Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 24.06.2013; Aktenzeichen 7 S 3362/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – Flurbereinigungsgericht – vom 24. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe gem. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen nicht durch.
a) Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe nicht beachtet, dass der seit 20. Februar 2001 bestandskräftige Planfeststellungsbeschluss vom 27. September 1999 am 20. Februar 2011 außer Kraft getreten sei, und deshalb gegen die Aufklärungspflicht gem. § 86 VwGO verstoßen, greift nicht durch. Die Frage des Außerkrafttretens des Planfeststellungsbeschlusses ist eine Frage der Anwendung materiellen Rechts und nicht des Prozessrechts. Im Ergebnis wendet sich der Kläger gegen die nicht mit der Verfahrensrüge angreifbare rechtliche Subsumtion des Verwaltungsgerichtshofs, der Planfeststellungsbeschluss sei nicht am 20. Februar 2011 außer Kraft getreten, weil der in den Jahren 2008 und 2009 erfolgte Grunderwerb als Beginn der Durchführung des Plans anzusehen sei. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die unzutreffende Anwendung des § 17 Abs. 7 FStrG in der bis zum 16. Dezember 2006 geltenden Fassung – FStrG a.F. – rügt, geht es ebenfalls um eine Frage der Anwendung materiellen Rechts und nicht um einen Verfahrensfehler. Gleiches gilt für die weitere Rüge des Klägers, das Flurbereinigungsverfahren sei wegen der Unwirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht mehr erforderlich und deshalb aufzuheben.
b) Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof den Kreisbauernverbandsvorsitzenden bei der Erteilung des Einvernehmens nach § 87 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nicht für befangen gehalten hat. Darin könnte allenfalls ein nicht mit der Verfahrensrüge angreifbarer Fehler der Rechtsanwendung zu sehen sein.
c) Ein Verstoß gegen die richterliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 2 VwGO liegt nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof den Kreisbauernverbandsvorsitzenden nicht als Zeugen vernommen hat. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat. Entsprechend kommt der Aufklärungsrüge nicht die Funktion zu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter zumutbarerweise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (Beschluss vom 16. März 2011 – BVerwG 6 B 47.10 – Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 174 Rn. 12). Einen förmlichen Beweisantrag auf Vernehmung des Herrn Weber zur Frage seiner Befangenheit ist vom Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2013 nicht gestellt worden; er hat eine Vernehmung lediglich im Schriftsatz vom 7. Juni 2013 angeregt. Dass ein Beweisantrag nicht gestellt wurde, ist für den Erfolg einer Aufklärungsrüge nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Die Rüge muss allerdings insoweit schlüssig aufzeigen, dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung hätte sehen müssen. Es muss ferner dargelegt werden, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer günstigeren Entscheidung hätte führen können (stRspr; s. zuletzt Beschluss vom 21. Mai 2014 – BVerwG 6 B 24.14 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Hieran fehlt es. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von seiner Rechtsauffassung, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG (Tätigwerden für eine Behörde bzw. Beteiligter) lägen schon nicht vor und der Befangenheitsgrund des § 21 LVwVfG scheide schon wegen des Zeitablaufs aus (vgl. UA S. 14 f.), weitere Aufklärung durch eine Zeugenvernehmung hätte betreiben müssen. Stattdessen stellt die Beschwerde lediglich die rechtliche Bewertung des Gerichts in Bezug auf die Befangenheitsvorschriften in Frage.
2. Die Rechtssache hat auch – ungeachtet der Frage, ob überhaupt den Darlegungsanforderungen i.S.v. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt ist – nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
a) Die Fragen,
ob ein Landkauf 2008 und 2009 für ein Planfeststellungsverfahren aus dem Jahre 2001 als Beginn der Durchführung im Sinne des § 17c FStrG angesehen werden kann und ob insoweit die §§ 17 ff. FStrG a.F. oder n.F. anwendbar sind,
bedürfen keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Dem Kläger geht es der Sache nach um die Fragen, ob für das Außerkrafttreten des am 20. Februar 2001 bestandskräftig gewordenen Planfeststellungsbeschlusses unter den hier vorliegenden Umständen die Fünfjahresfrist gemäß § 17 Abs. 7 FStrG in der bis zum 16. Dezember 2006 geltenden Fassung oder die Zehnjahresfrist gemäß § 17c Nr. 1 FStrG in der ab 17. Dezember 2006 geltenden Fassung vom 9. Dezember 2006 (BGBl I S. 2833) gilt und ob der Fristlauf hier durch Grundstückskäufe unterbrochen worden ist.
