Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 18.04.2007; Aktenzeichen 11 S 1035/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden Württemberg vom 18. April 2007 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht entsprechend den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt.
1. Die Beschwerde sieht eine die Revisionszulassung rechtfertigende Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO darin, dass das Berufungsurteil von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2005 (2 BvR 1001/04 – InfAuslR 2006, 122) in der Frage der Vereinbarkeit einer vorübergehenden Trennung eines Kindes von seinem Elternteil mit Art. 6 GG abweiche (Beschwerdebegründung Ziffer 1). Als Rechtssatz, von dem abgewichen sein soll, benennt sie die Aussage des Verfassungsgerichts, dass bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, im Einzelfall zu würdigen sei, “welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte”. Das Berufungsgericht nehme in dem angegriffenen Urteil hingegen an, dass in Fällen, in denen die Eltern auf ein Leben mit den Kindern in einem Heimatstaat der Eltern verwiesen werden könnten, eine vorübergehende Trennung grundsätzlich zulässig sei.
Bereits mit Beschluss vom gleichen Tage in dem die Ausweisung des Klägers betreffenden Verfahren BVerwG 1 B 59.07 hat der Senat eine gleichlautende Abweichungsrüge verworfen. Auf seine dortigen Ausführungen unter Ziffer 2 nimmt der Senat Bezug. Ergänzend hierzu ist Folgendes auszuführen: Auch im vorliegenden Verfahren fehlt es an einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Darlegung, dass die gerügte Abweichung entscheidungserheblich ist. Denn die Beschwerde zeigt nicht auf, dass es bei einer Rückkehr des Klägers nach Algerien zu einer vorübergehenden Trennung von seinen Kindern käme, die seiner Ausreise wegen der nach Art. 6 GG geschützten Vater-Kind-Beziehung entgegenstünde und daher einen Anspruch auf die begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG begründen könnte. Das Berufungsgericht hat eine solche Tatsache jedenfalls nicht festgestellt; es geht vielmehr – für die Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend – davon aus, dass eine gemeinsame Ausreise der Familie nicht ausgeschlossen sei, zumal der Kläger nicht nur für sich, sondern auch für seine Kinder einen algerischen Pass erlangen könne (UA S. 18).
Da die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage nicht aufgezeigt wird, fehlt es insoweit auch an einer Voraussetzung für die geltend gemachte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage (Beschwerdebegründung Seite 4 oben).
2. Die Beschwerde sieht eine weitere Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) darin, dass die angegriffene Berufungsentscheidung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Mai 2007 (2 BvR 304/07 – NVwZ 2007, 946) in der Frage der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei einer Ausweisung abweiche (Beschwerdebegründung Ziffer 2). Sie rügt, das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zugrunde gelegt, sondern es ausreichen lassen, dass die Folgen einer Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 EMRK “nicht gänzlich unverhältnismäßig seien”.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Denn der beanstandete Rechtssatz, der eine solche Abweichung begründen soll, findet sich in der hier streitgegenständlichen Entscheidung nicht, sondern nur in dem die Ausweisung betreffenden Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom gleichen Tage. Die von der Beschwerde hierfür angegebene Zitatstelle “S. 25 des Urteils” kann sich auf das streitgegenständliche Urteil schon deshalb nicht beziehen, weil dieses nur 22 Seiten umfasst. Im Übrigen verweist der Senat auf seine Ausführungen zu der weitgehend gleichlautenden Abweichungsrüge in dem im Beschwerdeverfahren BVerwG 1 B 59.07 ergangenen Beschluss (Ziffer 1).
3. Die Beschwerde hält weiter folgende Frage für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO):
“Muss § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf das Gewicht von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK dann, wenn eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 AufenthG wegen einer bevorstehenden Ausweisung nicht möglich ist dahingehend erweiternd ausgelegt werden, dass auch bei Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (ausnahmsweise) besteht?” (Beschwerdebegründung Ziffer 3)
Die erhobene Grundsatzrüge entspricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die aufgeworfene Frage verallgemeinerungsfähig zu beantworten ist. Vielmehr kann die Frage, ob unter bestimmten, hier näher beschriebenen Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG “ausnahmsweise” im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK besteht, nur aufgrund der Würdigung der jeweiligen besonderen Umstände des Einzelfalls beantwortet werden, wobei die Zumutbarkeit der Ausreise unter Abwägung der fallrelevanten öffentlichen und privaten Interessen im Mittelpunkt steht (zur einzelfallbezogenen Beurteilung der “zumutbaren Anforderungen” in § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG vgl. Beschluss vom 3. Juni 2006 – BVerwG 1 B 132.05 – Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 3, Rn. 6 m.w.N.). Aber selbst wenn man davon ausginge, dass eine verallgemeinerungsfähige Antwort möglich wäre, legt die Beschwerde die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht dar. Diese ergibt sich nicht – wie die Beschwerde behauptet – aus der Notwendigkeit, den Aufenthalt des Klägers – zumindest vorübergehend (vgl. § 25 Abs. 4 AufenthG) – zur Abwendung einer Trennung von seinen beiden Kindern zu genehmigen. Das Berufungsgericht geht vielmehr – wie unter Ziffer 1 dieses Beschlusses bereits ausgeführt – davon aus, dass eine gemeinsame Ausreise der Familie nicht ausgeschlossen ist, es also gar nicht zu einer auch nur vorübergehenden Trennung des Klägers von seinen Kindern kommen muss.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Prof. Dr. Dörig, Prof. Dr. Kraft
Fundstellen