Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 15.03.2006; Aktenzeichen 8 A 2672/03) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. März 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
a) Die Beschwerde möchte in dem Revisionsverfahren die Richtigkeit folgender These geklärt wissen:
“Ein schlüssiges, den gesamten Außenbereich erfassendes Plankonzept im Sinne einer Vorbehaltsplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erfordert im Rahmen der Planung einer Windvorrangfläche grundsätzlich eine vollständige Erfassung der für die Nutzung der Windenergie geeigneten Potentialflächen. Ob der Planungsträger dem Gebot, der Windenergienutzung eine substantielle Chance zu geben, genügt, lässt sich dann, wenn in der Planung von vornherein nur die windtechnisch am besten geeigneten Flächen in den Blick genommen werden, nicht mehr feststellen.”
Die Beschwerde geht mit dieser These von Voraussetzungen aus, die das Oberverwaltungsgericht so nicht festgestellt hat. Soweit die These entscheidungserheblich wäre, wirft sie keine Fragen auf, die der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürften.
Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts liegt der 28. Änderung des Flächennutzungsplans ein Konzept zugrunde, das sich auf den gesamten Außenbereich der Beigeladenen erstreckt (UA S. 20). Die Beigeladene hat nicht nur Teile ihres Gemeindegebiets, sondern ihr Gemeindegebiet vollständig auf die Windhöffigkeit untersuchen lassen (vgl. UA S. 24). Sie hat die Konzentrationszone für Windkraftanlagen unter den Flächen ausgewählt, die nach dem Ergebnis dieser Untersuchung in 50 und 65 m Höhe besonders günstige Windverhältnisse bieten; andere Flächen hat sie auf dieser Grundlage von der weiteren Betrachtung ausgenommen (vgl. UA S. 23). Das Oberverwaltungsgericht hat eine solche Flächenauswahl unter den vorab ermittelten besten Windlagen des Gemeindegebiets nur dann als mit der gesetzlichen Wertung vereinbar angesehen, wenn bereits dort für die Windenergie in substanzieller Weise Raum geschaffen und dadurch im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung eine Konzentration auf bestimmte Flächen angestrebt werde. Um dies zu gewährleisten, bedürfe es nicht zwingend einer detaillierten Betrachtung aller für die Windkraftnutzung geeigneten Flächen im Gemeindegebiet. Es sei daher nicht sachfremd, eine Grobanalyse anhand einer gemeindegebietsübergreifenden Untersuchung der Windhöffigkeit vorzunehmen und in erster Linie die windtechnisch am besten geeigneten Flächen näher in den Blick zu nehmen. Denn auf solchen Flächen werde den Belangen der Windkraftnutzung, denen durch die Ausweisung von Konzentrationsflächen Rechnung getragen werden solle, am effektivsten entsprochen. Bereits unter diesem Gesichtspunkt könne es städtebaulich gerechtfertigt sein, für die Windkraftnutzung weniger geeignete Flächen im Planungsprozess auszuscheiden, ohne sie unter anderen möglichen Gesichtspunkten näher zu untersuchen. Erst wenn in den besten Windlagen keine ausreichend großen Flächen gefunden werden könnten, müsse die Gemeinde notwendig in eine nähere Prüfung der windtechnisch weniger geeigneten Lagen eintreten, um den Belangen der Windkraftnutzung hinreichend entsprechen zu können (UA S. 24).
Bedenken gegen diese Rechtsauffassung, die die Durchführung eines Revisionsverfahrens erfordern könnten, hat die Beschwerde nicht aufgezeigt. Nach der Rechtsprechung des Senats setzt der Planungsvorbehalt nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB gebietsbezogene Festlegungen des Plangebers über die Konzentration von Windenergieanlagen an bestimmten Standorten voraus, durch die zugleich ein Ausschluss der Anlagen an anderer Stelle im Plangebiet angestrebt und festgeschrieben wird. Der Ausschluss der Anlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers nur dann rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird. Dagegen ist es einer Gemeinde verwehrt, den Flächennutzungsplan als Mittel zu benutzen, das ihr dazu dient, unter dem Deckmantel der Steuerung Windkraftanlagen in Wahrheit zu verhindern. Mit einer bloßen “Feigenblatt”-Planung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, darf sie es nicht bewenden lassen. Vielmehr muss sie der Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und für die Windenergienutzung in substanzieller Weise Raum schaffen (vgl. Urteile vom 17. Dezember 2002 – BVerwG 4 C 15.01 – BVerwGE 117, 287 ≪295≫, vom 13. März 2003 – BVerwG 4 C 4.02 – BVerwGE 118, 33 ≪37≫ und vom 21. Oktober 2004 – BVerwG 4 C 2.04 – BVerwGE 122, 109 ≪111≫). Wo die Grenze zur unzulässigen “Negativplanung” verläuft, lässt sich nicht abstrakt bestimmen; auch das ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. Urteil vom 13. März 2003 a.a.O. S. 47; Beschluss vom 28. November 2005 – BVerwG 4 B 66.05 – NVwZ 2006, 339). Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum; Größenangaben sind, isoliert betrachtet, als Kriterium ungeeignet (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2002 a.a.O.; Beschluss vom 28. November 2005 a.a.O.). Die Relation zwischen der Gesamtfläche der Konzentrationszonen einerseits und der überhaupt geeigneten Potentialflächen andererseits kann, muss aber nicht auf das Vorliegen einer Verhinderungsplanung schließen lassen; auch dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Oberverwaltungsgericht hat dem Umstand, dass die Beigeladene neben der im Flächennutzungsplan dargestellten, für die Windkraftnutzung außerordentlich gut geeigneten Fläche keine weiteren Flächen ausgewiesen hat, im Hinblick darauf, dass praktisch der gesamte Außenbereich des Gemeindegebiets der Beigeladenen unter Landschaftsschutz stehe, keine missbilligenswerte Verhinderungstendenz entnehmen können (vgl. UA S. 21). An diese tatrichterliche Würdigung wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.