Beide Fragen lassen sich, soweit sie einer abstrakten Beantwortung zugänglich sind, ohne Weiteres anhand des Gesetzes und der Rechtsprechung beantworten. Die Frage, welche Fassung des Fernstraßengesetzes anwendbar ist, bedarf keiner weiteren Klärung, denn sie ergibt sich aus § 24 FStrG. Danach werden vor dem 17. Dezember 2006 beantragte Planfeststellungsverfahren nach den Vorschriften des Fernstraßengesetzes in der ab dem 17. Dezember 2006 geltenden Fassung weitergeführt. Nach § 24 Abs. 2 gilt § 17c FStrG auch für Planfeststellungsbeschlüsse, die vor dem 17. Dezember 2006 erlassen worden sind, soweit der Plan noch nicht außer Kraft getreten ist. Dies bedeutet, dass für den hier streitigen Planfeststellungsbeschluss die Neufassung des § 17c FStrG Anwendung findet, da der Plan zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung aufgrund der Verlängerung der Geltungsdauer bis zum 20. Februar 2011 noch in Kraft war. Die weitere Frage der Unterbrechung des Fristlaufs durch einen Landkauf ist bereits höchstrichterlich geklärt. Der verbindliche Erwerb eines mehr als nur geringfügigen Teils der zur Verwirklichung des Straßenbauvorhabens benötigten Grundstücke unterbricht die Frist zum Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses. Eine solche Maßnahme zielt auf die plangemäße Realisierung des Vorhabens. Die finanziellen Aufwendungen für den Erwerb eines nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs großen Teils der benötigten Grundstücke lassen regelmäßig den Schluss zu, dass das Vorhaben ernsthaft in Angriff genommen werden soll (vgl. Urteil vom 21. Oktober 2009 – BVerwG 9 C 9.08 – BVerwGE 135, 110 = Buchholz 424.01 § 87 FlurbG Nr. 18 Rn. 11 ff., Rn. 14).
b) Ebenso wenig grundsätzlich bedeutsam ist die sinngemäß gestellte Frage,
ob ein Grundstückskauf die Frist zum Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses unterbricht, wenn nicht eine klare Zuordnung zu einem Planfeststellungsbeschluss im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens, bei dem zwei Unternehmensflurbereinigungen und eine Regelflurbereinigung durchgeführt werden, erfolgt.
Mit dieser Frage verfehlt die Beschwerde die tatsächliche Grundlage, von der das Flurbereinigungsgericht bei seiner Entscheidung ausgegangen ist. In dem angefochtenen Urteil ist im Hinblick auf den Planfeststellungsbeschluss für die B 29 (Ortsumgehung Mögglingen) festgestellt, dass der „verbindliche Erwerb eines großen Teils der zur Verwirklichung dieses Straßenbauvorhabens benötigten Grundstücke” bis 2008 bzw. bis 2009 abgeschlossen gewesen sei (UA S. 17). Diese Feststellung schließt die Zuordnung des Grunderwerbs zu dem planfestgestellten Vorhaben ein. Rechtsfragen, die sich in einem Revisionsverfahren erst auf der Grundlage von Tatsachen stellen könnten, welche von der Vorinstanz nicht festgestellt wurden oder die deren Feststellungen sogar widersprechen, können regelmäßig – und auch hier – die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 17. März 2000 – BVerwG 8 B 287.99 – BVerwGE 111, 61 ≪62≫ = Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 14 S. 20).
c) Grundsätzlicher Klärung bedarf auch nicht die sinngemäß gestellte Frage der hinreichenden Bestimmtheit eines Flurbereinigungsbeschlusses, der auf eine Gebiets- und Übersichtskarte Bezug nimmt. Denn diese Frage ist in der Rechtsprechung geklärt. Mit der Bezugnahme auf die Gebietskarte, die Teil des Flurbereinigungsbeschlusses und dementsprechend auch öffentlich auszulegen ist, steht das Verfahrensgebiet mit seinen Grenzen fest (vgl. §§ 4, 7, § 88 Nr. 1 Satz 1 FlurbG), so dass bestimmt werden kann, welche Grundstücke von dem Flurbereinigungsverfahren erfasst werden und demzufolge, wer als Eigentümer oder Erbbauberechtigter Teilnehmer des Verfahrens wird, § 7 Abs. 2, § 10 Nr. 1 FlurbG (vgl. Urteil vom 28. Oktober 1982 – BVerwG 5 C 9.82 – BVerwGE 66, 224 ≪226≫ = Buchholz 424.01 § 87 FlurbG Nr. 5 S. 3; VGH Mannheim, Urteil vom 4. Juli 1961 – 5 S 218/59 – RzF – 1 – zu § 6 Abs. 1 FlurbG). Im vorliegenden Fall gehen aus der Gebietskarte zudem die Flurstücksnummern hervor.
