Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaft. Beihilfe. Direktzahlung. Betriebsprämie. Zahlungsanspruch. beihilfefähige Fläche. ermittelte Fläche. Mindestanforderung. Schwelle. Mindestfläche. Mindestbetrag
Leitsatz (amtlich)
Mit der Regelung des Art. 10 VO (EU) Nr. 1307/2013 ist geklärt, dass die flächenbezogene Mindestanforderung für die Gewährung einer Betriebsprämie nur erfüllt ist, wenn der Betriebsinhaber neben einer beihilfefähigen Fläche von mindestens einem Hektar auch über einen dieser Fläche entsprechenden (ganzen) Zahlungsanspruch verfügt.
Normenkette
EGV 73/2009 Art. 28 Abs. 1 S. 1 Buchst. b; VO (EU) Nr. 1307/2013 Art. 10 Abs. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 19.11.2013; Aktenzeichen 10 LB 104/12) |
VG Stade (Entscheidung vom 29.06.2011; Aktenzeichen 6 A 180/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. November 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 873,23 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Betriebsprämie für das Jahr 2010. Deren Bewilligung wurde von der Beklagten abgelehnt, weil der Kläger zwar in seinem Antrag eine Fläche von 2,16 ha aufgeführt habe, ihm aber nur 0,63 Zahlungsansprüche zur Verfügung stünden. Damit seien die Mindestanforderungen für die Gewährung einer Betriebsprämie nicht erreicht. Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts – soweit hier von Bedeutung – stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, die begehrte Betriebsprämie zu bewilligen. Ausreichend sei, dass der Kläger eine beihilfefähige Fläche von nicht weniger als einem Hektar geltend gemacht habe. Hingegen komme es nicht darauf an, dass er auch über einen entsprechenden Zahlungsanspruch verfüge, der für die Mindestfläche von einem Hektar aktiviert werden könne.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Eine Rechtsfrage, die sich auf auslaufendes oder ausgelaufenes Recht bezieht, hat regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine richtungsweisende Klärung für die Zukunft herbeiführen soll. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Frage auch für die Anwendung einer Nachfolgevorschrift in gleicher Weise stellt oder wenn ihre Beantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 24. Oktober 1994 – BVerwG 9 B 83.94 – DVBl 1995, 568 ≪569≫, vom 8. März 2000 – BVerwG 2 B 64.99 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 21 S. 4 und vom 17. Mai 2004 – BVerwG 1 B 176.03 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29 S. 11, jeweils m.w.N.). Einer Frage kommt zudem dann kein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf zu, wenn sie sich auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder mit Hilfe der üblichen Regeln der Gesetzesauslegung ohne Weiteres beantworten lässt (stRspr, vgl. Beschluss vom 24. August 1999 – BVerwG 4 B 72.99 – BVerwGE 109, 268 ≪270≫ = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13).
Die Frage:
„ob Art. 28 Abs. 1 S. 1 lit. b der VO (EG) Nr. 73/2009 bezüglich der Betriebsprämienregelung dahingehend auszulegen ist, dass auch Regelungen zur erforderlichen Höhe der Zahlungsansprüche getroffen werden, mithin neben 1 ha beihilfefähige Fläche auch mindestens 1 Zahlungsanspruch vorhanden sein muss”
betrifft auslaufendes Recht, dessen Auslegung mit Blick auf die Nachfolgeregelung in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b VO (EU) Nr. 1307/2013 keine grundsätzliche Bedeutung hat, weil sie sich mit dieser, grammatikalisch in der deutschen Sprachfassung geänderten Neuregelung nicht mehr in gleicher Weise stellt und damit zugleich ohne Weiteres im Sinne der Beschwerde zu beantworten ist.
Mit der für die Bewilligung der Betriebsprämien des Jahres 2010 maßgeblichen Regelung des § 2a der InVeKoS-Verordnung in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Betriebsprämiendurchführungsverordnung und der InVeKoS-Verordnung vom 7. Mai 2010 (eBanz vom 10. Mai 2010, AT 51 2010 V1 – im Folgenden: InVeKoSV a.F.) hat sich die Bundesrepublik Deutschland dafür entschieden, die Mindestanforderung, bei deren Unterschreiten keine Betriebsprämie gewährt wird, über eine Mindestfläche zu definieren. Damit findet Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 73/2009 Anwendung, der in § 2a InVeKoSV a.F. positiv formuliert („wird nur gewährt, wenn”) weitestgehend wort- und in der Sache inhaltsgleich wiedergegeben wird.