Warum es, wenn eine Gemeinde für die Windenergienutzung auf hierzu besonders geeigneten Flächen substanziell Raum schafft, den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots widersprechen sollte, die Errichtung von Windenergieanlagen nur auf diesen Flächen zuzulassen und die weniger geeigneten Flächen von der weiteren Betrachtung auszunehmen, zeigt die Beschwerde nicht auf. Eine Verhinderungsplanung liegt nicht schon dann vor, wenn die Festlegung von Konzentrationszonen zu einer Art Kontingentierung der Anlagenstandorte führt (vgl. Urteile vom 17. Dezember 2002 a.a.O. S. 294 und vom 13. März 2003 a.a.O.). Der Planungsvorbehalt des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB soll es der Gemeinde ermöglichen, durch eine Kanalisierung der in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB aufgeführten Vorhaben die städtebauliche Entwicklung in ihrem Gemeindegebiet in geordnete Bahnen zu lenken (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2002 a.a.O. S. 293 f.). Dass es sachgerecht ist, die Konzentrationszonen für Windkraftanlagen in erster Linie unter den Flächen auszuwählen, die hierfür am besten geeignet sind, versteht sich von selbst.
b) Die Beschwerde möchte außerdem, dass die Richtigkeit folgender These bestätigt wird:
“Der Vorbehaltswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB steht die Annahme des Planungsträgers, man habe zunächst ausreichende Flächenreserven geschaffen und man müsse, falls sich ein größerer Bedarf abzeichne, zu einem späteren Zeitpunkt über weitere Konzentrationsflächen nachdenken, entgegen. Das gilt zumindest dann, wenn die tatsächlich ausgewiesene Fläche im Zeitpunkt der maßgeblichen Beschlussfassung über den Planentwurf bereits ausgeschöpft war und/oder der Planungsträger dafür ernst zu nehmende Anhaltspunkte hatte.”
Auch diese These wäre so nicht entscheidungserheblich. Soweit sie entscheidungserheblich wäre, ergibt sich ihre Unrichtigkeit ohne weiteres aus dem Gesetz und der bisherigen Rechtsprechung des Senats.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Aussage der Beigeladenen im Erläuterungsbericht, dass in dem ausgewiesenen Gebiet “zunächst ausreichende Flächenreserven” vorhanden seien, im Kontext der Flächennutzungsplanung, deren Aufgabe gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB die Darstellung der sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebenden Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde sei, so verstanden, dass diese Fläche nach Ansicht der Beigeladenen genügte, um der Windkraft im Rahmen der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung einen ihrer Privilegierung und den im Erläuterungsbericht angeführten Planungsvorgaben des Landesentwicklungsplans NRW gerecht werdenden Stellenwert einzuräumen (UA S. 23). An diese Auslegung des Erläuterungsberichts wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Dass der Planungsträger bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan angenommen habe, dass sich ein größerer, auf den ausgewiesenen Flächen nicht angemessen zu befriedigender Bedarf abzeichne, hat das Oberverwaltungsgericht mithin nicht festgestellt. Der Hinweis des Planungsträgers, unter geänderten tatsächlichen Umständen zu einem späteren Zeitpunkt über weitere Konzentrationsflächen nachdenken zu wollen, steht der Rechtmäßigkeit einer Planung, die den im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde angemessen Rechnung trägt, nicht entgegen. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz; gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan maßgebend.
Dass es auf die Anzahl der bereits genehmigten oder errichteten Windenergieanlagen in der Planungsregion bei der Gegenüberstellung von Positivausweisungen und Ausschlussflächen nicht ankommt, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt (vgl. Urteil vom 13. März 2003 a.a.O. S. 48). Ob die ausgewiesene Fläche bei der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan erkennbar schon ausgeschöpft war, ist – wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen hat – für die Frage, ob der Flächennutzungsplan für die Windenergienutzung in substanzieller Weise Raum schafft, nicht relevant (vgl. UA S. 22 f.).
2. Die geltend gemachte Abweichung des angefochtenen Urteils von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2002 – BVerwG 4 C 15.01 – (a.a.O.) und vom 13. März 2003 – BVerwG 4 C 4.02 (a.a.O.) und 4 C 3.02 (Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 356) – liegt nicht vor. Die Thesen, die die Beschwerde im Rahmen der Grundsatzrüge aufgestellt hat, lassen sich den genannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Gatz, Dr. Philipp
Fundstellen
Haufe-Index 1550877 |
BBB 2006, 56 |