Verfahrensgang
Thüringer OVG (Urteil vom 29.05.2002; Aktenzeichen 3 KO 540/97) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und die gerügten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob sich aus dem Strafnachrichtenaustausch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei bei einer mitgeteilten Verurteilung nach § 20 VereinsG in jedem Fall eine asylrelevante Rückkehrgefährdung ergibt oder ob dies erst ab einer bestimmten Höhe des Strafmaßes der Fall ist oder ob dies überhaupt nicht der Fall ist. Damit und mit dem weiteren Vorbringen der Beschwerde ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht aufgezeigt. Die Zulassung der Revision nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird. Die von der Beschwerde bezeichnete Frage ist aber keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage. Sie bezieht sich auf die den Tatsachengerichten vorbehaltene Feststellung und Würdigung der tatsächlichen politischen Verhältnisse in der Türkei und die da-rauf gestützte Verfolgungsprognose. Sie ist einer Klärung im Revisionsverfahren schon wegen der Bindung des Revisionsgerichts an die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 137 Abs. 2 VwGO nicht zugänglich.
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang einen Verfahrensmangel in Ge-stalt einer Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, legt sie einen solchen Verfahrensrechtsverstoß ebenfalls nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dar. Inwiefern der Anspruch auf Wahrung des rechtlichen Gehörs verletzt sein soll, “weil das Urteil die notwendige Ermittlungstiefe vermissen lässt” (Beschwerdebegründung S. 4), lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Sie legt namentlich nicht dar, dass das Berufungsgericht ein bestimmtes wesentliches Vorbringen des Klägers nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat.
Entsprechendes gilt für eine möglicherweise der Sache nach ebenfalls gerügte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Die Beschwerde zeigt nicht wie erforderlich auf, inwiefern sich dem Berufungsgericht über die bereits herangezogenen und von ihm selbst eingeholten sachverständigen Stellungnahmen hinaus weitere Aufklärungsmaßnahmen hätten aufdrängen müssen, obwohl der anwaltlich vertretene Kläger in der Berufungsverhandlung offenbar selbst nicht auf eine weitere Beweiserhebung hingewirkt hat. Soweit die Beschwerde bemängelt, das Berufungsgericht habe bisher nicht geklärt, “wie die türkischen Behörden mit den im Zuge des Strafnachrichtenaustausches mitgeteilten Daten umgehen, welchen Behörden diese zur Kenntnis gebracht werden, ob sie in ein Computersystem eingespeist werden, auf das die türkischen Sicherheitskräfte allgemein Zugriff haben etc.”, legt sie nicht dar, warum das Berufungsgericht derartige Ermittlungen für erforderlich hätte halten sollen. Das Berufungsgericht hat nämlich in der von der Beschwerde angegriffenen Passage seines Urteils ausdrücklich zugunsten des Klägers unterstellt, dass auch die örtlich zuständige Polizeibehörde vom gesamten Inhalt einer Strafnachricht Kenntnis erlangt (UA S. 49), gleichwohl aber eine beachtlich wahrscheinliche Gefahr politischer Verfolgung aus diesem Grund verneint. Die Fragen der Datenübermittlung zwischen den türkischen Behörden waren danach aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich.
In Wahrheit wendet sich die Beschwerde der Sache nach gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Würdigung der Erkenntnisquellen und die darauf beruhende Verfolgungsprognose des Berufungsgerichts, dass auch bei Kenntnis der örtlich zuständigen Polizeibehörden von der Strafnachricht dem Kläger deshalb nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohe. Angriffe gegen die Sachverhalts und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts sind aber regelmäßig und so auch hier nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen und deshalb nicht geeignet, einen Verfahrensmangel zu begründen (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 BVerwG 9 B 710.94 Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen die Denkgesetze durch das Berufungsgericht rügt (Beschwerdebegründung S. 3), kann dahinstehen, ob darin abweichend von diesen Grundsätzen ein von der Beschwerde ohnehin nicht als solcher gerügter Verfahrensmangel liegen kann. Denn die Beschwerde legt einen solchen Verstoß nicht schlüssig dar. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nicht bereits dann vor, wenn das Tatsachengericht einen nach Ansicht der Beschwerde unrichtigen oder fern liegenden Schluss gezogen hat. Erforderlich ist vielmehr, dass es sich um einen aus denkgesetzlichen Gründen schlechthin unmöglichen Schluss handelt (vgl. etwa Urteil vom 20. Oktober 1987 BVerwG 9 C 147.86 Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37). Dass das Berufungsgericht solcher Art gegen die Denkgesetze verstoßen hat, zeigt die Beschwerde nicht auf. Der Kläger ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wegen Verbreitung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins nach § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 VereinsG in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen verurteilt worden. Die Beschwerde meint, wenn türkischen Behörden dieser Umstand aufgrund des Strafnachrichtenaustauschs bekannt sei, liege für sie nichts näher als anzunehmen, dass der Kläger für einen der in der Bundesrepublik Deutschland verbotenen türkischen bzw. kurdischen Vereine, nämlich die Dev-Sol und die PKK mit ihren jeweiligen Neben bzw. Nachfolgeorganisationen, tätig gewesen sei, und ihn deswegen zu befragen (Beschwerdebegründung S. 3). Bereits diese Formulierung zeigt, dass es sich bei dem von der Beschwerde gezogenen Schluss nicht um einen denknotwendigen, sondern nur um einen nach Ansicht der Beschwerde nahe liegenden Schluss handelt. Damit ist auch nicht ansatzweise dargetan, dass der vom Berufungsgericht gezogene andere Schluss, wonach unter Berücksichtigung des außerordentlich geringen Strafmaßes wegen der zudem in Tateinheit mit einem weiteren Delikt begangenen Straftat nach dem Vereinsgesetz nicht erkennbar ist, dass aus der Sicht der örtlich zuständigen Sicherheitsbehörden der Kläger aus der allgemeinen Gruppe kurdischer Rückkehrer in erheblicher Weise hervortreten und damit als mutmaßlicher Regimegegner in ein besonderes Blickfeld geraten wird, nach den Denkgesetzen schlechthin unmöglich ist.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Beck, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen