Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 28.03.2012; Aktenzeichen 2 K 543/11 Ge) |
Tenor
Die Ablehnungsgesuche der Beigeladenen und Beschwerdeführer gegen den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. R… sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. H…, Dr. He… und Dr. R… werden zurückgewiesen.
Tatbestand
I
Rz. 1
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren haben die Beigeladenen die vier im Tenor der Entscheidung genannten Richterinnen und Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Rz. 2
Dem Ablehnungsgesuch liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beigeladenen wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2012 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Gera (2 K 543/11 Ge). Dieses hat auf das Rückübertragungsbegehren der Klägerinnen den Beklagten unter Aufhebung der Regelung unter Ziffer 1 des Bescheides des Staatlichen Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 22. April 2004 und der Regelung unter Ziffer 3 des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 2006 verpflichtet, das Grundstück in der Gemarkung F…, Flur …, Flurstück …, R… Straße in F…, eingetragen im Grundbuch von F…, Blatt … an die Klägerinnen als Gesamthandseigentümer zurückzuübertragen. Dieses Grundstück stand seit 1951 im Eigentum einer Erbengemeinschaft, zu der u.a. die Klägerinnen gehörten. Nachdem die Klägerinnen zu 2 und 3 die DDR verlassen hatten, wurden ihre Erbanteile zunächst unter staatliche Verwaltung gestellt und 1971 an das Eigentum des Volkes verkauft. Als Rechtsträger wurde der Rat der Gemeinde F… im Grundbuch eingetragen. Mit Erbteilskaufvertrag vom 29. April 1982 erwarben die Beigeladenen vom Rat der Gemeinde F… die Erbanteile der Klägerinnen zu 2 und 3 und wurden als Mitglieder der Erbengemeinschaft, zu der weitere Personen gehörten, im Grundbuch eingetragen. Aufgrund gerichtlicher Verkaufsbeschlüsse des Kreisgerichts E… vom 23. Januar 1984 und vom 11. Dezember 1985 erwarben die Beigeladenen das Grundstück und wurden in Ehegemeinschaft im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Mit Investitionsvorrangbescheid vom 15. April 1997 ermöglichte das Landratsamt des Wartburgkreises den Beigeladenen unter Aufhebung des Verfügungsverbots nach § 3 Abs. 5 VermG, auf dem Grundstück eine Eigeninvestition zur Sanierung und zum Umbau des Wohn- und Geschäftshauses vorzunehmen. Mit Durchführungsfeststellungsbescheid vom 3. Februar 1999 stellte das Landratsamt fest, dass die zugesagten Maßnahmen im Wesentlichen umgesetzt worden seien. Nachdem die dagegen gerichtete Klage vom Verwaltungsgericht Meiningen abgewiesen worden war, hob das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 23. März 2011 (BVerwG 8 C 6.10) den Bescheid vom 3. Februar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 17. Juli 2000 auf. Der Investitionsvorrangbescheid vom 15. April 1997 wurde durch Bescheid des Landratsamtes des Wartburgkreises vom 20. Dezember 2011 widerrufen.
Rz. 3
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 8. September 2012 haben die Beigeladenen zunächst den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. R… sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. H… und Dr. He… “wegen Besorgnis der Befangenheit” abgelehnt. Zur Begründung der Anträge hat der Prozessbevollmächtigte auf die “anliegenden Anträge der Beschwerdeführer” Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 6. November 2012 hat der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen ergänzend vorgetragen, die abgelehnten Richter und Richterinnen hätten zudem versucht, “die weitere Richterin des 8. Senats am Bundesverwaltungsgericht, Frau Dr. R…, als gesetzliche Richterin rechtswidrig in den Ablehnungsverfahren entscheiden lassen zu wollen”, obwohl durch den Gesetzgeber bestimmt sei, “dass dann, wenn der 8. Senat am Bundesverwaltungsgericht nicht beschlussfähig ist, ein anderer Senat am Bundesverwaltungsgericht die Aufgaben des gesetzlichen Richters in den Ablehnungsverfahren wahrzunehmen hat.” In einem beigefügten Schreiben vom 6. November 2012 heißt es, auch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. R… sei “in den anliegend übergebenen Stellungnahmen (zu den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter) wegen Besorgnis der Befangenheit ebenfalls abgelehnt”.
