Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 11.06.2002; Aktenzeichen 11 K 2078/01) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 11. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
Gründe
Die allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ein Zulassungsgrund für die Revision vor, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Beschwerde rügt die Verletzung der §§ 86 Abs. 3 und 88 VwGO, weil das Verwaltungsgericht es unterlassen habe, den (missglückten) Klageantrag in einen sachdienlichen Antrag “umzudeuten” bzw. der Vorsitzende der Kammer des Verwaltungsgerichts nicht auf eine sachdienliche Antragstellung hingewirkt habe. Hingegen nimmt die Beschwerde die Berichtigung des Tatbestandes des Urteils des Verwaltungsgerichts durch dessen Beschluss vom 2. August 2002 zutreffend nicht zum Anlass für eine Verfahrensrüge, weil zwischen der ursprünglich im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Fassung des Klageantrags und der berichtigten Fassung kein sachlicher Unterschied besteht.
Zu Unrecht macht die Beschwerde eine Verletzung des § 88 VwGO geltend. Nach dieser Vorschrift darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Vielmehr hat das Gericht das im Klageantrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln (Urteil vom 22. Mai 1980 – BVerwG 2 C 30.78 – BVerwGE 60, 144 ≪149≫). § 88 VwGO legitimiert den Richter aber nicht, den Wesensgehalt der Auslegung zu überschreiten und an die Stelle dessen, was eine Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie – nach Meinung des Richters – zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (Beschluss vom 29. August 1989 – BVerwG 8 B 9.89 – Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 17).
Vorliegend lässt sich ungeachtet der Frage, ob die Beschwerde insoweit den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 VwGO genügt, eine Verletzung des § 88 VwGO nicht ausmachen. Die Beschwerde legt zwar dar, aus welchen Passagen der im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Schriftsätze sich ergeben soll, dass das Klagebegehren (nur) im Sinne der in der Beschwerdebegründung vom 14. August 2002 bzw. der ergänzenden Begründung vom 7. Januar 2003 enthaltenen Formulierung(en) der Klageanträge zu verstehen sei. Indes trifft dies nicht zu. Gegenstand des Verfahrens ist nach dem mit Schriftsatz vom 13. September 2001 berichtigten Klageantrag ausdrücklich die Aufhebung der Entziehung des ehemaligen Ritterguts des Vaters des Beschwerdeführers. Zur Begründung dieses Antrags heißt es weiter, dass der Kläger “die Wiedereinsetzung in sein nach wie vor bestehendes Eigentum” bzw. die “Wiedergutmachung der vermögensrechtlichen Folgen einer primär personenbezogenen politischen Verfolgung” verlange. Hieraus ergibt sich in völliger Eindeutigkeit, dass die seinerzeit erfolgte Vermögensentziehung die zu rehabilitierende Maßnahme darstellen sollte, woran auch das Vorbringen in späteren Schriftsätzen, auf die die Beschwerdebegründung verweist, nichts zu ändern vermochte, zumal die Beschwerde selber die Unvollständigkeit dieses Vorbringens einräumt (Beschwerdebegründung vom 14. August 2002 S. 7). Dieses Klageziel hat das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
Darüber hinaus kam eine Auslegung oder – wie die Beschwerde formuliert – Umdeutung des Klagebegehrens in die von der Beschwerde formulierten Klageanträge auch deshalb nicht in Betracht, weil selbst diese Anträge der Klage nicht hätten zum Erfolg verhelfen können. Besteht der Eingriff in eines der in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG angesprochenen Rechtsgüter ausschließlich in einer von § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG erfassten Enteignung von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, so ist eine Rehabilitierung auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG, um die es auch vorliegend geht, ausgeschlossen, weil diese Vermögensentziehung, die selber nicht Gegenstand einer Rehabilitierung sein kann, auch bei der Beurteilung der Frage, ob ggf. andere hoheitliche Maßnahmen einer deutschen behördlichen Stelle zu einem Eingriff in Vermögenswerte geführt haben, außer Betracht zu lassen ist (vgl. hierzu den Beschluss des Senats vom heutigen Tage im Verfahren 3 B 167.02).
Ebenfalls zu Unrecht rügt die Beschwerde daher einen Verstoß gegen die sich aus § 86 Abs. 3 VwGO ergebende Pflicht des Vorsitzenden der Kammer des Verwaltungsgerichts, auf die Stellung sachdienlicher Anträge und Ergänzung ungenügender tatsächlicher Angaben hinzuwirken. Sachdienlich ist ein Antrag, wenn er zumindest seiner Art nach geeignet ist, der Partei zu ihrem Rechtsschutzziel zu verhelfen oder sie diesem näher zu bringen (vgl. Dawin in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 86 Rn. 142). Die Sachdienlichkeit eines Klageantrags ist somit abhängig von dem mit der Klage verfolgten Rechtsschutzziel. Wie bereits dargelegt bestand dieses Ziel vorliegend in der Aufhebung der im Zuge der so genannten Bodenreform erfolgten Enteignung des Vaters des Beschwerdeführers. Gemessen hieran war der genau hierauf gerichtete Klageantrag durchaus sachdienlich. Im Übrigen braucht das Gericht auch nicht auf einen unbegründeten oder aussichtslosen Antrag hinzuwirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 1977 – BVerwG 6 B 38.76 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 Nr. 21; Dawin, a.a.O., § 86 Rn. 142). Das wäre aber hinsichtlich der von der Beschwerde formulierten Anträge aus den vorstehenden Gründen der Fall gewesen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski
Fundstellen