum, ob die zur Verfügung stehenden Mittel die zuwendungsfähigen und damit potentiell in die Finanzverantwortung des Bundes fallenden Ausgaben decken, sondern darum, ob die Zuwendungsvereinbarungen so auszulegen seien, dass vorrangig die Finanzierung von nichtzuwendungsfähigen Schäden sichergestellt sei, für die eine aus dem Gewährleistungsauftrag folgende Finanzverantwortung des Bundes grundsätzlich gerade nicht bestehe (UA S. 26 f.).
Rz. 14
Vor diesem Hintergrund, mit dem sich die Beschwerde nicht auseinandersetzt, ist nicht ersichtlich, dass die Fragen entscheidungserheblich sind, zumal die Klägerin selbst ohne weitere Konkretisierung einräumt, dass die Förderung Gegenstand einer Ermessensentscheidung des Bundes sei, die sich im Falle einer Katastrophe wie dem Hochwasser 2002 auch nur zu einer Verpflichtung verdichte, soweit Haushaltsmittel zur Verfügung stünden.
Rz. 15
Die in diesem Zusammenhang angefügten weiteren Fragen:
“Wäre angesichts der Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 BSWAG, wonach der Bund Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes finanziert, eine Entscheidung des Bundes zulässig gewesen, sich überhaupt nicht an der Beseitigung der Hochwasserschäden zu beteiligen? Wäre eine solche Entscheidung insbesondere angesichts der Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 3 BSWAG rechtmäßig gewesen, wonach der Ausbaustand der Schienenwege in den neuen Bundesländern (also dem Ort der hier gegenständlichen Schadensereignisse) an den Ausbaustand in den übrigen Ländern anzugleichen ist?”,
sind sowohl dem Wortlaut nach als auch in der Sache fiktiv und können daher eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründen.
Rz. 16
3. Auch die zum Versicherungsvertragsrecht gestellten Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision.
Rz. 17
Das Oberverwaltungsgericht hat die Zuwendungsvereinbarungen dahin ausgelegt, dass die Beklagte in deren Sinne – “zuwendungsrechtlich” – einen Anspruch auf anteilige Auskehrung der Versicherungssumme habe, unabhängig davon, ob diese der Deutschen Bahn AG oder der Klägerin zur Verfügung stehe (UA S. 31). Die Beklagte habe im Vorfeld der Zuwendungsvereinbarungen festgehalten, Freigaben seien mit der Maßgabe zu versehen, dass alle Ansprüche auf Versicherungsleistungen geltend zu machen und alle an die Deutsche Bahn AG ausgezahlten Versicherungsleistungen anzuzeigen seien. Die Klägerin selbst habe darauf hingewiesen, dass der Beklagten zumindest im Zeitpunkt des Abschlusses der zweiten Zuwendungsvereinbarung bewusst gewesen sei, dass der Versicherer seiner Verpflichtung mit einer Pauschalzahlung an die Deutsche Bahn AG nachgekommen sei. Hätte diese Leistung nicht angerechnet werden sollen, wäre die Regelung objektiv und für alle Vertragsbeteiligten erkennbar sinnlos gewesen (UA S. 23). Aus dem Wortlaut der Zuwendungsvereinbarungen ergebe sich auch nicht, dass es sich um Versicherungsleistungen handeln müsse, die der Klägerin unmittelbar zustünden (UA S. 24). Es komme nicht darauf an, dass der Klägerin selbst ein unmittelbarer Anspruch gegen den Versicherungskonzern zustehe. Vielmehr sei auch ein mittelbarer Versicherungsanspruch in Form eines Auskehrungsanspruchs gegen die Deutsche Bahn AG umfasst (UA S. 25). Hieraus hat das Oberverwaltungsgericht gefolgert, dass es für das Bestehen des Rückforderungsanspruchs der Klägerin auf den Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag und eine Weisung der Deutschen Bahn AG sowie damit in Verbindung stehende Fragen nicht ankomme und hat nachfolgend – davon unbeschadet und damit aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblich – Ausführungen zum versicherungsvertragsrechtlichen Treuhandverhältnis und dem Auskehranspruch der Klägerin gegenüber der Deutschen Bahn AG gemacht (UA S. 31 ff.). Das Oberverwaltungsgericht hat damit in der Sache allein darauf abgestellt, dass der Klägerin als Mitversicherter Rechte aus dem Versicherungsvertrag im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG ( = § 75 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. – materielle Rechtsinhaberschaft) zustehen.
Rz. 18
Kam es dem Oberverwaltungsgericht in Auslegung der Zuwendungsvereinbarungen auf die konkret aus dem Versicherungsvertragsverhältnis von der Klägerin gegenüber der Deutschen Bahn AG durchsetzbaren Rechte nicht weiter an, so sind die zum Versicherungsvertragsrecht (Beschwerdebegründung C… I…) formulierten Fragen nicht entscheidungserheblich. Hieran geht die Klägerin vorbei, indem sie annimmt, eine Anrechnung von Versicherungsleistungen gemäß den Zuwendungsvereinbarungen komme nur dann in Betracht, wenn tatsächlich ein versicherungsrechtlicher Anspruch der Klägerin gegen die Deutsche Bahn AG bestanden habe (Beschwerdebegründung S. 19 f.).
Rz. 19
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Rz. 20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 und § 39 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Kley, Dr. Wysk, Rothfuß
Fundstellen