Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.03.2014; Aktenzeichen 2 A 10549.12) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 2014 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Schadensereignisses als Dienstunfall.
1. Die 1951 geborene Klägerin stand bis zu ihrer vorzeitigen Ruhestandsversetzung als Lehrerin im Dienst des Beklagten. Im Jahr 2002 wurde sie über mehrere Monate hinweg von einem damals 15-jährigen, wiederholt durch Gewaltanwendung auffällig gewordenen Schüler bedrängt, ihm bessere Noten zu erteilen. Der Schüler äußerte mehrfach Todesdrohungen gegen die Klägerin und kündigte an, auch ihrer Tochter könne etwas zustoßen; er habe Freunde, denen schon etwas einfallen werde. Die Klägerin meldete die Vorfälle ihrem Schulleiter, der nachfolgend auch das Ministerium hiervon in Kenntnis setzte. Der Schüler wurde anschließend wegen Bedrohung zu einer Jugendstrafe verurteilt.
Im September 2007 kam es zu einem weiteren Vorkommnis, bei dem eine Schere aus einer hinter der Klägerin stehenden Schülergruppe vom Fußboden weggetreten wurde und mit großer Wucht am Kopf der Klägerin vorbei flog und ihre Schulter nur knapp verfehlte. Das nachfolgende Ermittlungsverfahren wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung wurde wegen Strafunmündigkeit des dieser Tat beschuldigten Schülers eingestellt. Anschließend war die Klägerin dienstunfähig erkrankt und wurde im Jahr 2011 wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.
Den Antrag, den Vorfall vom September 2007 als Dienstunfall anzuerkennen, lehnte der Beklagte ab. Ausweislich der Stellungnahme des Amtsarztes sowie der ergänzenden Gutachten sei das Ereignis nicht geeignet gewesen, eine seelische Störung in dem von der Klägerin beschriebenen Ausmaß auszulösen. Es sei daher von einer anlagebedingten, dienstunfallunabhängigen Vorschädigung auszugehen.
Im Klageverfahren hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, den Vorfall vom September 2007 als Dienstunfall anzuerkennen. Die Ursächlichkeit des Vorfalls für die bei der Klägerin bestehende psychische Erkrankung ergebe sich aus der Stellungnahme des vom Gericht bestellten weiteren Sachverständigen. Zwar reiche die „Scherenattacke” für sich genommen als Ursache für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht aus. Der Vorfall vom September 2007 sei jedoch im Zusammenhang mit den Geschehnissen des Jahres 2002 zu sehen und stelle eine wesentliche Teilursache für die vom Sachverständigen diagnostizierte Erkrankung dar. Die Klägerin habe die damalige Bedrohungslage zwar ohne Ausbildung einer posttraumatischen Belastungsstörung bewältigt, die Vorfälle hätten aber zu einem erhöhten Anspannungsniveau geführt, das die nach dem Vorfall des Jahres 2007 gezeigte Symptomatik erkläre.
2. Die allein auf das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg.
Die aufgeworfene Frage, ob Ereignisse, die in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten und selbst nicht fristgerecht entsprechend § 45 BeamtVG als Dienstunfall gemeldet worden sind, als mitwirkende Ursache eines späteren Dienstunfalls berücksichtigt werden können, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die vom Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden sind und daher gemäß § 137 Abs. 2 VwGO auch einem Revisionsverfahren zugrunde gelegt werden müssten, hat die Klägerin die Vorfälle des Jahres 2002 ihrem dienstvorgesetzten Schulleiter zeitnah gemeldet; Entsprechendes gilt für das Ereignis vom September 2007. Die mit der Beschwerde bezeichnete Frage wäre in einem Revisionsverfahren daher nicht entscheidungserheblich.
