Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 08.05.2008; Aktenzeichen 2 S 2163/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 503,22 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und des Verfahrensmangels stützt, hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich bedeutsam, wenn eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Den Darlegungen der Beschwerde, auf die der Senat gemäß § 133 Abs. 3 VwGO seine Prüfung beschränkt, lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.
a) Die Klägerin will im Hinblick auf die Rundfunkgebühr, um deren Festsetzung im vorliegenden Fall gestritten wird, geklärt wissen, “ob sie eine ‘neue’ Beihilfe im Sinne des Art. 87 des EG-Vertrages darstellt”. Diese Frage verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Was den Beihilfecharakter als solchen anlangt, hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich offengelassen, ob die deutsche Rundfunkfinanzierung den Tatbestand einer staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 87 Abs. 1 EG erfüllt. Rechtsfragen, die sich für das Berufungsgericht nicht gestellt haben, können regelmäßig nicht zur Zulassung der Revision führen (Beschluss vom 18. Mai 2006 – BVerwG 6 B 14.06 – juris Rn. 11). Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Revisionsrechts hat auch nicht die weitere Frage, ob die Rundfunkgebühr – ihre Beihilfequalität unterstellt – als eine neue Beihilfe oder aber als eine bestehende Beihilfe im Sinne des Gemeinschaftsrechts einzuordnen ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung in Bezug auf den hier vorliegenden Streitfall (noch) dem irrevisiblen Landesrecht angehört. Zwar wurden die Bestimmungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages – RGebStV – vom 31. August 1991 (GBlBW S. 745) mittlerweile durch § 10 RGebStV i.d.F. des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrages, der am 1. März 2007 in Kraft getreten ist, für revisibel erklärt. Die Revisibilität gilt aber noch nicht für das Staatsvertragsrecht, das für die Rundfunkgebührenpflicht hinsichtlich eines in der Vergangenheit abgeschlossenen Zeitraums maßgeblich ist. Denn unter den in § 10 RGebStV nunmehr als revisibel bezeichneten “Bestimmungen dieses Staatsvertrages” sind die Rechtsvorschriften in der Fassung zu verstehen, die sie durch Art. 7 des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrages erhalten haben, nicht hingegen das – hier noch maßgebliche – bisherige Gebührenstaatsvertragsrecht (vgl. Beschlüsse vom 5. April 2007 – BVerwG 6 B 15.07 – Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 42 Rn. 4 und vom 18. Juni 2008 – BVerwG 6 B 1.08 – NVwZ-RR 2008, 704 Rn. 4).
Vor diesem Hintergrund könnten die Zweifel, die die Beschwerde an der Vereinbarkeit der Vorschriften des Rundfunkgebührenstaatsvertrages mit Gemeinschaftsrecht hegt, die Zulassung der Revision nur rechtfertigen, wenn dargelegt wäre, inwiefern das maßgebliche revisible Recht – hier das Gemeinschaftsrecht – einer weiteren grundsätzlichen Klärung bedarf (s. Beschluss vom 1. November 2007 – BVerwG 7 B 37.07 – Buchholz 451.90 Sonstiges Europ. Recht Nr. 210 Rn. 11). Einen solchen gemeinschaftsrechtlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde aber nicht auf. Für bestehende Beihilfen, deren nachträgliche Kontrolle gemäß Art. 17 ff. der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 einem besonderen, hier noch nicht durchgeführten Verfahren der Europäischen Kommission unterliegt, enthält Art. 1 Buchst. b Nr. I, V der Verordnung eine Begriffsbestimmung. Danach sind bestehende Beihilfen u.a. diejenigen, die vor Inkrafttreten des Vertrags in dem entsprechenden Mitgliedstaat bestanden. Als bestehende Beihilfen gelten ferner solche, die zu dem Zeitpunkt, in dem sie eingeführt wurden, keine Beihilfen waren und später aufgrund der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu Beihilfen wurden, ohne dass sie eine Änderung durch den betreffenden Mitgliedstaat erfahren haben. Als neue Beihilfen, deren Überprüfung dem genannten besonderen Verfahren nicht unterliegt, gelten dagegen alle diejenigen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen, soweit diese Änderungen nicht rein formaler oder verwaltungstechnischer Art sind (Art. 1 Buchst. c VO Nr. 659/1999 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind Maßstab für die Einstufung als neue Beihilfe oder als umgestaltete (bestehende) Beihilfe die ihr zugrunde liegenden Bestimmungen sowie die dort vorgesehenen Modalitäten und Beschränkungen. Namentlich kommt es darauf an, ob die einschlägigen Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Natur der gewährten Vorteile oder die Tätigkeiten des Empfängers geändert worden sind (Urteil vom 9. August 1994 – Rs. C-44/93 – Slg. 1994, I-3829 Rn. 28 f.; s. auch EuG, Urteil vom 30. April 2002 – Rs. T-195/01 u.a. – Slg. 2002, II-2309 Rn. 111). Die Beschwerde macht zwar geltend, die Rundfunkfinanzierung sei “immer wieder geändert” und “immer wieder erhöht” worden. Sie legt aber keine konkrete Rechtsfrage dar, die über die vorbezeichneten Erkenntnisse zur Abgrenzung zwischen bestehenden und neuen Beihilfen hinaus einer weitergehenden Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte. Damit fehlt es zugleich an der Darlegung, dass in einem zukünftigen Revisionsverfahren voraussichtlich eine Vorabentscheidung gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur Auslegung einer entscheidungsrelevanten gemeinschaftsrechtlichen Regelung einzuholen sein wird.
