Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 20.09.2018; Aktenzeichen OVG 11 A 2.16) |
Gründe
Rz. 1
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Thematik. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt (BVerwG, Beschlüsse vom 28. Mai 1997 - 4 B 91.97 - Buchholz 407.4 § 5 FStrG Nr. 10 = NVwZ 1998, 172 und vom 23. Januar 2003 - 4 B 79.02 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 114). So liegt es hier.
Rz. 2
1. Die von der Beschwerde zunächst aufgeworfene Frage,
ob ein Teil von Natur und Landschaft nur dann als tauglicher Schutzgegenstand im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG in Betracht kommt, wenn er eine bestimmte flächenmäßige Größe nicht überschreitet, und wenn ja, ob diese flächenmäßige Höchstgröße jedenfalls bei einer Größe des ggf. unter Schutz zu stellenden Teils von Natur und Landschaft von 130 ha überschritten ist,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass es sich beim "geschützten Landschaftsbestandteil" - ebenso wie beim Naturdenkmal in § 28 BNatSchG - nicht um eine Kategorie des Flächen-, sondern des Objektschutzes handelt. Aus dem Sinn des § 29 BNatSchG als einer auf den Objektschutz ausgerichteten Regelung folgt, dass "Gebiete" nicht als "geschützte Landschaftsbestandteile" unter Schutz gestellt werden dürfen (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2017 - 4 CN 8.16 - Buchholz 406.403 § 29 BNatSchG 2010 Nr. 1 = juris Rn. 19). Geschützte Landschaftsbestandteile im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind "Teile von Natur und Landschaft". Das können auch Einzelgebilde der Natur wie Raine, Alleen, Wallhecken und Tümpel sein. Ihre Flächenhaftigkeit steht ihrer Qualifizierung als Landschaftsbestandteil grundsätzlich nicht entgegen, wie insbesondere § 29 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG zeigt, bei dem es sich um keine Mischform zwischen Objekt- und Flächenschutz handelt, sondern um eine um Elemente des Flächenschutzes angereicherte Kategorie des Objektschutzes (BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2017 - 4 CN 8.16 - a.a.O. Rn. 23 m.w.N.). Maßgeblich ist danach, dass die zu schützenden Objekte nicht schon selbst eine "Landschaft" bilden, sondern als Naturgesamtheit lediglich ein Teil der Landschaft sind, mithin als abgrenzbares Einzelgebilde erkannt werden können. Erkennbar ist, was optisch wahrgenommen werden kann. Was in diesem Sinne "Teil der Landschaft" ist, ist dem entsprechend an der bei natürlicher Betrachtung feststellbaren Abgrenzbarkeit von der Umgebung festzumachen (BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2017 - 4 CN 8.16 - a.a.O. m.w.N.). Hieraus folgt, dass sich in Bezug auf die Flächengröße eines Landschaftsbestandteils keine fixen Grenzen festlegen lassen, zumal der Gesetzgeber in § 29 BNatSchG - und anders als in § 28 BNatSchG; dort 5 ha - keine Flächengröße normiert hat. Auch wenn ein Schutzobjekt eine größere Fläche einnimmt, steht dies einer Unterschutzstellung nach § 29 BNatSchG nicht grundsätzlich entgegen (Hendrischke/Kieß, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 29 Rn. 6; Heugel, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 29 Rn. 3; ähnlich: P. Fischer-Hüftle/J. Schumacher/A. Schumacher, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl. 2011, § 29 Rn. 3). Es kommt vielmehr entscheidend auf die konkrete Situation vor Ort und darauf an, inwieweit eine deutliche Erkennbarkeit und Abgrenzbarkeit zur übrigen Landschaft möglich ist (Appel, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 29 Rn. 8; Hendrischke/Kieß, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 29 Rn. 6; Albrecht, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, § 29 BNatSchG Rn. 7), wenn es auch mit zunehmender Größe eines Landschaftsbestandteils schwieriger werden dürfte, ihn von der übrigen Landschaft abzugrenzen.
Rz. 3
2. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei den Ruhlsdorfer Rieselfeldern um eine anthropogene Schöpfung handle, dies die Anwendung des § 29 BNatSchG aber nicht ausschließe (UA S. 15), weshalb es nicht darauf ankomme, ob und in welcher Weise sich die Natur die Rieselfelder "zurückerobert" habe (UA S. 16). Vor diesem Hintergrund hält die Antragstellerin weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Falls andere als die im Gesetz ausdrücklich genannten Alleen, einseitigen Baumreihen, Bäume und Hecken nicht auf natürlichem Wege entstandenen, sondern von Menschenhand geschaffenen Landschaftselemente ausnahmsweise tauglicher Schutzgegenstand im Sinne von § 29 BNatSchG sein können, setzt dies voraus, dass solche Landschaftselemente von der Natur im Wege natürlicher Sukzession zurückerobert worden und sie deswegen der menschlichen Zivilisationssphäre nicht mehr unmittelbar zuzuordnen sind, d.h. dass die dort stattfindenden Lebensäußerungen und Entwicklungen, wie das Wachsen und Sterben von Flora und Fauna, nach natürlichen Regeln ablaufen und vom Menschen nur eingeschränkt gesteuert werden können?
Rz. 4
Auch auf diese Frage lässt sich antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Als Landschaftsbestandteile sind gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG "Teile von Natur und Landschaft" schutzfähig. Nach dem Wortlaut der Norm kommt es nicht auf den Ursprung des Schutzobjekts an, also wie dieses entstanden ist (vgl. Hendrischke/Kieß, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 29 Rn. 5), sondern allein darauf, ob es sich hierbei um einen (abgrenzbaren) Teil von Natur und Landschaft handelt, der - um schutzwürdig zu sein - bestimmte, in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BNatSchG genannte Schutzvoraussetzungen erfüllen muss. Hierdurch unterscheidet sich § 29 Abs. 1 BNatSchG von § 28 Abs. 1 BNatSchG, der auf Einzelschöpfungen der Natur abstellt (s. hierzu etwa Heugel, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 28 Rn. 5; Appel, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 28 Rn. 8; weiter dagegen Hendrischke/Kieß, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 28 Rn. 9). Auch von Menschenhand geschaffene "Objekte" können daher im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG schutzfähig sein, wie § 29 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG belegt. Aus der - hier vom Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Ruhlsdorfer Rieselfelder getroffenen - Feststellung, dass ein optisch von der Umgebung abgrenzbarer Teil von Natur und Landschaft vorliegt, folgt damit unmittelbar die Schutzfähigkeit als Landschaftsbestandteil im Sinne von § 29 Abs. 1 BNatSchG. Mehr ist verallgemeinernd nicht auszuführen.
Rz. 5
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
NuR 2020, 49 |
FSt 2020, 429 |