Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 12.12.2013; Aktenzeichen 8 S 3025/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragsteller beimisst.
Der Antragsteller hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Kann ein privater Eigentümer durch die Regionalplanung in eigenen Rechten verletzt und mithin antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sein, wenn im Regionalplan das Fehlen einer Festlegung von raumordnerischen Grundsätzen oder Zielen (sog. „weiße Flächen”) zu einer für ihn unerwünschten und damit belastenden Bebauung auf Grundstücken führen kann, die bislang u.a. wegen § 1 Abs. 4 BauGB unbebaubar waren?
Ist die Antragsbefugnis für die Anfechtung von Regionalplänen nur dann gegeben, wenn der Antragsteller behauptet, dass ihm die legale Nutzung seines Grundstücks aufgrund der regionalplanerischen Festlegungen und des Entfallens einer Festlegung unmöglich werde?
Erfordert die Antragsbefugnis bei der Anfechtung von Regionalplänen (bei Fehlen einer Festlegung von raumordnerischen Grundsätzen oder Zielen), dass der Antragsteller die Nutzung dieser Flächen selbst beabsichtigt und/oder dass sie in seinem Eigentum stehen?
Auf alle Fragen lässt sich antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann einen Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, dass sich weder aus Art. 14 Abs. 1 GG noch aus dem raumordnungsrechtlichen Abwägungsgebot eine Antragsbefugnis des Antragstellers ergebe. Auf Art. 14 Abs. 1 GG könne sich der Antragsteller nicht berufen, weil er nicht behauptet habe, dass ihm die legale Nutzung seines Grundstücks aufgrund der regionalplanerischen Behandlung des Nachbargrundstücks als „weiße Fläche” und der Aufhebung der Darstellung des Grundstücks als Vorbehaltsgebiet für Landwirtschaft und Bodenschutz unmöglich werde. Das Abwägungsgebot helfe dem Antragsteller ebenfalls nicht weiter, weil das von ihm geltend gemachte Interesse am Fortbestand der bisherigen raumplanerischen Festlegung kein Belang sei, der in der Abwägung zu berücksichtigen gewesen wäre. Allein der Umstand, dass durch die Umplanung eine aus Sicht des Antragstellers unerwünschte kommunale Bauleitplanung mit Blick auf § 1 Abs. 4 BauGB gegebenenfalls erst ermöglicht werde, berühre seine Interessen noch nicht. Sollten dem Antragsteller rechtlich beachtliche Belange zustehen, die gegen die Ermöglichung einer Wohnnutzung auf dem ehemaligen Vorbehaltsgebiet sprächen, wären diese bei der Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans abzuwägen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sich ein Antragsteller gegen eine Norm wenden kann, die nachfolgenden selbständigen Rechtsakten den Weg bereitet, bereits geäußert. Im Beschluss vom 18. Dezember 1987 – BVerwG 4 NB 1.87 – (Buchholz 406.401 § 15 BNatSchG Nr. 2 = NVwZ 1988, 728), in dem es um die Änderung einer Landschaftsschutzverordnung ging, hat der Senat zu § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. entschieden, dass sich ein Nachteil, der nach damaliger Rechtslage die Antragsbefugnis begründete, auch daraus ergeben kann, dass durch die zur Prüfung gestellte Rechtsvorschrift der bestehende Landschaftsschutz für ein dem Grundstück des Antragstellers benachbartes Gebiet (ganz oder teilweise) zu dem Zweck aufgehoben wird, dort eine bestimmte bisher nicht zulässige Nutzung (Anlegung eines Golfplatzes) zu ermöglichen. Im Beschluss vom 14. Februar 1991 – BVerwG 4 NB 25.89 – (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 56 = NVwZ 1991, 980) hat er ausgeführt, ob ein Nachteil durch einen Bebauungsplan möglich erscheine, richte sich danach, ob sich die geltend gemachte Beeinträchtigung subjektiver privater Interessen der angegriffenen Norm tatsächlich und rechtlich zuordnen lasse. Das sei der Fall, wenn zu erwarten sei, dass die Norm, die den Gegenstand des Normenkontrollverfahrens bilde, eine weitere Rechtsvorschrift oder eine anderweitige behördliche Maßnahme nach sich ziehe, die sich ihrerseits nachteilig auf geschützte Interessen des Betroffenen auswirke. Diese Erwägung hat der Senat in seinem Beschluss vom 9. Juli 1992 – BVerwG 4 NB 39.91 – (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 68 = NVwZ 1993, 470) erweitert. Eine Antragsbefugnis sei auch gegeben, wenn die geltend gemachte Beeinträchtigung subjektiver privater Interessen zwar endgültig erst als Folge eines nachfolgenden eigenständigen Rechtsaktes drohe, dieser Rechtsakt jedoch in der vom Antragsteller angegriffenen Rechtsvorschrift als vom Normgeber geplante Folgemaßnahme bereits angelegt sei.
