Verfahrensgang
Hessischer VGH (Entscheidung vom 01.08.2001; Aktenzeichen 5 UE 2343/95.A) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. August 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde beanstandet, das Berufungsgericht habe gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht verstoßen (§ 86 Abs. 1 VwGO). Es habe den Anschlag der LTTE auf den Flughafen in Colombo am 24. Juli 2001 nicht berücksichtigt. Es habe zwar in der Berufungsverhandlung zwei Zeitungsberichte hierzu in das Verfahren eingeführt. Es habe aber versäumt, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eine prognostische Neubewertung der Situation im Großraum Colombo vornehmen zu lassen. Dieser Vorwurf ist nicht gerechtfertigt. So trifft es zunächst nicht zu, dass das Berufungsgericht den Anschlag nicht berücksichtigt habe. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde hat das Berufungsgericht in der Berufungsverhandlung nicht nur entsprechende Zeitungsberichte hierzu eingeführt, sondern der Anschlag ist in der Verhandlung offenbar erörtert sowie in der Berufungsentscheidung erwähnt und gewürdigt worden (vgl. UA S. 12 und 20). Es ist ferner nicht dargetan, dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang weitere Sachaufklärung hätte betreiben müssen. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei nicht ausdrücklich beantragt hat (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat den Anschlag in der Berufungsverhandlung offenbar zwar angesprochen, einen Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens aber nicht gestellt. Die Beschwerde zeigt nicht substantiiert auf und es ist auch sonst nicht erkennbar, aus welchen Gründen sich dem Berufungsgericht auch ohne Beweisantrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers eine ergänzende Beweiserhebung durch Einholung weiterer sachverständiger Auskünfte hätte aufdrängen müssen. So führt die Beschwerde selbst aus, im Großraum Colombo sei etwa seit 1998 eine Entwicklung zu beobachten, die in dem bislang weitreichendsten und spektakulärsten Anschlag der LTTE auf den Flughafen quasi einen vorläufigen Höhepunkt gefunden habe und eine derartige Gefährdungssituation für Rückkehrer habe entstehen lassen, dass von einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit auszugehen sei. Mit dieser Entwicklung hat sich das Berufungsgericht jedoch eingehend befasst. Es hat die zahlreichen terroristischen Anschläge in Colombo beschrieben, die der LTTE zugerechnet werden und in den letzten Jahren zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage für die gesamte Bevölkerung und insbesondere auch für die tamilischen Volkszugehörigen geführt haben (UA S. 35, 38 und 39 f.). Es hat auf das im Mai 2000 verhängte Kriegsrecht Bezug genommen und die damit vor allem für die tamilische Bevölkerung verbundenen Einschränkungen und Belastungen hingewiesen (UA S. 43). Es ist gleichwohl zu der Prognose gelangt, dass der Kläger im Großraum Colombo weder gegenwärtig noch in naher Zukunft mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten hat (UA S. 38 und 62). Dass es bei dieser tatsächlichen und rechtlichen Einschätzung des Berufungsgerichts zwingend geboten gewesen wäre, der Gefahrenlage für nach Colombo zurückkehrende tamilische Volkszugehörige speziell unter Berücksichtigung des Anschlags der LTTE auf den Flughafen in Colombo weiter nachzugehen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Der Hinweis der Beschwerde auf die Mitteilung des Auswärtigen Amtes vom 31. August 2001 ist in diesem Zusammenhang schon deshalb unerheblich, weil diese Mitteilung erst nach der Entscheidung des Berufungsgerichts herausgegeben worden ist. Im Übrigen legt die Beschwerde nicht im Einzelnen dar, zu welchen asylrechtlich erheblichen tatsächlichen Feststellungen der Sachverständige voraussichtlich gekommen wäre und ob bzw. aus welchen Gründen diese Feststellungen zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätten.
Die weitere Aufklärungsrüge, das Berufungsgericht habe auch zum Problem von Folterungen srilankischer Tamilen durch staatliche Sicherheitskräfte unzureichend ermittelt und neuere Erkenntnismittel nicht berücksichtigt, geht ebenfalls fehl. Die Beschwerde bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 23. Oktober 2000 sowie vom 14. März und 12. April 2001. Sie geht auf den Inhalt dieser Auskünfte nicht näher ein, sondern weist lediglich pauschal darauf hin, dass nach einzelnen Auskünften sachverständiger Stellen die Berichte über Folterungen im Jahre 2000 zugenommen hätten. Angesicht der Tatsache, dass der anwaltlich vertretene Kläger in der Berufungsverhandlung insoweit weder einen Beweisantrag gestellt noch Einwände gegen die ihm zuvor übermittelte Erkenntnismittelliste erhoben oder sich überhaupt auf eine zwischenzeitliche Änderung der Folterpraxis in Sri Lanka berufen hat, brauchte sich dem Berufungsgericht eine vom Kläger selbst offenbar nicht für notwendig gehaltene weitere Aufklärung auch nicht von Amts wegen aufzudrängen. Soweit die Beschwerde sich in diesem Zusammenhang auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. März 2001 und auf einen Bericht von amnesty international vom 16. Januar 2001 bezieht, kommt ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht schon deshalb nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht diese Erkenntnisquellen ausweislich der Erkenntnismittelliste in das Verfahren eingeführt hat.
Dass das Berufungsgericht sich nicht ausdrücklich mit diesen beiden Quellen auseinander gesetzt hat, lässt für sich allein noch nicht auf eine mangelnde Berücksichtigung dieser Quellen, die einen sonstigen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen könnte, schließen. Das Tatsachengericht ist nämlich nicht verpflichtet, auf jede einzelne in das Asylverfahren eingeführte Auskunft und Stellungnahme sachverständiger Stellen einzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 1999 – BVerwG 9 B 429.99 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 214). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die von der Beschwerde genannten, neueren Erkenntnisquellen in entscheidungserheblichen Punkten wesentlich von den vom Berufungsgericht angeführten älteren Erkenntnisquellen abwichen. Dies zeigt die Beschwerde indes nicht auf.
In Wahrheit wendet die Beschwerde sich mit ihren Ausführungen gegen die aus ihrer Sicht unzutreffende Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Damit kann ein Verfahrensfehler jedoch nicht dargetan werden. Soweit die Beschwerde, ohne dies näher auszuführen, einen Verstoß gegen die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO rügt, macht sie – von allem anderen abgesehen – bereits nicht deutlich, dass die Voraussetzungen vorliegen könnten, unter denen ein solcher Verstoß nicht nur als materiellrechtlicher Mangel, sondern ausnahmsweise als Verfahrensfehler anzusehen sein kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Richter, Beck
Fundstellen