Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 10 A 12066/00)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. April 2001 wird verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Weder die geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch der behauptete Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.

Die Beschwerde rügt zunächst, die Berufungsentscheidung weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. April 1985 – BVerwG 9 C 75.84 – (Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 33 = InfAuslR 1985, 276) ab, weil das Berufungsgericht trotz unterstellter von der Klägerin zu 2 erlittener Verfolgung in der Türkei nicht den herabgesetzten Prognosemaßstab zugrunde gelegt habe, weil diese Verfolgung nicht kausal für die Ausreise gewesen sei. Demgegenüber habe das Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Urteil entschieden, „dass es im Falle einer Vorverfolgung des Asylsuchenden im Heimatland nicht mehr darauf ankommen kann, ob diese auch im Zeitpunkt einer späteren Ausreise noch anhielt oder ausreisebestimmend war”. Damit ist eine Divergenz schon deshalb nicht hinreichend bezeichnet, weil die Beschwerde die Abweichung von einer überholten Rechtsprechung rügt, die nicht zur Zulassung der Revision wegen Divergenz führen kann (vgl. etwa Beschluss vom 2. Februar 1994 – BVerwG 1 B 208.93 – Buchholz § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO Nr. 1). Denn soweit in dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Anschluss an das Urteil vom 26. März 1985 – BVerwG 9 C 107.84 – BVerwGE 71, 175 ein objektiver Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Ausreise nicht als erforderlich angesehen wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht hieran im Hinblick auf die gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 74, 51, 60; 80, 315, 344) nicht mehr festgehalten (vgl. u.a. Urteil vom 30. Oktober 1990 – BVerwG 9 C 60.89 – BVerwGE 87, 52, 55), sondern verlangt für die Annahme einer Vorverfolgung, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen erlittener Verfolgung und Flucht besteht, d.h., dass sich die Ausreise bei objektiver Betrachtung als eine unter dem Druck erlittener Verfolgung stattfindende Flucht darstellt (stRspr; vgl. neben dem Urteil vom 30. Oktober 1990 auch Urteil vom 20. November 1990 – BVerwG 9 C 72.90 – BVerwGE 87, 141, 146 f. und jüngst Beschluss vom 8. Februar 2000 – BVerwG 9 B 4.00 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 229 sowie Urteil vom 25. Juli 2000 – BVerwG 9 C 28.99BVerwGE 111, 334, 337). Dass das Berufungsgericht sich hierzu in Widerspruch gesetzt hat, zeigt die Beschwerde, die auf diese Rechtsprechung überhaupt nicht eingeht, nicht auf.

Die Beschwerde rügt ferner eine Gehörsverletzung (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht habe die Klägerin zu 2 mit seinen Schlussfolgerungen aus den vorgelegten psychologischen Attesten im Rahmen der Ablehnung des Abschiebungsschutzes nach § 53 Abs. 6 AuslG überrascht. Das Gericht hätte die Klägerin zu 2 insoweit mit seinen Annahmen vor Schluss der Berufungsverhandlung konfrontieren müssen, damit sie noch Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. Beweisbeantragung gehabt hätte. Dieses Vorbringen macht einen Gehörsverstoß nicht ersichtlich. Das Gericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die ihm obliegende abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (stRspr; vgl. Urteil vom 13. Mai 1976 – BVerwG 2 C 26.74 – Buchholz 237.4 § 35 HmbBG Nr. 1). Besondere Umstände, die das Berufungsgericht ausnahmsweise zu einem Hinweis bezüglich des Abschiebungsschutzes nach § 53 Abs. 6 AuslG hätten veranlassen müssen, zeigt die Beschwerde nicht auf. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin zu 2 aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs insoweit mit einer für sie günstigen Entscheidung des Gerichts rechnen durfte. Dies lag schon deshalb nicht nahe, weil die fraglichen Atteste vor allem zur Bestätigung ihres Verfolgungsvorbringens dienten und sie sich selbst in diesem Zusammenhang weder auf ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG berufen noch zu den Voraussetzungen dieser Vorschrift – etwa einer landesweit fehlenden Behandlungsmöglichkeit in der Türkei – substantiiert vorgetragen hat. Für eine willkürliche und möglicherweise deshalb überraschende Würdigung des Inhalts der beiden Bescheinigungen ist von der Beschwerde im Übrigen nichts vorgebracht worden und auch sonst nichts erkennbar (vgl. hierzu Beschluss vom 16. März 1999 – BVerwG 9 B 73.99 – juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

 

Unterschriften

Eckertz-Höfer, Richter, Beck

 

Fundstellen

Dokument-Index HI666435

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