In den Entscheidungen hat der Senat den Gedanken verfolgt, dass aus Gründen des angemessenen Rechtsschutzes einerseits, aber auch aus dem Allgemeinwohlgrund der Klärung der objektiven Rechtslage andererseits der von einem zu erwartenden Rechtsakt Betroffene bereits den zeitlich vorangehenden Plan solle angreifen können, wenn abzusehen sei, dass dieser Rechtsakt dem Plan folgen werde (vgl. Beschluss vom 29. August 2000 – BVerwG 4 BN 40.00 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 143 = NVwZ-RR 2001, 199).
Nachdem § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Jahre 1996 geändert worden ist, hat sich der Senat allerdings außer Stande gesehen, seine Rechtsprechung unverändert fortzuführen. Da nach geltendem Recht die Antragsbefugnis die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die angegriffene Norm oder deren Anwendung voraussetzt, kann eine prinzipale Normenkontrolle eines zeitlich vorgelagerten Plans nur erreichen, wer ein subjektives Recht darauf geltend machen kann, dass der Plangeber sein „negatives Betroffensein” in einem privaten Interesse zu berücksichtigen hat (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2003 – BVerwG 4 CN 10.02 – BVerwGE 119, 312 ≪320≫). Das bedeutet: Wenn und soweit das Interesse des Antragstellers an der Abwehr planbedingter Folgemaßnahmen zum notwendigen Abwägungsmaterial gehört, wird es von dem – vorliegend durch § 3 Abs. 2 LplG und § 7 Abs. 7 Satz 3 ROG a.F. vermittelten – Recht auf gerechte Abwägung erfasst, dessen mögliche Verletzung die Antragsbefugnis begründet (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2003 a.a.O. S. 322). Mit der Festlegung von „weißen Bereichen” bringt die Regionalplanung zum Ausdruck, dass nachfolgende Rechtsakte für sie unerheblich sind. Die Regionalplanung trifft zu diesen Flächen also keine Aussage (Urteil vom 13. März 2003 – BVerwG 4 C 3.02 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 356 S. 96). Das Abwägungsgebot des § 3 Abs. 2 LplG und des § 7 Abs. 7 Satz 3 ROG a.F. erstreckt sich in diesem Fall daher nicht auf die Bodennutzungskonflikte, die erst durch eine spätere Bauleitplanung ausgelöst und durch das Abwägungsgebot in § 1 Abs. 7 BauGB gesteuert werden.
Auf die nachfolgenden Fragen kommt es mithin nicht mehr an. Der Senat wirkt aber darauf hin, dass das Interesse an der Abwehr planbedingter Folgemaßnahmen allerdings nicht nur dann beachtlich ist, wenn diese Maßnahmen den Antragsteller schwer und unerträglich träfen. Abwägungsrelevant sind alle eigenen Belange, die mehr als geringwertig, nicht mit einem Makel behaftet und für den Planer erkennbar sind (Urteil vom 24. September 1998 – BVerwG 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215 ≪219≫, Beschluss vom 9. November 1979 – BVerwG 4 N 1.78 u.a. – BVerwGE 59, 87 ≪102 f.≫). Da das Abwägungsgebot drittschützend ist, ist die Antragsbefugnis auch nicht auf Antragsteller beschränkt, die von den Festlegungen in einem Regionalplan unmittelbar betroffen sind. Mehr ist verallgemeinernd nicht zu sagen.
Die Revision ist auch dann nicht zuzulassen, wenn die Grundsatzrüge in eine Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) umgedeutet wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anforderungen an die Antragsbefugnis nicht überspannt. Dies ergibt sich aus dem oben Gesagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Dr. Külpmann
Fundstellen