Rz. 4
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze und die beigefügten Schreiben der Beigeladenen verwiesen.
Rz. 5
Zu dem Gesuch der Beigeladenen auf Ablehnung der im Tenor dieses Beschlusses namentlich genannten Richter und Richterinnen sind deren dienstliche Äußerungen eingeholt worden.
Rz. 6
Die Klägerinnen halten die Ablehnungsgesuche der Beigeladenen für offensichtlich missbräuchlich, weil die vorgetragenen Umstände eine Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen könnten.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 7
1. Über die Anträge auf Ablehnung des Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. R… sowie der Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. H…, Dr. He… und Dr. R… wegen Besorgnis der Befangenheit hat der Senat gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter und Richterinnen in der bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgesehenen Besetzung von drei Richtern zu entscheiden (§ 10 Abs. 3 VwGO).
Rz. 8
Der Senat entscheidet hier in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung unter Mitwirkung von Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. D… (als Vertreter des abgelehnten Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. R…) sowie des Richters am Bundesverwaltungsgerichts G… und der Richterin am Bundesverwaltungsgericht S…, die als Angehörige des 7. Revisionssenats an die Stelle der abgelehnten beisitzenden Richterinnen des 8. Senats Dr. H… und Dr. He… sowie Dr. R… treten, da nicht genügend beisitzende Richter des 8. Senats als Vertreter zur Verfügung stehen (Abschnitt C.III. 1. Satz 2 des Geschäftsverteilungsplans des Bundesverwaltungsgerichts für das Jahr 2012).
Rz. 9
3. Die Ablehnungsgesuche haben keinen Erfolg. Sie sind bereits unzulässig.
Rz. 10
Gemäß § 67 Abs. 4 VwGO müssen sich die Beteiligten vor dem Bundesverwaltungsgericht, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Nur ein als Bevollmächtigter Zugelassener kann wirksam prozessuale Erklärungen abgeben und Rechtshandlungen vornehmen. Das gilt für alle Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, auch für Ablehnungsgesuche (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. November 2008 – 5 LA 104/05 – NJW 2009, 387 m.w.N.; Eyermann/Schmidt, VwGO, 13. Aufl., 2010, § 54 Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 67 Rn. 32 m.w.N.; anderer Auffassung Czybulka in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 54 Rn. 100).
Rz. 11
Zwar normiert § 54 Abs. 1 VwGO, dass für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen §§ 41 bis 49 der Zivilprozessordnung entsprechend gelten; § 44 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO eröffnet für seinen Anwendungsbereich die Möglichkeit, das Ablehnungsgesuch vor der Geschäftsstelle des Gerichts, dem der abgelehnte Richter angehört, zu Protokoll zu erklären. Schon auf der Grundlage des bis zum 30. Juni 2008 geltenden Rechts war diese vermeintliche Ausnahme von dem Vertretungszwang für Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht jedoch umstritten (ablehnend: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 67 Rn. 26; differenzierend: Cyzbulka, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 2. Aufl. 2006, § 67 Rn. 77 und Rn. 78). Jedenfalls seit der Neufassung des § 67 VwGO durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) ist jedoch für eine Verdrängung der Vorschrift des § 67 Abs. 4 VwGO durch § 44 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kein Raum mehr. Die für die Zivilgerichte geltende Vorschrift des § 44 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO ist nach der Regelung in § 54 Abs. 1 VwGO auf verwaltungsgerichtliche Verfahren lediglich “entsprechend” anzuwenden. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift kommt jedoch von vornherein nicht in Betracht, soweit in der Verwaltungsgerichtsordnung u.a. für Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine anderweitige ausdrückliche Regelung getroffen worden ist. Dies ist in der Spezialvorschrift des § 67 Abs. 4 VwGO geschehen, der ausdrücklich vorschreibt, dass sich die Beteiligten vor dem Bundesverwaltungsgericht, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssen. Der Wortlaut der Vorschrift nimmt damit lediglich Prozesskostenhilfeverfahren vom Vertretungszwang aus. In allen übrigen Verfahren ist eine solche Ausnahme gerade nicht vorgesehen. Damit ist eine erkennbar abschließende Bestimmung getroffen (vgl. dazu u.a. Eyermann/Schmidt, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 67 Rn. 7 m.w.N.). Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte der Regelung. In den Gesetzesmaterialien (Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, Begründung, BT-Drucks. 16/3655 S. 97, Zu § 67 Abs. 4 VwGO) heißt es:
“Die Vorschrift regelt die Vertretungsbefugnis vor den Oberverwaltungsgerichten und dem Bundesverwaltungsgericht in Anlehnung an das geltende Recht neu. Eine Ausnahme vom Vertretungszwang vor diesen Gerichten besteht nach Satz 1 nur in Prozesskostenhilfeverfahren. In allen übrigen Angelegenheiten, insbesondere bei der Abgabe von weitreichenden Prozesshandlungen wie etwa Erledigungserklärungen und Rechtsmittelrücknahmen, besteht künftig Vertretungszwang. Gleiches gilt für Streitwert- und Kostenbeschwerden.”
Rz. 12
Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Verlaufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens hiervon Abstand genommen hat. Damit wurde eine erkennbar abschließende Bestimmung über das Verfahren getroffen, die auch für eine entsprechende Anwendung des § 78 Abs. 3 ZPO auf der Grundlage des § 173 Satz 1 VwGO keinen Raum lässt. Ebensowenig rechtfertigt die durch § 147 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorgenommene Klarstellung, wonach eine von § 146 VwGO statthafte Beschwerde u.a. zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden kann (Satz 1) und § 67 Abs. 4 VwGO davon unberührt bleibt (Satz 2), einen Umkehrschluss. Vielmehr macht sie gerade deutlich, dass im Verwaltungsprozess der Grundsatz nicht gilt, wonach Prozesserklärungen, die zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle – also in der Terminologie des § 44 Abs. 4 Halbs. 2 ZPO “vor der Geschäftsstelle zu Protokoll” – erklärt werden können, allein deshalb von dem Vertretungszwang des § 67 Abs. 4 VwGO ausgenommen sind (so zu Recht OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. November 2008, a.a.O., Rn. 3). Hätte der Gesetzgeber einen derartigen Grundsatz anerkennen wollen, so hätte er im Zuge der zum 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Angleichung der Vertretungsregelungen verschiedener Prozessordnungen unmittelbar in § 67 VwGO eine dem § 78 Abs. 3 ZPO entsprechende Vorschrift aufgenommen, so wie dies etwa in § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG geschehen ist. Dort wird ausdrücklich – anders als in § 67 Abs. 4 VwGO – bestimmt, dass sich die Parteien
vor dem Bundesarbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht, “außer im Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter und bei Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen” müssen (vgl. dazu Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, Begründung, BT-Drucks. 16/3655 S. 93, Zu Abs. 4).
Rz. 13
Durch § 54 Abs. 1 VwGO wird schon nach dem Wortlaut eine entsprechende Geltung zivilprozessualer Vorschriften über den Vertretungszwang (einschließlich derjenigen des § 78 Abs. 3 ZPO) nicht angeordnet.
Rz. 14
Für die Auslegung, dass vor dem Bundesverwaltungsgericht auch für Ablehnungsgesuche (§ 54 Abs. 1 VwGO) der Vertretungszwang nach § 67 Abs. 4 VwGO gilt, spricht auch der Zweck der Vorschrift. Sie dient ersichtlich dem Schutz des Vertretenen und dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege, insbesondere einem geordneten Gang des Verfahrens sowie dessen Vereinfachung, Beschleunigung und Sachlichkeit. Der Vertretungszwang fördert bei typisierender Betrachtung eine sachkundige Erörterung des Streitfalls, vor allem der entscheidungserheblichen Rechtsfragen, vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dies ist insbesondere bei Prozessparteien von Bedeutung, denen es an hinreichenden Rechtskenntnissen und/oder der Bereitschaft zur sachlichen und strukturierten Darlegung und Erörterung der maßgeblichen Rechtsfragen mangelt.