b) Auch die Frage, “ob die Verletzung völkerrechtlicher Verträge zu einer Verletzung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Völkerrechts ‘pacta sunt servanda’ führt”, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Klägerin meint, die Erhebung von Rundfunkgebühren verstoße gegen das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen – GATS – (BGBl 1994 II S. 1473, 1643); der Verstoß führe nach dem genannten Rechtsgrundsatz zur Rechtswidrigkeit entgegenstehender innerstaatlicher Regelungen und der auf sie gestützten belastenden Verwaltungsakte. Die damit aufgeworfene Frage ist indes eindeutig zu verneinen, ohne dass es dafür eines Revisionsverfahrens bedarf. Denn es ist allgemein anerkannt, dass der als allgemeine Regel des Völkerrechts i.S.d. Art. 25 GG anzusehende Rechtsgrundsatz “pacta sunt servanda”, selbst wenn sich der Einzelne auf ihn im Sinne eines subjektiven Rechts berufen könnte, die einzelnen Normen völkerrechtlicher Verträge nicht ihrerseits in allgemeine Regeln des Völkerrechts mit Vorrang vor innerstaatlichem Recht verwandelt (s. BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 1971 – 2 BvR 225/69 – BVerfGE 31, 145 ≪178≫; Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2000 – 1 BvR 1643/95 – VIZ 2001, 114).
c) Im Hinblick auf das Schreiben der Kommission vom 24. April 2007, mit dem diese das gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Rundfunkfinanzierung eingeleitete beihilferechtliche Vorverfahren nach Art. 17 ff. VO Nr. 659/1999 (“Verfahren bei bestehenden Beihilferegelungen”) eingestellt hat, will die Beschwerde geklärt wissen, “ob die Feststellungen der europäischen Kommission für die nach deutschem Recht nach den vorgenannten Grundsätzen zu beurteilende Rechtmäßigkeit der Gebühr maßgeblich sind”. Sie meint, falls die Feststellung der Kommission, dass die geltenden Rahmenbedingungen den öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht ausreichend klar und präzise definieren, für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Rundfunkgebühr maßgeblich sei, bedinge sie die Rechtswidrigkeit der Festsetzung der Rundfunkgebühr. Damit wird eine bestimmte klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts nicht dargetan. Insbesondere wird nicht im Einzelnen dargelegt, aus welcher gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Norm sich eine etwaige rechtliche Bindung an den von der Kommission anlässlich der Verfahrenseinstellung geäußerten Rechtsstandpunkt ergeben soll.
d) Zulassungserheblich sind auch nicht die Fragen, “ob die Rundfunkgebühr über den Bedarf zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Auftrages hinausgeht” und “ob die übermäßige Belastung des Gebührenzahlers dem der Feststellung des Finanzbedarfs zugrundeliegenden Verfahren nach § 14 Rundfunkstaatsvertrag immanent ist”. Der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, woraus sie im Einzelnen ihre Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Übermaßverbotes herleitet. Abgesehen davon hat das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 11. September 2007 (BVerfGE 119, 181 ≪224 f.≫) erkannt, dass das von der Klägerin in Frage gestellte dreistufige Verfahren der Gebührenfestsetzung aus Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten, Prüfung der Anmeldung und Bedarfsfeststellung durch die politisch unabhängige Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) und abschließender Festsetzung der Gebühr durch den Rundfunkgesetzgeber den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Inwieweit hierzu eine erneute rechtsgrundsätzliche Klärung erforderlich wäre, legt die Beschwerde nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich.