Das Oberverwaltungsgericht stützt seine Auslegung unter anderem darauf, dass der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und dem Begriff der „beihilfefähigen Fläche”, die nicht „kleiner als ein Hektar” sein darf, nicht entnommen werden könne, dass für diese Fläche zugleich ein entsprechender Zahlungsanspruch zur Verfügung stehen müsse. Aus im Wesentlichen zutreffenden systematischen Erwägungen ist es dabei davon ausgegangen, dass die Definition des Begriffs der „ermittelten Fläche”, der neben der beantragten Fläche die entsprechenden Zahlungsansprüche voraussetzt, für die Auslegung der Bestimmung des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 73/2009 nicht bedeutsam ist und insbesondere nicht mit dem Begriff der „beihilfefähigen Fläche” gleichgesetzt werden kann. Auch trifft es zu, dass der Begriff der „beihilfefähigen Fläche” für diese Vorschrift nicht definiert ist. Die spezielle Definition des Art. 34 Abs. 2 VO (EG) Nr. 73/2009 gilt nicht und würde – soweit ihr ein der Verallgemeinerung fähiger Kern innewohnt – die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts bestätigen. Denn jenseits der hauptsächlich landwirtschaftlichen Nutzung einer landwirtschaftlichen Fläche setzt sie nur voraus, dass die Flächen den Beihilfebedingungen jederzeit entsprechen (Art. 34 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und Unterabs. 3 VO ≪EG≫ Nr. 73/2009). Auch Art. 34 Abs. 1 VO (EG) Nr. 73/2009 geht schließlich davon aus, dass das Vorliegen einer beihilfefähigen Fläche vom Bestehen entsprechender Zahlungsansprüche unabhängig ist.
Das Oberverwaltungsgericht übergeht jedoch, dass sich die Regelung der Mindestanforderung nicht darauf beschränkt, dass eine beihilfefähige Fläche vorhanden sein muss, die nicht kleiner als ein Hektar ist. Darüber hinaus findet sich die Aussage, dass es sich um eine „beihilfefähige Fläche des Betriebs handeln muss, für den Direktzahlungen beantragt werden oder zu gewähren sind”. Dem grammatikalischen Bezug der deutschen Sprachfassung folgend, machen die danach auf den Betrieb zu beziehenden Qualifizierungen aber ersichtlich keinen Sinn. Hat der Betrieb keine Direktzahlungen (hier: Betriebsprämie) beantragt, so stellt sich die Frage der Anwendung der Mindestanforderung nicht. Ist ein Antrag gestellt, so findet die Regelung Anwendung, ohne dass es auf die Variante „oder zu gewähren sind” weiter ankommen könnte. Nimmt man vor diesem Hintergrund weitere Sprachfassungen in den Blick, so fällt auf, dass sich der Relativsatz sowohl in der englischen Sprachfassung (the eligible area of the holding for which) als auch in der französischen (la surface admissible de l'exploitation pour laquelle …) zwar nicht zwingend, aber zwanglos auf die beihilfefähige Fläche beziehen lässt. In diesem Sinne eindeutig ist die schwedische Sprachfassung („…areal, för vilken …”). Folgt man diesem Ansatz, dann ist die deutsche Sprachfassung so zu lesen, dass die „beihilfefähige Fläche des Betriebs, für die Direktzahlungen beantragt werden oder zu gewähren sind” mindestens einen Hektar groß sein muss. Damit bekommt der Relativsatz zugleich Sinn. Unterschreitet bereits die beantragte Fläche einen Hektar, so ist keine Beihilfe zu gewähren. Ist die beantragte Fläche größer, so kommt es des Weiteren darauf an, ob für mindestens die Fläche von einem Hektar Direktzahlungen zu gewähren sind. Für Betriebsprämien ist dies aber nur der Fall, wenn korrespondierend zu der Mindestfläche ein ganzer, für die Fläche von einem Hektar aktivierbarer Zahlungsanspruch gegeben ist. Das führt im Ergebnis dann doch dazu, dass die Fläche im Sinne von Art. 2 Nr. 23 Halbs. 2 VO (EG) Nr. 1122/2009 „ermittelt” sein muss, auch wenn es auf diesen Begriff nicht ankommt.