Rz. 15
Die Beigeladenen haben zwar ihre Ablehnungsgesuche durch ihren Prozessbevollmächtigten eingereicht. Es stellt aber eine unzulässige Umgehung des § 67 Abs. 4 VwGO dar, wenn seitens des bevollmächtigten Prozessbevollmächtigten pauschal auf beigefügte Schreiben Bezug genommen wird, die die von ihm vertretenen Beteiligten oder ein Dritter verfasst haben. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Zweck des Vertretungszwangs nach § 67 Abs. 4 VwGO. Dementsprechend muss erkennbar sein, dass der Prozessbevollmächtigte die von ihm vorgetragenen oder vorgelegten Ausführungen seiner Mandanten geprüft und sich zu eigen gemacht hat. Sein schriftsätzliches Vorbringen muss erkennen lassen, dass er selbst eine eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des vorgebrachten Streitstoffs vorgenommen hat (vgl. dazu u.a. Beschluss vom 6. September 1965 – BVerwG 6 C 57.63 – Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 21 = BVerwGE 22, 38 ≪39≫; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 67 Rn. 40 m.w.N.; Eyermann/Schmidt, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 67 Rn. 12 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Rz. 16
Die in den Schriftsätzen des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen erfolgten pauschalen Bezugnahmen auf beigefügte Ablehnungsgesuche und Stellungnahmen, die nicht er selbst, sondern die Beigeladenen unter eigenem Namen verfasst und persönlich unterzeichnet haben, genügen den dargelegten Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO nicht. Das schriftsätzliche Vorbringen lässt sowohl nach seiner Form als auch nach seinem Inhalt die dem Prozessbevollmächtigten obliegende eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des vorgebrachten Streitstoffs nicht erkennen. Es genügt nicht den dargelegten Anforderungen an ein beim Bundesverwaltungsgericht eingereichtes Ablehnungsgesuch, wenn der Prozessbevollmächtigte – wie hier – vorträgt, “die Begründung der Anträge” erfolge “in den anliegenden Anträgen der Beschwerdeführer”. Denn damit wird gerade nicht erkennbar gemacht, dass er sich entsprechend dem Zweck des § 67 Abs. 4 VwGO das Vorbringen der von ihm vertretenen Mandanten nach eigenständiger Sichtung, Prüfung und rechtlicher Durchdringung zu eigen gemacht hat. Dabei kann offen bleiben, ob diese Vorgehensweise des Prozessbevollmächtigten hier darauf beruht, dass er sich damit von den Ausführungen seiner Mandanten unausgesprochen distanzieren wollte oder dass er zwecks Zeit- und Arbeitsersparnis oder aus anderen Gründen von einer eigenständigen rechtlichen Durchdringung und strukturierten Darstellung des Streitstoffs und des Anliegens der Beigeladenen Abstand genommen hat. Entscheidend ist, dass sein schriftsätzliches Vorbringen den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
Rz. 17
Unabhängig davon haben die Ablehnungsgesuche auch deshalb keinen Erfolg, weil sie nur auf Umstände Bezug nehmen, die die Besorgnis der Befangenheit gegenüber den Abgelehnten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können.
Rz. 18
Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit verlangt dagegen nicht, dass der Richter oder die Richterin tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Allein die subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus (stRspr; vgl. u.a. Urteil vom 5. Dezember 1975 – BVerwG 6 C 129.74 – Buchholz 448.0 § 34 WehrPflG Nr. 48 = BVerwGE 50, 36 ≪38 f.≫).
