Verfahrensgang
Hessischer VGH (Entscheidung vom 09.04.2019; Aktenzeichen 4 A 336/18) |
VG Darmstadt (Entscheidung vom 06.01.2016; Aktenzeichen 2 K 327/13.DA) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. April 2019 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und - unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichtshofs - für das Berufungsverfahren auf jeweils 35 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Begründung, die schon keinen Zulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO ausdrücklich benennt, verfehlt die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Rz. 2
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Rz. 3
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, siehe bereits BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91≫).
Rz. 4
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Es fehlt bereits die Formulierung einer bestimmten Rechtsfrage. Dafür reicht das Vorbringen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung für die Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) des Klägers, weil dieser durch die Beseitigungsanordnung in seiner Existenz als Landwirt bedroht werde, nicht aus.
Rz. 5
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines - sinngemäß gerügten - Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den (vermeintlich) begründeten Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26 S. 14). Dem genügt die Beschwerde nicht. Anhaltspunkte für einen Verfahrensfehler zeigt sie nicht substantiiert auf.
Rz. 6
a) Die von der Beschwerde geltend gemachte Befangenheit des Vorsitzenden Richters des Berufungssenats führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Nach Abschluss der Berufungsinstanz kann die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden. Das folgt aus § 138 Nr. 2 VwGO. Danach ist ein Verfahrensfehler nur dann gegeben, wenn ein Richter an der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. Dieser Verfahrensfehler liegt nur vor, wenn ein Ablehnungsgesuch in der Vorinstanz tatsächlich Erfolg gehabt hat. Das gilt selbst dann, wenn sich die Gründe für die Besorgnis der Befangenheit erst aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergeben. In einem solchen Fall kann allenfalls der Verfahrensfehler der vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO geltend gemacht werden. Voraussetzung dafür ist, dass ein Richter der Vorinstanz tatsächlich und so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität hat vermissen lassen, dass jede andere Würdigung als die einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erschiene (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. August 2017 - 4 BN 22.17 - juris Rn. 7 f. m.w.N.). Hierfür ist nichts dargetan.
Rz. 7
b) Mit den Rügen, der Verwaltungsgerichtshof hätte hinsichtlich der Nutzung des "Vereinsheims" sowie der sonstigen Baulichkeiten und Flächen einen Ortstermin durchführen und weitere Ermittlungen zu den vermeintlichen Rodungen anstellen müssen, macht der Kläger in der Sache Aufklärungsmängel (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend. Hierzu muss u.a. dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr beanstandet wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14). Denn die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. August 2015 - 1 B 40.15 - Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19 Rn. 16 und vom 5. Juli 2016 - 4 B 21.16 - juris Rn. 12). Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Weder aus diesem Vorbringen noch aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 9. April 2019 ergibt sich, dass der Kläger eine Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten und weitere Beweiserhebungen zu den Rodungen beantragt oder hierauf sonst hingewirkt hat. Zudem legt er nicht dar, dass sich dem Berufungsgericht von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus, der maßgeblich ist, selbst wenn er rechtlich verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2019 - 4 BN 28.18 - juris Rn. 12 m.w.N.), eine solche Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen.
Rz. 8
c) Das Beschwerdevorbringen führt nicht auf einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der in § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung eröffnet dem Tatrichter einen Wertungsrahmen und beschränkt zugleich die revisionsgerichtliche Kontrolle der Tatsachenfeststellung, weil die Grundsätze der Beweiswürdigung revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen sind. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts ist vom Revisionsgericht nicht daraufhin zu überprüfen, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die tatrichterliche Sachverhaltsfeststellung zu tragen. Deshalb ist die Einhaltung der sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Verpflichtungen des Tatrichters nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter aus dem vorliegenden Tatsachenmaterial andere Schlüsse ziehen will als das Tatsachengericht. Ein Verfahrensfehler in Form der Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann aber ausnahmsweise dann vorliegen, wenn die Beweiswürdigung gesetzliche Beweisregeln außer Acht lässt, objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet bzw. irrtümlich annimmt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 4 B 73.17 - juris Rn. 3 ff. m.w.N.).
Rz. 9
Das Beschwerdevorbringen zeigt solche Fehler nicht auf. Greifbare Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit des Tatsachengerichts legt die Beschwerde nicht dar. Eine bloße Bekanntschaft oder auch lockere Freundschaft eines Richters der Vorinstanz mit einem Verfahrensbeteiligten reicht dafür nicht aus (BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2019 - 2 C 35.18 - juris Rn. 6 m.w.N.). Dass der Verwaltungsgerichtshof die Bilanz objektiv willkürlich ausgelegt hat, weil er maßgeblich auf den (geringen) Anteil der Pensionspferdehaltung am Umsatzerlös des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers abgestellt hat, ist nicht ersichtlich. Ungeachtet dessen hat er seine Annahme, die Pferdepensionshaltung diene nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb, entscheidungstragend nicht auf die Bilanz gestützt (UA S. 12 "Lediglich ergänzend..."). Die von der Beschwerde als "unlogisch" beanstandete Feststellung, im Jahre 1985 sei auf 1978 bereits bebauten Flächen Wald gerodet worden, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen. Vielmehr hat er tragend darauf abgehoben, dass die streitgegenständlichen Flächen ausweislich der vorgelegten Luftbilder im Jahr 1978 vor der Errichtung der baulichen Anlagen noch größtenteils mit Waldbäumen bewachsen waren (UA S. 13) und die bestandskräftige Aufforstungsanordnung vom 8. März 1988 ungenehmigte Rodungen auf den Flurstücken 62 und 63 im Umfang von etwa 4 100 m² ausweist (UA S. 15).
Rz. 10
Auch mit ihren weiteren Rügen zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensfehler auf. In der Sache erschöpft sie sich darin, die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs nach Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels als fehlerhaft anzugreifen.
Rz. 11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Der Senat legt angesichts des beschränkten Streitgegenstands des Berufungsverfahrens die Hälfte des vom Verwaltungsgerichtshof für das Verfahren erster Instanz festgesetzten Streitwerts zugrunde.
Fundstellen
Dokument-Index HI13754055 |