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach dem Beamtenversorgungsgesetz entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei dem Dienstvorgesetzten zu melden. Anknüpfungspunkt der Fristenregelung ist damit weder eine Unfallfolge noch ein bereits entstandener Anspruch, sondern der Unfall selbst. Unabhängig davon, ob der Beamte das Ereignis als Dienstunfall einstuft, soll er seinen Dienstherrn in die Lage versetzen, selbst die hierfür erforderlichen Ermittlungen anzustellen und eine zeitnahe Klärung des Sachverhalts sicherzustellen. Damit werden einerseits Aufklärungsschwierigkeiten vermieden, die sich bei späteren Ermittlungen ergeben könnten; zum anderen wird der Dienstherr in die Lage versetzt, präventive Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden zu ergreifen (vgl. etwa Urteile vom 18. Dezember 1969 – BVerwG 2 C 37.68 – BVerwGE 34, 343 ≪345≫ = Buchholz 232 § 150 BBG Nr. 7 S. 10 f., vom 28. Februar 2002 – BVerwG 2 C 5.01 – Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 5 S. 6 und vom 28. April 2011 – BVerwG 2 C 55.09 – Buchholz 240 § 31 BBesG Nr. 1 Rn. 28). Folgerichtig muss sich aus der Meldung selbst noch nicht die Art der Verletzung ergeben, auch müssen mit ihr nicht bereits Unfallfürsorgeansprüche erhoben werden (Urteil vom 6. März 1986 – BVerwG 2 C 37.84 – NJW 1986, 2588).
Ist der eingetretene Gesundheitsschaden zunächst nicht erkennbar aber noch innerhalb der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG diagnostiziert, muss diese Unfallfolge nach § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG innerhalb dreier Monate gemeldet werden (vgl. Urteile vom 21. September 2000 – BVerwG 2 C 22.99 – Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 4 S. 2 und vom 28. April 2011 a.a.O. Rn. 29).
Die Klägerin hat das Unfallgeschehen des Jahres 2002 ihrem Dienstvorgesetzten unverzüglich angezeigt. Eine weitergehende Meldung war ihr zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich, weil sich Krankheitsanzeichen noch nicht eingestellt hatten und sie damit nicht „Verletzte” im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG war. Nachdem sich – ausgelöst durch den Vorfall vom September 2007 – entsprechende Symptome ergaben, hat sie diese förmlich und innerhalb der Dreimonatsfrist aus § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG gemeldet. Das vom Oberverwaltungsgericht als Mitursache der bestehenden Erkrankung der Klägerin herangezogene Geschehen aus dem Jahr 2002 war daher fristgemäß gemeldet.
Im Übrigen verkennt der Beklagte, dass Gegenstand des Rechtsstreits nicht ein im Jahr 2002 erlittener Dienstunfall ist; vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht allein die Verpflichtung ausgesprochen, den Vorfall vom September 2007 als Dienstunfall anzuerkennen. Insoweit liegt eine fristgerechte Meldung unstreitig vor. Die mit der Beschwerde vertretene Auffassung zielt deshalb im Ergebnis darauf, der Fristenregelung des § 45 BeamtVG eine Präklusionswirkung für nicht gemeldete Dienstunfälle auch als Mitursache späterer Gesundheitsschäden beizumessen. Für eine derartig weitgehende Rechtsfolge bietet § 45 BeamtVG indes keinen Anhalt.
Ein derartiges Ergebnis erschiene im Übrigen sachwidrig, weil entsprechende Vorschädigungen aus dem privaten Bereich des Beamten der Annahme eines Dienstunfalls nicht entgegenstünden, sofern das spätere Dienstunfallgeschehen die wesentliche, den Körperschaden nicht nur auslösende Mitursache begründet (vgl. etwa Urteil vom 29. Oktober 2009 – BVerwG 2 C 134.07 – BVerwGE 135, 176 = Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 22 jeweils Rn. 26 sowie zuletzt Beschluss vom 23. Oktober 2013 – BVerwG 2 B 34.12 – juris Rn. 6 m.w.N.). Eine Auslegung, die gerade dann zur Ausblendung entsprechender Vorerkrankungen führt, wenn deren Ursache in der Dienstausübung liegt, wäre mit dem Normzweck der Vorschriften zur Unfallfürsorge nicht in Einklang zu bringen. Diese bezwecken gerade, dem Beamten Schutz bei Körperschäden zu gewähren, die in seiner dienstlichen Tätigkeit wurzeln (Urteil vom 18. April 2002 – BVerwG 2 C 22.01 – Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 12 S. 3).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht in Anlehnung an Nr. 10.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Kenntner, Dollinger
Fundstellen