Rz. 19
Die Mitwirkung eines Richters oder einer Richterin an einem anderen Gerichtsverfahren des die Ablehnung aussprechenden Beteiligten oder die Mitwirkung an einer früher ergangenen und für den Beteiligten ungünstigen oder ihn enttäuschenden Entscheidung vermag die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht zu begründen. Der Gesetzgeber hat in § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 Nr. 6 ZPO abschließend geregelt, in welchen Fällen ein Richter aufgrund vorheriger richterlicher Tätigkeit ausgeschlossen ist. In den dort nicht erwähnten Fällen setzt der Gesetzgeber voraus, dass der Prozessbeteiligte grundsätzlich annehmen wird und muss, dass der Richter seiner Pflicht zur unbefangenen Entscheidung genügt. Um dennoch in diesen Fällen die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, müssen besondere Umstände hinzutreten, da anderenfalls ein gesetzlich nicht vorgesehener Ausschließungsgrund geschaffen würde. Die Besorgnis der Befangenheit muss durch genaue Bezeichnung bestimmter Tatsachen dargelegt werden. Verständiger Anlass zu einem aus einer Vorbefassung hergeleitetem Misstrauen eines Beteiligten gegen die Unparteilichkeit eines Richters oder einer Richterin besteht erst dann, wenn sich aufgrund besonderer zusätzlicher Umstände der Eindruck einer unsachlichen, durch Voreingenommenheit oder gar Willkür geprägten Einstellung des Richters oder der Richterin aufdrängt (BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581 – juris Rn. 14; Eyermann/Schmidt a.a.O. § 54 Rn. 13 m.w.N.).
Rz. 20
Eine Besorgnis der Befangenheit ist auch dann nicht dargetan, wenn das Ablehnungsgesuch damit begründet wird, die abgelehnten Richter hätten in einer früheren Entscheidung eine Rechtsansicht vertreten, die von dem Ablehnenden nicht geteilt oder für rechtsirrig gehalten wird. Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 ZPO gilt der Grundsatz, dass ein von der Prozessordnung gedecktes Verhalten des Richters, das der sachgemäßen Behandlung des anhängigen Rechtsstreits dient, ein Ablehnungsgesuch regelmäßig nicht begründen kann. Dies gilt selbst dann, wenn die dem zugrunde liegende Rechtsansicht objektiv falsch ist. Die Besorgnis der Befangenheit ist nach den genannten Vorschriften erst dann gerechtfertigt, wenn sich in der Verfahrensweise des Richters eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung äußert (BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 2009 a.a.O.).
Rz. 21
Anhaltspunkte, aus denen sich ergäbe, dass vom Standpunkt der Beigeladenen aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, in diesem Sinne an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richter und Richterinnen zu zweifeln, lassen sich weder dem schriftsätzlichen Vorbringen des Prozessbevollmächtigten noch den Ausführungen der Beigeladenen entnehmen. Denn in den Ablehnungsgesuchen und ihrer Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die abgelehnten Richter/Richterinnen Prof. Dr. Dr. R… sowie Dr. H… und Dr. He… hätten über die gemäß § 152a VwGO geführte Anhörungsrüge der Beigeladenen vom 4. April 2011 – BVerwG Az. 8 C 3.11 – am 17. Juni 2011 “abschlägig entschieden” und so den Beigeladenen sowohl in dem “Anhörungsrügeverfahren und auch zuvor “als direkt mitgewirkt habende” Richterinnen und Richter “im Hauptverfahren 8 C 6.10 BVerwG, geführt nach dem InVorG, das rechtliche Gehör in schwerwiegend entscheidungserheblicher Weise” verweigert. Mit Tatsachen nachvollziehbar begründet oder gar glaubhaft gemacht (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO) wird dies nicht. Ferner wird pauschalierend vorgetragen, die abgelehnten Richter hätten in den angeführten früheren Verfahren insbesondere die von ihnen bestrittene Aktivlegitimation und das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerinnen zu 1 bis 3 unzutreffend und fehlerhaft beurteilt und schriftsätzliches Vorbringen der Beigeladenen nicht oder nur unzureichend zur Kenntnis genommen; das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2011 im Verfahren BVerwG 8 C 6.10 weise insgesamt “eine Fülle widersprüchlicher und sich teilweise ausschließender Entscheidungen” auf. Damit kritisieren die Beigeladenen die von den abgelehnten Richter und Richterinnen in jenen Verfahren vertretenen Rechtsauffassungen und bringen zum Ausdruck, dass sie diese für verfehlt halten. Es werden jedoch keine Tatsachen vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht, aus denen sich ergäbe, dass die abgelehnten Richter und Richterinnen in den angesprochenen Verfahren eine Verfahrensweise an den Tag gelegt hätten, in der eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung zum Ausdruck gekommen wäre.