Das von der Beklagten vorgelegte Protokoll des Treffens des Verwaltungsausschusses für Direktzahlungen vom 16. Juli 2009 belegt, dass auch die Kommission die Vorschrift des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 73/2009 in einer die deutsche Sprachfassung, wie vorstehend, korrigierenden Weise versteht. Denn danach geht sie davon aus, dass für die flächenbezogene Mindestanforderung nur die landwirtschaftliche Fläche bedeutsam ist, für die eine Beihilfe geltend gemacht wird oder zu gewähren ist, weil nur diese für eines der hauptsächlichen Ziele, die aufwändige Bearbeitung von auf geringfügige Beträge gerichteten Anträgen auszuschließen, bedeutsam sei.
Ungeachtet dieser Überlegungen ist mit der ab 1. Januar 2015 geltenden Nachfolgeregelung des Art. 10 Abs. 1 Buchst. b VO (EU) Nr. 1307/2013 die Regelung in der deutschen Sprachfassung so geändert worden, dass der Relativsatz nunmehr eindeutig auf die beihilfefähige Fläche als solche zu beziehen ist. Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht insoweit nicht mehr und wird von der Beklagten auch mit Blick auf möglicherweise noch nach bisherigem Recht zu beurteilende, offene Fälle nicht aufgezeigt. Mit der gesetzgeberischen Klarstellung ist die Frage, ob die Gewährung einer Betriebsprämie mindestens eine beihilfefähige Fläche von einem Hektar und einen dieser Fläche entsprechenden (ganzen) Zahlungsanspruch voraussetzt, zugleich eindeutig bestätigt worden.
Für die Neuregelung sind im Übrigen auch die Bedenken ohne Bedeutung, die das Oberverwaltungsgericht gegen die Anwendung der flächenbezogenen Mindestanforderung hegt. Das Gericht setzt sich dabei mit dem Umstand auseinander, dass sich der Wert der mit einer entsprechenden Fläche aktivierbaren Zahlungsansprüche (nur) in einer Übergangsphase bis 2013 erheblich unterscheiden konnte. Misst man die flächenbezogene Mindestanforderung allein an dem genannten Ziel, übermäßigen Aufwand für Kleinbeträge zu vermeiden, so liegt in der Tat die Frage nahe, ob sich diese Schwelle rechtfertigen lässt, weil mit einer betragsmäßigen Mindestanforderung eine Alternative zur Verfügung steht, die – auf den ersten Blick ohne erkennbare administrative Nachteile – zielgenau und einheitlich betragsmäßig gleich ist. Gerade dies fordert allerdings die Frage heraus, ob der Gesetzgeber ausschließlich die Erfassung von Kleinbeträgen vor Augen hatte. Das Protokoll des Verwaltungsausschusses enthält die Aussage, dass dieses nur eines von mehreren Hauptzielen gewesen sei. Die Erwägungsgründe 22 und 23 VO (EG) Nr. 73/2009 zeigen einen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten auf, der jenseits einer vernünftigen Relation von Verwaltungsaufwand und Zahlbetrag eine Steuerung zulassen soll, die die Struktur der Agrarwirtschaft berücksichtigt. Dem entspricht die Regelung des Art. 28 VO (EG) Nr. 73/2009. Dann aber steht nicht ernstlich in Frage, dass sich die flächenbezogene Mindestanforderung rechtfertigen lässt, auch wenn diese Schwelle nicht nur Kleinbeträge, sondern Kleinstbetriebe mit gelegentlich höheren Beträgen erfasst.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3, § 43 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Dr. Wysk, Rothfuß
Fundstellen
Haufe-Index 7215084 |
AuUR 2015, 25 |