e) Schließlich rechtfertigt auch die Frage, “ob in (dem) Berufen auf die Verjährung ein Rechtsmissbrauch liegt, wenn die Feststellung der Gebührenpflicht durch ein Unterlassen der Anmeldung unterblieben ist”, nicht die Zulassung der Revision. Der von der Beschwerde erwähnte Meinungsstreit darüber, ob einem Rundfunkteilnehmer, der sich auf die Verjährung der Gebührenschuld beruft, der Einwand unzulässiger Rechtsausübung schon wegen des bloßen Unterlassens der in § 3 Abs. 1 RGebStV vorgeschriebenen Anzeige oder nur bei einem über dieses Unterlassen hinausgehenden aktiven Tun entgegengehalten werden kann, berührt im vorliegenden Rechtsstreit aus den o.g. Gründen (noch) irrevisibles Landesrecht. An dieser Einordnung würde sich auch dann nichts ändern, wenn insoweit, wie von der Beschwerde geltend gemacht, ergänzend auf bundesrechtliche Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch bzw. in der Abgabenordnung zurückzugreifen sein sollte. Soweit Landesrecht auf bundesrechtliche Regelungen Bezug nimmt, erlangen auch die so rezipierten Bestimmungen den Charakter nicht revisiblen Landesrechts, da das für anwendbar erklärte Bundesrecht nicht aus sich heraus, sondern kraft normativer Entscheidung des Landesgesetzgebers gilt (Urteile vom 24. September 1992 – BVerwG 3 C 64.89 – BVerwGE 91, 77 ≪81≫ = Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 173 S. 22 und vom 30. Januar 1996 – BVerwG 1 C 9.93 – Buchholz 430.2 Kammerzugehörigkeit Nr. 7 S. 3).
2. Die Revision ist ferner nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Die Klägerin rügt als verfahrensfehlerhaft, dass der Verwaltungsgerichtshof es unterlassen hat, gemäß Art. 234 Abs. 3 EG eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Begriff der Beihilfe in Art. 87 EG einzuholen. Damit ist ein Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Denn es wird nicht aufgezeigt, inwiefern das Berufungsgericht zur Vorlage verpflichtet gewesen sein soll, obwohl es, da seine Entscheidung mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision anfechtbar war, nicht als letztinstanzliches Gericht entschieden hat (vgl. Beschluss vom 29. Juni 2007 – BVerwG 1 B 133.06 – Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 48 Rn. 23 m.w.N.).
b) Die Beschwerde wirft dem Berufungsgericht schließlich Aufklärungsmängel vor, da es keine Nachforschungen zu den von der Klägerin vorgetragenen Fällen von “Gebührenmissbrauch” durch zweckwidrige Verwendung von Gebühreneinnahmen sowie zur Vorgehensweise der KEF bei der Prüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angestellt habe. Damit genügt sie nicht den Darlegungsanforderungen, die an den behaupteten Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) zu stellen sind. Nach ständiger Rechtsprechung muss dazu im Einzelnen vorgetragen werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiter muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder inwiefern sich die Beweisaufnahme dem Gericht von sich aus hätte aufdrängen müssen (s. nur Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 f. m.w.N.).
Daran fehlt es hier in mehrfacher Hinsicht. Die Beschwerde führt keine konkreten Tatsachen an, hinsichtlich derer Aufklärungsbedarf bestanden hätte und bezeichnet nicht, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung welcher Aufklärungsmaßnahmen voraussichtlich getroffen worden wären. Außerdem wird aus dem Beschwerdevorbringen nicht deutlich, inwiefern sich die vermissten Aufklärungsmaßnahmen dem Berufungsgericht hätten aufdrängen müssen, nachdem die sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst anwaltlich vertretende Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschrift keinen Beweisantrag gestellt hatte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Bier, Dr. Möller
Fundstellen