Rz. 22
Auch das gegen die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. R… gerichtete Ablehnungsgesuch hat keinen Erfolg. Es ist bereits unzulässig. Soweit ersichtlich ist es allein auf die Rechtsauffassung der Beigeladenen gestützt, die Richterin habe an dem Verfahren zur Vorbereitung der gerichtlichen Entscheidung über die Ablehnungsgesuche schon deshalb nicht mitwirken dürfen, weil sie dem 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts angehört; zu einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch sei “ein anderer Senat des Bundesverwaltungsgerichts” berufen oder zu bestimmen. Dabei verkennen die Beigeladenen die prozessrechtliche Lage. Über ein Ablehnungsgesuch entscheidet nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO das Gericht, beim Bundesverwaltungsgericht mithin also der Senat, dem der oder die Abgelehnte angehört. Der abgelehnte Richter oder die abgelehnte Richterin wirkt an der Entscheidung nicht mit, es sei denn, das Ablehnungsgesuch ist rechtsmissbräuchlich (vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Februar 1960 – 2 BvR 36/60 – BVerfGE 11, 1 ≪3≫ und vom 2. November 1960 – 2 BvR 473/60 – BVerfGE 11, 343 ≪348≫; BVerwG, Beschlüsse vom 18. Juli 1972 – BVerwG 2 B 33.71/2 C 16.71 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 10, vom 28. September 1982 – BVerwG 2 CB 35.80 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 30 und vom 31. Oktober 1994 – 8 B 112.94 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 51). An die Stelle des abgelehnten Richters oder der abgelehnten Richterin tritt der jeweilige Vertreter oder die Vertreterin. Wer dies ist, bestimmt sich nach dem Geschäftsverteilungsplan. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesverwaltungsgerichts für das Jahr 2012 wird der Vorsitzende eines Senats von seinem im Geschäftsverteilungsplan bestimmten regelmäßigen Vertreter vertreten (Abschnitt C. II.); die beisitzenden Richter vertreten einander innerhalb der Senate gemäß dem nach § 4 VwGO i.V.m. § 21 g GVG zu treffenden Beschluss des Senats (Abschnitt C. III.1. Satz 1). Nur für den Fall, dass bei Verhinderung nicht genügend beisitzende Richter eines Senats als Vertreter zur Verfügung stehen, werden nach der Regelung in Abschnitt C.IIII 1 Satz 2 des Geschäftsverteilungsplans des Bundesverwaltungsgerichts die beisitzenden Richter des 8. Revisionssenats durch die beisitzenden Richter des 7. Revisionssenats vertreten, wobei sich die Reihenfolge nach dem Geschäftsverteilungsplan des Vertretungssenats bestimmt. Danach war, soweit sich das Ablehnungsgesuch der Beigeladenen gegen die beisitzenden Richterinnen Dr. H… und Dr. He… richtete, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. R… berufen, als Vertreterin und Berichterstatterin eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch vorzubereiten. Aus dem gegen sie gerichteten Ablehnungsgesuch der Beigeladenen ergibt sich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, aus welchem Grunde sich aus der Wahrnehmung dieser Vertretungsaufgabe oder aus einem anderen Umstand eine Besorgnis der Befangenheit der Richterin Dr. R… ergeben könnte.
Unterschriften
Dr. Deiseroth, Guttenberger, Schipper
Fundstellen