d) Die grundsätzliche Bedeutung der Frage,
„inwieweit kulturhistorische Konsequenzen bei der Aufstellung eines Flurbereinigungsverfahrens zu berücksichtigen sind”,
ist nicht hinreichend dargelegt i.S.v. § 133 Abs. 3 Satz 3 FlurbG. Nach den Ausführungen des Flurbereinigungsgerichts wurde die Gebietsabgrenzung nicht kulturhistorisch begründet (UA S. 22). Inwieweit es dann auf die vom Kläger behauptete Erweiterung der „Limes-Kulturfläche” für die Abgrenzung des Flurbereinigungsgebiets im Flurbereinigungsbeschluss ankommen kann, lässt sich dem klägerischen Vortrag nicht entnehmen.
e) Grundsätzlicher Klärungsbedarf ist auch nicht für die Frage erkennbar, ob
ein Flurbereinigungsbeschluss aufzuheben ist, wenn in diesem Beschluss gleichzeitig zwei angeordnete Unternehmensverfahren mit enthalten sind, wobei jedes Verfahren einen eigenen Zweck verfolgt, der nicht notwendigerweise ein einheitliches Verfahrensgebiet verlangt.
Abgesehen davon, dass ein einheitliches Unternehmensflurbereinigungsverfahren für zwei Unternehmen angeordnet wurde, lässt sich die Frage ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten. § 87 FlurbG enthält keine Einschränkung dahingehend, dass eine Unternehmensflurbereinigung nur für ein Unternehmen beschlossen werden darf, wenn für beide Unternehmen die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Im Hinblick auf den Zweck der Unternehmensflurbereinigung, den Landverlust, der durch die Inanspruchnahme ländlicher Grundstücke zugunsten großer öffentlicher Unternehmen entsteht, auf einen größeren Kreis von Eigentümern zu verteilen, liegt es im Übrigen auf der Hand, dass die Zusammenfassung mehrerer Unternehmen nicht daran scheitern kann, dass nicht für jedes einzelne dieser Unternehmen dasselbe Verfahrensgebiet notwendig ist.
f) Die Frage, welchen Einfluss ein nachträglich reduzierter Ausbaustandard einer Bundesstraße auf die mit der angeordneten Unternehmensflurbereinigung verfolgte Zielsetzung hat, kann im Revisionsverfahren schon deshalb nicht grundsätzlich geklärt werden, weil der Verwaltungsgerichtshof einen reduzierten Ausbaustandard der B 29 nicht festgestellt und seine Entscheidung darauf auch nicht gestützt hat. Er hat vielmehr den entsprechenden Verpflichtungsantrag des Klägers für unzulässig gehalten (UA S. 26).
g) Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinsichtlich der notwendigen Voraussetzungen für die Anordnung einer Unternehmensflurbereinigung im Hinblick auf die gesicherte Finanzierung des Vorhabens, den festliegenden Baubeginn und die Grenzen des Ermessens hierbei sieht, fehlt es an den erforderlichen Darlegungen, § 133 Abs. 3 S. 3 VwGO. Vielmehr wendet sich der Kläger in der Art einer Revisionsbegründung gegen den Inhalt der angegriffenen Entscheidung. Zudem lassen sich die Voraussetzungen, unter denen eine Unternehmensflurbereinigung angeordnet werden kann, ohne Weiteres § 87 FlurbG entnehmen. Nach § 87 Abs. 2 FlurbG kann das Flurbereinigungsverfahren bereits angeordnet werden, wenn das Planfeststellungsverfahren oder ein entsprechendes Verfahren für das Unternehmen, zu dessen Gunsten die Enteignung durchgeführt werden soll, eingeleitet ist. Die Abgrenzung des Flurbereinigungsgebiets ist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nach Ermessen der Flurbereinigungsbehörde so vorzunehmen, dass der Zweck der Flurbereinigung möglichst vollkommen erreicht wird (vgl. dazu Beschluss vom 25. November 1988 – BVerwG 5 B 164.88 – Buchholz 424.01 § 4 FlurbG Nr. 10 S. 3 f.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes aus § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Bier, Buchberger, Dr. Bick
Fundstellen