Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 25.07.2002; Aktenzeichen 4 A 1860/02.A) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde wendet sich mit umfangreichen tatsächlichen Ausführungen in der Art einer Berufungsbegründung dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht Abschiebungsschutz für die aus der Demokratischen Republik Kongo stammenden Kläger nach § 53 Abs. 6 AuslG mit der Begründung abgelehnt hat, dass eine extreme allgemeine Gefahrenlage im Großraum Kinshasa nicht bestehe. Weder drohe ihnen dort der Hungertod noch die Gefahr, mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar nach der Rückkehr an Malaria zu sterben. Ausgehend davon, dass diese Erwägungen des Berufungsgerichts nur das “Prinzip Hoffnung” hoch hielten, es werde schon irgendwie gehen, hält die Beschwerde die Frage für klärungsbedürftig, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit festzustellen ist, einer extremen allgemeinen Gefahrenlage im Sinne von § 53 Abs. 6 AuslG zu entkommen. Es bedürfe der Klärung, ob es reiche anzunehmen, man könne der Gefahr wohl irgendwie entkommen, und sei es durch das Dazutreten hilfswilliger Dritter, oder ob eine solche Möglichkeit konkret und als beachtlich wahrscheinlich festzustellen sei (Beschwerdebegründung S. 7). Diese Frage kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Sie könnte sich schon deshalb nicht stellen, weil das Berufungsgericht entgegen der Interpretation der Beschwerde eine extreme Gefahrenlage nicht auf der Grundlage von tatsächlichen Feststellungen dazu verneint hat, die Kläger könnten der Gefahr “irgendwie entkommen und sei es durch das Dazutreten hilfswilliger Dritter”. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde im Gewande der Grundsatzrüge gegen die tatrichterliche Gefahrenprognose und die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den Maßstab der extremen allgemeinen Gefahrenlage bei verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG.
Außerdem ist bereits grundsätzlich geklärt, welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab für das Vorliegen einer die Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verdrängenden extremen allgemeinen Gefahrenlage zu beachten ist. Die Beschwerde legt hierzu im Ansatz zutreffend dar, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme einer konkreten Gefahr im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen ist. Dieser erfordert eine konkrete einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation (vgl. schon Urteil vom 17. Oktober 1995 – BVerwG 9 C 9.95 – BVerwGE 99, 324, 330 und zuletzt etwa Beschluss vom 18. Juli 2001 – BVerwG 1 B 71.01 – Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46). Beruft sich der einzelne Ausländer auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur im Rahmen eines generellen Abschiebestopps nach § 54 AuslG erhalten. Besteht kein Abschiebestopp nach § 54 AuslG, ist ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (stRspr; vgl. zuletzt etwa Urteile vom 12. Juli 2001 – BVerwG 1 C 2.01 und 1 C 5.01 – BVerwGE 114, 379 ≪382≫; 115, 1 ≪7≫ m.w.N.). Nur wenn extreme Gefahren mit diesem erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad drohen, ist die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung aus § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG gerechtfertigt. Daraus folgt zugleich, dass die Prognose einer extremen Allgemeingefahr im Einzelfall – wie hier für die Kläger bei einer Rückkehr nach Kinshasa – eine den Tatsachengerichten vorbehaltene wertende Gesamtschau aller Gefährdungsmerkmale im Einzelfall erfordert und sich im Übrigen einer rechtsgrundsätzlichen Klärung entzieht (vgl. Beschluss vom 23. März 1999 – BVerwG 9 B 866.98 – Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 17; Beschluss vom 25. Februar 2000 – BVerwG 9 B 77.00 – Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 31).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Richter, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen