Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 21.11.2022; Aktenzeichen 1 A 1314/19) |
VG Köln (Entscheidung vom 14.02.2019; Aktenzeichen 15 K 373/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. November 2022 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 77 063,52 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Das Verfahren betrifft die Frage, welche Folgen die Verweigerung einer vom Beamten geforderten Schweigepflichtentbindung im Dienstunfähigkeitsverfahren hat.
Rz. 2
1. Der... geborene Kläger steht als Oberregierungsrat im Dienst der Beklagten und wird als juristischer Referent im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) verwendet. Ab dem 25. Juni 2012 leistete der Kläger krankheitsbedingt keinen Dienst mehr. Das BSI kündigte dem Kläger die Überprüfung seiner Dienstfähigkeit an und übersandte ihm ab September 2013 mehrfach eine formularmäßige Erklärung zur Unterschrift, mit der der Kläger die mit der Untersuchung beauftragten Ärzte für die Ausstellung eines Gutachtens von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden und sich damit einverstanden erklären sollte, dass der untersuchende Arzt alle für die Erstellung des Gutachtens erforderlichen ärztlichen und psychologischen Untersuchungsunterlagen von den Ärzten und Einrichtungen, die aus den Unterlagen ersichtlich sind, anfordert und dass das erstellte ärztliche Gutachten an seine behandelnden Ärzte übersandt wird. Der Kläger lehnte die Abgabe der Erklärung unter Hinweis darauf ab, dass eine abstrakt-generelle, im Voraus gegenüber dem Dienstherrn abgegebene Erklärung hinsichtlich der Entbindung von der Schweigepflicht nicht verlangt werden könne. Er sei bereit, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen und Inhalt und Umfang der erforderlichen Schweigepflichtentbindungen seien in diesem Zusammenhang zu erörtern.
Rz. 3
Mit Bescheid vom 27. August 2015 versetzte das BSI den Kläger mit Zustimmung des Bundesministeriums des Innern wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 4
Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids sei die Voraussetzung des krankheitsbedingten Fernbleibens vom Dienst i. S. v. § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG erfüllt gewesen. Denn der Kläger sei seit dem 25. Juni 2012 durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Rechtmäßig sei auch die Annahme der Beklagten, dass die Dienstfähigkeit des Klägers nicht innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll hergestellt sein werde. Hiervon habe die Beklagte in Anwendung des Rechtsgedankens des § 444 ZPO ohne vorherige Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens zum Nachteil des Klägers ausgehen dürfen. Die vom Kläger abverlangte Erklärung sei rechtmäßig. Für die Weisung habe wegen der erheblichen ununterbrochenen krankheitsbedingten Fehlzeiten ein hinreichender Anlass bestanden und sie gehe nicht über das Maß hinaus, das für die Feststellung der Dienstfähigkeit erforderlich sei. Der Kläger sei dieser Aufforderung ohne Rechtsgrund nicht nachgekommen und habe damit die notwendige Aufklärung seines Gesundheitszustands bewusst verhindert. Die mehrfachen schriftlichen Zusicherungen des Klägers, er sei bereit, "im erforderlichen Maße" durch die Abgabe der "erforderlichen" Schweigepflichtentbindungserklärung mitzuwirken und sich "erforderlichenfalls" amtsärztlich von einem "relevant qualifizierten" Beauftragten untersuchen zu lassen und diesem die "erforderlichen" Unterlagen zusammenzustellen, seien ersichtlich unzureichend und daher ungeeignet. Die der Beklagten obliegende Suchpflicht sei entfallen. In Anwendung des Rechtsgedankens des § 444 ZPO sei zum Nachteil des Klägers davon auszugehen, dass bei Erlass des Widerspruchsbescheids kein (Rest-)Leistungsvermögen bestanden habe. Auf die besonderen inhaltlichen Anforderungen an eine Untersuchungsanordnung nach § 44 Abs. 6 BBG komme es nicht an. Bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids habe die Beklagte eine ärztliche Untersuchung des Klägers nie angeordnet.
Rz. 5
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
Rz. 6
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Wegen des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist der Senat - ungeachtet der Richtigkeit der Berufungsentscheidung - darauf beschränkt, ausschließlich auf der Grundlage der Beschwerdebegründung zu entscheiden, ob ein Revisionszulassungsgrund vorliegt. Rechtliche Gesichtspunkte, die der Beschwerdeführer nicht vorgetragen hat, können nicht berücksichtigt werden (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9).
Rz. 7
Die Beschwerde des Klägers sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage,
"ob der Dienstherr bei Rechtswidrigkeit der vom Beamten geforderten Schweigepflichtentbindungserklärung wegen der Verweigerung der Abgabe dieser Erklärung unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 444 ZPO von der Dienstunfähigkeit des Beamten ausgehen kann."
Rz. 8
Diese Frage kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründen, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt ist.
Rz. 9
Im Gegensatz zur ganz überwiegenden Anzahl der Landesbeamtengesetze (z. B. § 39 Abs. 1 Satz 5 BG BE, § 36 Abs. 1 Satz 2 HessBG oder Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG) sind in den §§ 44 bis 49 BBG die Rechtsfolgen nicht ausdrücklich geregelt, sollte der Beamte die Befolgung einer konkreten Anordnung des Dienstherrn im Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit verweigern. Das Fehlen einer solchen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ist aber nicht von Bedeutung. Denn aus §§ 427, 444 und 446 ZPO folgt der allgemeine, auch im Verwaltungsverfahren geltende Rechtsgrundsatz, dass das einen Beweis vereitelnde Verhalten eines Beteiligten im Rahmen freier Beweiswürdigung zu dessen Nachteil gewertet werden darf. Es kann auf die Dienstunfähigkeit eines Beamten geschlossen werden, wenn dieser durch sein Verhalten die Feststellung seines Gesundheitszustandes bewusst verhindert. Die Verpflichtung, bei der Nachprüfung der Dienstfähigkeit mitzuwirken, ginge ins Leere, wenn aus einer unberechtigten Weigerung keine Rückschlüsse gezogen werden könnten. Andernfalls hätte es der Beamte in der Hand, die für die Vorbereitung der Feststellung seiner Dienstfähigkeit erforderlichen Untersuchungen erheblich zu erschweren oder zu vereiteln (BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 C 17.10 - Buchholz 237.6 § 226 NdsLBG Nr. 1 Rn. 12 und vom 30. Mai 2013 - 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 14).
Rz. 10
Die Anwendung der genannten speziellen gesetzlichen Regelungen wie auch des Rechtsgedankens der §§ 427, 444 und 446 ZPO setzt aber voraus, dass die konkrete Anordnung des Dienstherrn zur Klärung des Gesundheitszustandes des Beamten ihrerseits rechtmäßig ist. Denn nur die Verweigerung einer rechtmäßigen Anordnung des Dienstherrn kann dem betroffenen Beamten angelastet werden (BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2012 - 2 C 7.11 - Buchholz 237.95 § 208 SHLBG Nr. 1 Rn. 14, vom 26. April 2012 - 2 C 17.10 - Buchholz 237.6 § 226 NdsLBG Nr. 1 Rn. 13 und vom 30. Mai 2013 - 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 14 f. und Beschluss vom 26. Mai 2014 - 2 B 69.12 - Buchholz 237.0 § 53 BaWüLBG Nr. 5 Rn. 12 f.). Von diesem Grundsatz ist auch das Berufungsgericht ausgegangen (UA S. 26 f.).
Rz. 11
Hinsichtlich des - sowohl nach dem Berufungsurteil als auch nach der in der Beschwerdebegründung als rechtsgrundsätzlich bezeichneten Frage entscheidungserheblichen - Aspekts der Rechtswidrigkeit der konkreten Aufforderung zur Abgabe der Erklärungen wird in der Beschwerdebegründung jedoch kein Revisionszulassungsgrund i. S. v. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt. Vielmehr beschränkt sich die Begründung der Beschwerde insoweit darauf, der rechtlichen Bewertung des Berufungsgerichts zur Frage der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Beklagten ihre eigene im Stile eines bereits zugelassenen Rechtsmittels entgegenzusetzen.
Rz. 12
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16187529 |